kaum anzunehmen, dass die Macropodidae allein in diesem Punkte eine Ausnahmestellung ein:
nehmen sollten').
Im Zusammenhänge mit den hier behandelten Thatsachen gewinnt auch eine neuerdings
von^RöSE (VIII) am Wombat (Phascolomys) gemachte Beobachtung zugleich ihre Bedeutung und
Erklärung. An einem „Embryo“ von 1 Cm. 9 Mm. Körperlänge, der auf Schnitten untersucht
wurde, unterscheidet R. zwei distincte Dentitionen, eine verkalkte Milchzahnserie und eine bleibende
Serie, deren Anlagen noch sämmtlich im kappen- oder glockenförmigen Stadium sich befinden.
„Im Unterkiefer befinden sich je drei rudimentäre Milchschneidezähne, im Oberkiefer je zwei. Es
sind ganz kleine schmelzlose Dentinstiftchen von unregelmässiger G-estalt." „Es ist sehr wahrscheinlich,
dass die kleinen Milchschneidezähne bereits während des foetalen2) Lebens wieder resorbirt
werden.“ „Im Gegensätze zu den Milchincisiven sind die Milcheckzähne die grössten Zahnanlagen
in beiden Kiefern“; sie tragen schon verhältnissmässig grosse Dentinscherbchen. Ausserdem weist
R. das Vorkommen eines einspitzigen, theilweise verkalkten „Milchmolaren“ nach, an dessen lingualer
Seite eine stark entwickelte, am Ende kolbig verdickte Schmelzleiste sich findet; R. vermuthet,
dass aus^derselben späterhin der bleibende Prämolar sich bildet. Schliesslich fand R. hinter dem
Milcheckzahn eine „molarähnliche, zweispitzige Zahnanlage“ „Pm?“, in welcher er einen Milchmolaren
vermuthet, der ohne Ersatz frühzeitig verloren geht. Bezüglich der Deutung dieser
Befunde betont R., dass die Frage, welche der beiden Zahnserien vom Wombat dem Milchgebiss
der übrigen Beutelthiere entspricht, sich an dem vorliegenden einzelnen Stadium nicht mit
Sicherheit beantworten lässt. Die wahrscheinlichste Annahme ist jedoch nach R., dass die rudimentären
„Milchschneidezähne“ sowie der einspitzige „Milchbackenzahn“, der „Milcheckzahn“ und
der „Milchprämolar Pm?“ der Milchzahnserie der übrigen Beutelthiere entsprechen; die Molaren
des Wombat sind als Milchzähne denen der anderen Beutelthiere homolog. „Ein durchgreifender
Unterschied herrscht dagegen im vorderen Kieferabschnitte. Während die Schneidezähne der
polyprotodonten Beutler zur ersten oder Milchzahnserie gehören, rechnen diejenigen vom Wombat
zur zweiten oder bleibenden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dieses letztere Verhältniss auch
bei einigen anderen diprotodonten Marsupialien sich vorfindet.“
Vergleichen wir die von mir bei Myrmecobius und die. von W oodward und mir bei Macropodidae
dargelegten Befunde mit den von R öse beim Wombat entdeckten Thatsachen, so lässt sich
unschwer erkennen, dass bei allen diesen Beutelthieren dieselbe Erscheinung vorliegt: im vordem
Kiefertheile kommen in früheren Entwicklungsstadien rudimentäre, frühreife Zähne vor, welche
nie zur Funktion gelangen, sondern zeitig -resorbirt werden. In der Deutung derselben aber
weichen, wie aus dem obigen ersichtlich, wir alle drei von einander ab. R öse, welcher mit mir
" i) Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich auch gegen folgenden Ausspruch Woodward’s verwahren (pag. 453):
J 2 „sliows -a distinct but small .downgrowth on its inner side obviously representing the ventral continuation of the
dental lamina and the undeveloped permanent tooth of Kükbnthal, Röse and Leche, and according to the interpretations
of these observers this small calcified tooth mpst be a vestigial milk-tooth.“ Ich habe mich wiederholt gegen eine solche
Deutung ausgesprochen, so schon in meiner ersten vorläufigen Mittheilung (III pag. 529) : „Das freie Schmelzleistenende
als solches . . . ist, wie noch oft genug geschieht, nicht als identisch mit einem Schmelzkeime, resp. einer Zahnanlage
aufzufassen.“ „An und für sich ist das Auftreten des besagten Schmelzleistenendes also nichts anderes als der Anfang
der Emancipation des Schmelzkeims von der Schmelzleiste.“ Wie ebenfalls aus meiner eben citirten Arbeit hervorgeht,
habe ich ein solches freies Schmelzleistenende auch bei „Ersatzzähnen“ in gewissen Entwicklungsstadien gefunden. lieber
die Bedeutung, desselben speciell bei Beutelthieren verweise ich auf meinen Aufsatz IV pag. 139.
