phologisch, nicht funktionell bei allen gleichwertig. Umgekehrt, alle Geschmacksorgane, die wir bei
Insekten finden, sind sich funktionell, aber nicht morphologisch gleichwertig. Ganz ähnlich ist es auch
bei den Mollusken. Die Veränderlichkeit der Organisation ist, mehr bei den niederen als bei den
höheren Tieren, eine so grosse, dass derselbe Zweck, dieselbe Funktion, bei verschiedenen Ordnungen
oder Familien auf verschiedenem Wege erreicht werden kann.
In der Klasse der Mollusken sind Tiere mit so sehr verschiedenen Lebensbedingungen vereinigt,
dass es nicht "Wunder nehmen kann, wenn der Sinnesapparat bei ihnen grosse Differenzen aufweist.
Bei den Schnecken und mehr noch den Cephalopoden steht er auf sehr hoher Stufe, auf der
anderen Seite stehen die Muscheln, wenigstens ein Teil derselben, in der Ausbildung der Sinnesthätig-
keiten weit zurück, so dass sie den AcÜnien und den Ascidien nahe kommen. Bei solchen Tieren
ist von vornherein eine geringe Ausbeute für experimentelle Untersuchungen zu erwarten. Immerhin
sind dieselben doch nicht ganz erfolglos, wie ich im folgenden zeigen werde. Bei den Schnecken
sind Versuche zwar oft nicht so sicher und erfolgreich anzustellen, wie bei den Insekten, erlauben
aber doch mancherlei Schlüsse über die Sinnesthätigkeiten dieser Tiere.
Wenn ich kurz das allgemeine Ergebnis meiner Untersuchungen an Mollusken angeben soll,
möchte ich dies ausdrücken, wie folgt:
Dass die g e s am te H a u t a lle r M ollu sk en ein ch emisches S in n e so rg a n , bei
L an dm o llu sk en ein R ie c h o rg a n , bei W a s se rm o llu sk en ein Schmec ko rg a n , d a rs
te llt, ist u n b e d in g t n ic h t ric h tig . Die chemische S in n e s th ä tig k e it is t v ie lm eh r
b e i den L a n d sc h n ecken und v ie le n W a s se rm o llu sk en a u f bestimmte G eg en d en
lo k a lis i e r t, w elche a b e r in den wenig sten F ä lle n an a tom isc h wohl c h a r a k te r is ie r te
Sin n e so rg an e d a r s te lle n d ü rfte n , so n d e rn an w e lch en n u r d ie a llg em e in en H a u tsin
n e so rg an e gewiss e Modifikationen zu e rfa h re n sc h e in en , die sie zur chemischen
S in n e s th ä tig k e it g e s c h ic k t ma ch en . Die E n tw ic k lu n g des ch em is ch en S in n e s bei
den Mollusken is t in den v e rs c h ie d e n e n Ordnungen eine sehr u n g le ic h e .
Eingehende histiologische Untersuchungen über die Sinnesorgane der Mollusken habe ich nicht
gemacht. Wir besitzen über dieselben eine Anzahl guter Arbeiten, von denen ich hier nur die durch
Klarheit der Beschreibung und überzeugende Beweisführung hervorragenden Arbeiten von W. F 1 emmin
g namhaft machen will. Ich glaube, dass die Ergebnisse dieses Forschers sich mit meinen experimentellen
Resultaten und mit meiner Auffassungsweise gut vereinigen lassen, wenn ich auch nicht
in allen Punkten den Schlüssen des genannten Forschers zustimmen kann. Ich werde auf diese,
sowie einige andere hierhergehörige Arbeiten an geeignetem Orte einzugehen haben.
Wasserschnecken.
Von Wasserschnecken benützte ich zu meinen Versuchen: L im n a eu s s ta g n a lis und
pia lu stfv s P la n o rb is corneus, carinatzisxmämarginatus als Vertreter der Wasserpulmonaten.
Von Seeschnecken konnte ich noch die an den Nordseeküsten häufige L ito rin a litorea
verwenden, feiner gelegentlich eines Aufenthalts in der zoologischen Station zu Neapel: Nassa
r e ttc u la ta , Pleurobranchaea Meckelii, A ply s.ia p u n c ta ta , Jan u s crista tu s.
Im folgenden halte ich mich zunächst ausschliesslich an die genannten Süsswasserschnecken,
um später die Abweichungen der Seewasserformen anzuführen.
