
so geändert haben, dass sie eine der Aussentemperatur gleiche Temperaturerreichen, so werden sie eben
damit für die aussen herrschende Temperatur, die bisher für sie einen Reiz darstellte, unempfindlich.
Erregt werden sie nur durch einen Unterschied zwischen Eigentemperatur und Aussentemperatur. Wie
sich die Erregung äussert, ob, wie Dessoir annimmt, in Ausdehnung bezw. Zusammenziehung des
Endorganes, oder in anderer Weise, das kommt für uns hier nicht in Betracht.
Ein zweiter verständlicher Fall von spezifischer Disposition ist derjenige des Auges, besonders
mancher Formen desselben, wo der Zusammenhang zwischen Pigmentanhäufung und Lichtabsorption
klar ist. Auch dass die einzelnen Hörzellen auf bestimmte Töne reagieren, ist zu begreifen, denn
wenn sie auch nicht selbst auf dieselben abgestimmt sind, so ist es doch der zu ihnen gehörige nichtnervöse
Teil des Sinnesorganes, die schwingende Basalmembran und vielleicht die Cortischen Bögen.
Am wenigsten zu durchschauen sind die Verhältnisse bei denjenigen Sinnen, die den Ilaupt-
gegenstand vorliegender Abhandlung bilden, beim Geruch und Geschmack. Ich habe oben auseinander
gesetzt, dass ich nicht annehmen kann, es sei erwiesen, dass der menschliche Riechnerv und
ebenso der Geschmacksnerv, bezw. seine Endorgane eine spezifische und a u s sch lie s slich e Disposition
für den chemischen Reiz besitzen, und dass andersartige Reize stets erfolglos blieben. Ebensowenig
erwiesen ist es, dass der Riechnerv mehrere, durch spezifische Disposition von einander verschiedene
Arten von Endapparate besitze; auch für den Geschmackssinn ist dies noch nicht zweifellos.
Doch darf wohl bezüglich dieser beiden Sinne behauptet werden, dass die Möglich k e it der Existenz
von Eigenschaften, welche die einzelnen, zusammen ein Sinnesorgan konstituierenden, Sinneszellen
mit spezifischer Disposition für je eine bestimmte Reizqualität versehen, nicht zu leugnen ist. Versucht
man sich zurecht zu legen, wie eine solche Eigenschaft zustande kommen könnte, so hätte man
wohl daran zu denken, dass die einzelnen Sinneszellen verschiedene chemische Bestandteile enthielten,
welche für jede Zellgattung charakteristisch sind, und durch die einzelnen Riech- oder Schmeckstoffe
in bestimmter Art zersetzt oder verändert werden. Es müsste zum Beispiel eine für süssen Geschmack
empfindliche Zelle eine Substanz enthalten, welche durch alle süssschmeckenden Stoffe in der Weise
zersetzt würde, dass aus ihr ein für den Geschmacksnerven als Reiz wirkender Stoff in Freiheit gesetzt
wird; bittere Stoffe müssten in dieser Zelle entweder gar keine Zersetzung bewirken, öder eine
solche, deren Endprodukte für den Geschmacksnerven keinen Reiz darstellen. Daher dann die spezifische
Disposition des (aus Sinneszellen und Nervenendfasern zusammengesetzten) Sinnesorganes für
den süssen Geschmack, seine Unempfindlichkeit gegen bittere, sauere etc. Stoffe.
Eine derartige Eigenschaft, welche in der chemischen Zusammensetzung der Sinneszellen besteht,
könnte sich natürlich unserer Erkenntnis leicht entziehen, solange diese nur auf mikroskopischer
Betrachtung der histiologischen Verhältnisse basiert. Erst feinste mikrochemische Reaktionen könnten
hier Aufschluss geben. Wegen der ungeheuren Schwierigkeiten, die solche Untersuchungen bieten
würden, fehlt uns ein Thatsachenmaterial, welches einen Einblick in die Vorgänge des Schmeckens
und Riechens geben könnte, noch gänzlich. Wir müssen uns daher mit dem Resultate begnügen,
d a s s wir je d e n f a lls m it der M ö g lich k e it sp e z ifis ch für e in e R e iz a r t d isp o n ie re n der
E ig e n s c h a fte n d e r S in n e so rg a n e zu rechnen h aben, au ch wenn uns das Mik
ro sk o p solche n ic h t zeigt. In Würdigung dieser Thatsache darf aus dem Fehlen erkennbarer,
spezifisch für eine Reizart disponierender Eigenschaften eines Sinnesorganes nicht ohne weiteres geschlossen
werden, dieses Sinnesorgan sei kein spezifisches. Zeigt das Experiment (wie bei dem mehrfach
erwähnten Beispiel der Seitenorgane der Fische und Amphibien) Unempfänglichkeit eines Sinnesorganes
gegen eine oder mehrere Reizarten, die im allgemeinen als Zellenreize gelten dürfen, so ist
die spezifische Disposition dieses Sinnesorganes für eine bestimmte andere Reizart mit grosser Wahrscheinlichkeit
erwiesen.