2) Nach der von Röse angegebenen Grösse seines Exemplares ebenso wie nach .dem Ausbildungsgrade der Zähno zu
schliessen ist RöSE’s Exemplar kein „Embryo“ sondern ein Beutel-Junges und hat somit das „foetale Leben“ schon hinter sich.
-L_ entgegen Woodward — darin einig ist, dass besagte Zähne einer ältern Zahngeneration als
die persistirenden angeboren, kommt — allerdings mit aller Reserve — zu dem Schlusssätze,
dass, da er die rudimentären Zähne als Milchzähne bezeichnet, die persistirenden Schneidezähne
nicht denjenigen der polyprotodonten Beutler, sondern denjenigen der zweiten Dentition der
Placentalier homolog sein müssen.
Gegen diese Auffassung spricht nun folgende Erwägung. Vergleichende Untersuchungen
der Gesammtorganisation, beweisen auf das unzweideutigste, dass Phascolomys eine Thierform ist,
welche sich aus niederen zahnreicheren Beutelthieren jj|jr ich lasse dahin gestellt, ob von den
niedersten Didelphyidae, wi,e Wingk (III) will — durch einseitige Differenzirung entwickelt hat.
In Debereinstimmung hiermit ist auch das Geb is s des Phascolomys zu beurtheilen. Wir kennen
ihehrere Etappen in der Gebissdifferenzirung der Beutelthiere, die wenigstens den Weg andeuten,
auf dem das eigenthümliche Phäsßjiomys-Gebiss entstanden sein kann, und von einigen derselben,
welche in Bezug auf den Differenzirungsgrad des Gebisses eine vermittelnde Stellung
zwischen Phascolomys und den polyprotodonten Beutelthieren einnehmen, nämlich von einem
Phalimjisthlm (Trichosurus) und von Pkascoiarctus, welcher unter allen lebenden Beutelthieren dem
Wombat am nächsten steht, habe ich nachweisen können, dass ihr Gebiss ganz ebenso zu beurtheilen
ist wie dasjenige z. B.Lvon Didelphys. Dieser Auffassung hat übrigens R öse selbst durch
die von ihm dargelegten Thatsachen eine erneute, werthvolle Bekräftigung verliehen:, der von
ihm geführte Nachweis von Anlagen je dreier „Milchschneidezähne“ im Zwischenkiefer, je zweier
im: Unterkiefer, eines Ersatzzahns oben und unten, eines Prämolaren (= P d 2 bei Didelphys),
.söwie enies Vorgängers des persistirenden Prämolaren (P .3), von welchen Zahnanlagen nur je
ein. Schneidezähnwoben und unten zur Funktion gelangt und persistirt, ist ein kaum zu widerlegender
Beleg dafür, dass das eigenartig differenzirte Gebiss dies heutigen PhaSailmys aus einer
Form abzuleiten .istr'welche zu den polyprotodonten Beutelthieren gezählt werden, muss.
Gehen wir von der Ansicht aus, dass die funkttönirenden Zähne der übrigen Beutelthiere
(deh P 3 natürlich immer ausgenbmm<é§ àem Milchgebiss der Plaeentälier entsprechen — und
an dieser Ansicht hält -ja R öse auclrMiseiner neuesten Arbeit (VIII pag, 750) f e s tS , so ist
.Äecnicht die geringste Veranlassung vorhanden, die funktionirenden Schneidezähne Sèi Phascolomys
anders zu beurtheilen, und zwar jetzt um so weniger als R. selbst, wie erwähnt, nachgewiesen
hat, dass ausser diesen persistirenden SchneidezäWn betet jugendlichen Thiere noch Anlagèn
anderer vorhanden sted, .welche derselben Dentition angehören undtjsomit dem PJmscolomys-Gabhs
die Sonderstellung, welche es beim erwachsenen Thiere einnimmt, rauben. In, Uebereinstimmung
hiermit müssen denn auch die rudimentären Zähne, welche einer früheren Dentition als die
funktionirenden angehÖreh, bei P/iaseofoWj/i? ebensowohl als bei MyrmmlWS, -und Macropodidae als
zu einer dem Milchgebiss vorangehenden Dentition aufgefasst werden.
Ergebnisse und Folgerungen.
K ökebthal: . P ) -und R öse (5% haben für Didelphys, 16h (III, IV) j r diese Form sowie
fiir Myrmecobius, Permneles, Trichosurus, Phascolardus und nun auch für Macropus durch Untersuchung
» von Schnittserien jugendlicher Stadien nachzuweisen versucht, dass das persistirende
Gebiss dieser Thiere mit alleiniger Ausnahme des P 3 der ersten Dentition der Placentalier