Zunächst gilt auch hier das über die Mollusken im allgemeinen gesagte, dass weder die ganze
Körperoberfläche ein Schmeckorgan ist, noch dass es ein scharf begrenztes Schmeckorgan an einer
bestimmten Körperstelle gibt. Der grösste Teil der Haut, namentlich auch der Mantel besitzt kein
Schmeckvermögen; diese Teile reagieren auf schwache und mässig starke chemische Reize gar nicht,
sondern nur auf die allerstärksten. Man kann z. B. einem L im n a e u s , der an der Wasserfläche
hinkriecht, mittelst einer feinen Pipette den ganzen Hohlraum der Schale, welcher vom Mantel begrenzt
wird, mit einer stark schmeckenden Flüssigkeit, z. B. C h in in b isu lfa t anfüllen, ohne dass
zunächst irgend eine Reaktion bemerkbar wird. Erst nach 15—30 Sekunden zieht sich die Schnecke
langsam in ihr Haus zurück, kommt dabei mit dem Kopfe in die reizende Substanz und kontrahiert
sich nun sofort heftig. Ausser mit Chinin habe ich diesen Versuch mit demselben Erfolge mit konzentrierter
Lösung von Kaliumbichromat, mit Cocain, hydrochlor. 1 : 20, Essigsäure 1 : 250, Strychnin,
nitr. 1 : 150 öfters angestellt.
Ich betrachte diesen Versuch als beweisend für das Fehlen von Schmeckvermögen an Rumpf
und Mantel dieser Schnecken. •
Wesentlich anders ist das Verhalten der empfindlichen Teile, zu welchen vor allem die paarige
O b e rlip p e zu rechnen ist; dann folgt mit etwas geringerer Empfindlichkeit die U n te r lip p e , überhaupt
die g an z e Mundgegend, die F ü h le r und vielleicht auch die Haut des vorderen Teiles
des Kopfes. Weniger empfindlich ist der ganze Ran d des F usses. An den genannten Stellen
bewirkt schon die kleinste Menge eines differenten Stoffes sofortige lokale Kontraktion, wobei der
gereizte Hautteil faltig wird, sodann Retraktion des betreffenden Körperteiles, und, wenn dieser hierdurch
nicht aus dem Bereiche der reizenden Substanz kommt, des ganzen Körpers.
Die Art der Reaktion ist in diesem Falle mit derjenigen bei dem erstbeschriebenen Versuch
gar nicht zu vergleichen, viel energischer, und sofort eintretend. Ich betrachte sie als ein Zeichen
spezifischer Empfänglichkeit der genannten Hautstellen für chemische Reize, welche sehr wahrscheinlich
als wahres Schmeckvermögen zu bezeichnen ist.
Dass die übrigen Körperteile, zwar nicht plötzlich, aber wenigstens allmählich auf den mässig
starken chemischen Reiz reagieren, lässt sich in verschiedener Weise auffassen: Entweder ist die
reizende Flüssigkeit in der bis zum Eintritt der Reaktion verflossenen Zeit bis zu den empfindlichen
Teilen am Kopf und Fussrand vorgedrungen, und die ganze Reaktion beruht demnach auf einer
leichten Reizung dieser Teile; dann brauchte die Haut im übrigen gar keine chemische Reizbarkeit
zu besitzen. Oder aber die Reizbarkeit und Empfindlichkeit ist zwar überall vorhanden, aber im allgemeinen
auf der Haut sehr gering und nur an den Kopfteilen bedeutend gesteigert. Endlich ist es
auch denkbar, dass die Reaktion gar nicht infolge direkter chemischer Nervenreizung zustande kam,
sondern indirekt als Folge einer schrumpfenden oder quellenden Einwirkung auf die Epidermis, wodurch
die Endorgane des mechanischen Sinnes, oder auch nur die Nerven mechanisch gereizt würden.
Ich halte von diesen drei Erklärungsweisen die zweite für die zutreffende. Ihr ist besonders günstig
die Angabe F lem m in g ’s, dass bei den Wasserpulmonaten die Sinneszellen der Haut am Kopf und
Rumpf die gleichen sind, und nur an ersterem Orte viel zahlreicher sind. . Ich habe auf diesen Punkt
noch zurückzukommen.
Einwurfsfreier noch als die durch Chinin etc. herbeigeführten Abstossungsreaktionen spricht für
Existenz von Schmeckvermögen bei unseren Wasserschnecken die Reihe der folgenden, mit süssen
S to ffen ausgeführten Versuche. Der süsse Geschmack ist auffallender Weise der Schnecke ein angenehmer
, was darauf hinweist, dass auch ihre natürliche Nahrung zuweilen süsse Stoffe enthalten wird.
Unter der Einwirkung süss schmeckender Lösungen treten beinahe immer die charakteristischen Bewegungen
der Mundteile ein, mittelst deren die Schnecken sonst die ihnen zur Nahrung dienenden Algen