Dass es aber Gründe für die Annahme gibt, es existieren Sinnesorgane, die, ohne Universalsinnesorgane
zu sein, doch nicht nur für eine einzige Reizqualität oder Modalität spezifisch disponiert
und empfindlich sind, das hoffe ich im folgenden Abschnitt zu zeigen.
D a s W e ch se lsin n e so rg an
oder gemischte Sinnesorgan (Häekel.)
Als W e c h s e ls in n e so rg a n e b e z e ic h n e ich solche A p p a ra te e in e s leb en d en
Wesens, v e rm itte ls t d e ren von dem W e s e n mehrere G a ttu n g en von Re iz en norm
a le rw e is e wahrgenommen w e rd en , oder mit anderen W o rten : A p p a r a te ,. die
m ehreren S innen z u g le ich als Organ dieneD.
Das Universalsinnesorgan stellt eigentlich nur eine Unterabteilung des Wechselsinnesorgans
dar, indem es das Organ sämtlicher Sinne des Tieres ist, w ä h re n d n e b e n einem W e ch se lsin
n e so rg a n e beim g le ich en T ie re noch sp e z ifisch e S in n e so rg a n e oder a u c h noch
w e ite re W e c h s e lsin n e so rg a n e Vorkommen könn en. Der U n te r s c h ie d des Wechsels
in n e so rg a n e s gegenüber den sp e z ifis c h e n S innesorganen i s t der: das e r s te r e
h a t d ie F ä h ig k e it, n o rm a le rw e is e m eh re re d e r Re iz a rten g le ic h z e itig oder
w e ch se lsw e ise zur Wahrn ehmu n g zu b rin g e n , welche a n d e rn fa lls durch mehrere
v e r s c h ie d e n e sp e z ifis c h e S in n e so rg an e p e rc ip ie rt würden.
Seitdem ich vor zwei Jahren behauptet hatte, dass es solche Sinnesorgane gebe, und den
Namen „Wechselsinnesorgane“ für dieselben vorgeschlagen hatte, ist, wie erklärlich, erst an wenigen
Stellen von meiner Anschauung und meinem Vorschläge Notiz genommen worden. In Nro. 7 des
VIII. Jahrganges der „naturwissenschaftlichen Rundschau?** (1893) kritisiert Rawitz meine Abhandlung
über „die niederen Sinne der Insekten.“ Ich citiere aus genanntem Referate den hierher gehörigen
Passus:
„In der Einleitung gibt er eine Definition dessen, was man unter einem Universalsinnesorgane,
einem spezifischen Sinnesorgane und einem Wechselsinnesorgane zu verstehen hat. Diese Einleitung
ist entschieden der schwächste Teil der Abhandlung und namentlich die Aufstellung eines „Wechselsinnesorganes“,
d. h. eines Organes, das nicht auf eine einzige Reizart, sondern auf eine Gruppe von
verschiedenen Reizformen abgestimmt ist, deren Verschiedenheiten genau erkannt werden sollen,
scheint, dem Referenten wenigstens, völlig verfehlt. Was Verfasser Universalsinnesorgan nennt, fällt,
soweit in der Abhandlung das klar hervortritt, unter den bekannten Begriff des Gemeingefühls “
In dem gleichen Jahrgange genannter Zeitschrift, Nro. 35 referiert R. v. H a n s te in über
meine Arbeit „Versuche zur Sinnesphysiologie von JBeroe ovata und Garmarina hastata11 in welcher
ich ebenfalls von Wechselsinnesorganen gesprochen habe.
„ ............Die Beobachtung, dass lauwarmes Wasser den Mundrand zu ähnlichen Bewegungen
reizt, wie chemische Reizstoffe, und auch die übrige Körperwand ähnliches zeigt, veranlasst
den Verfasser zu der Annahme, dass entweder chemische und thermische Sinnesorgane gleichmässig
durch einander verteilt sind, oder aber, dass man es bei den Ctenophoren mit „Wechselsinnesorganon“
Bibliotheca zoologica. Heft 18. I