Glockenhöhle und durch den Druck des vordrängenden Manubriums wird das Velum (ve) stark
gedehnt. Sein Centrum wird zu einer dünnen Lamelle reducirt, welche schliesslich einreisst
(Fig. 12 ve). Das Velum mit den beiden durch eine dünne Stützlamelle getrennten Lagen schnurrt
zusammen (im Querschnitt ist es einem Fragezeichen ähnlich gekrümmt) und die Tentakeln dringen
in den Glockenraum ein (Fig. 5, Knospe 1 ve). Da nun auch an den radialen Tentakelbulben
neben dem Haupttentakel je zwei kleinere Tentakel ihre Entstehung nehmen, so wird der Glockenmund
von einem dichten Knäuel zusammenneigender Fangfäden verstopft.
Erst kurz vor der Loslösung wird die Umbrellargallerte ausgeschieden (Fig. 11 u).
Gleichzeitig lockert sich der Verband zwischen der subumbralen Muskellamelle und der unterliegenden
Entodermlamelle. Die erstere verlöthet längs der vier Radiärgefässe und in vier interradialen
Verwachsungsstreifen fester mit den unterliegenden Schichten, so dass durch sekundäres
Abheben der Muskelschichte jene acht Subumbralsäcke (Fig. 11 sin) ihre Entstehung nehmen,
welche nicht nur für die Margeliden, sondern auch für die Sarsiaden charakteristisch sind. Da
sie vollständig geschlossene Hohlräume darstellen, so lassen sie sich an den ausgebildeten Medusen
deutlich anschaulich machen, wenn man die Exemplare mit Pikrocarmin färbt und in Wasser die
überschüssige Farbe auszieht. Längere Zeit wird dann das Carmin in den wie injicirt erscheinenden
Säcken zurückgehalten. Bekanntlich betrachtete F. E. Schulze diese acht spaltförmigen
Räume als eine Cölomanlage (1873, p. 31) — eine Deutung, welche wohl schwerlich heute noch
dürfte aufrecht erhalten werden können. Den Durchbruch der MundöfFnung und die Umbildung
des Mundrandes, das ruckweise erfolgende Entrollen der Tentakelbüschel und die Lostrennung
der Tochter knospe — das Alles sind Verhältnisse, welche Böhm bereits anschaulich geschildert
hat.
Ich möchte am Schlüsse dieser Darstellung nur noch erwähnen,'dass die Bildung der
Enkelknospen auf weit früheren Stadien anhebt, als die bisherigen Beobachter annahmen, insofern
bereits zu jener Zeit, wo die Anlagen der acht Tentakel sichtbar werden, die erste Enkelknospe
mit geschlossenem Entodermsäckchen nachweisbar ist (Fig. 10, I). Vor der Lostrennung
haben die Tochterknospen nicht nur den ersten Kreis von vier Enkelknospen vollzählig angelegt
(Fig. 11), sondern lassen sich auch die Ektodermverdickungen für den zweiten Knospenkreis
wahrnehmen (Fig. 13, VI).
Die Knospung und das Knospungsgesetz der Lizzia Claparédei Haeck.
Nachdem ich meine Untersuchung über die Knospungsvorgänge der Rathkea octopunctata
bereits abgeschlossen hatte, wurde mir durch Herrn Dr. H a r t l a u b ein reichhaltiges Material
von proliferirenden kleinen Medusen zugesendet, welche als Dysmorphosa minima Haeck. bestimmt
waren. Die Gattung Dysmorphosa wurde 1842 von P h i l ip p i (Archiv f. Naturgeschichte, 1842,
p. 37) für einen der Gattung Podocoryne Sars nahestehenden Hydroidpolyp gegründet. Späterhin
übertrug A. A g a s s iz (1865, p. 163) die Bezeichnung Dysmorphosa auf kleine craspedote Medusen,
welche den von Podocoryne aufgenannten Arten ähnlich sind. H a e c k e l schloss sich (1879, p. 76)
A. A g a s s iz an und gibt im Einklang mit dem letztgenannten Forscher folgende Genusdiagnose
von Dysmorphosa: „Margelide mit einfachen unverästelten Mundgriffeln und acht Tentakeln (vier
perradialen, vier interradialen).“
Thatsächlich trägt denn auch ein Theil der mir übersendeten proliferirenden Medusen
die Charaktere der Gattung Dysmorphosa zur Schau und ähnelt so sehr der von H a e c k e l (1879,
p. 78) beschriebenen Dysmorphosa minima, dass ich um so weniger Anstand nehme, sie mit der
genannten Art zu identificiren, als der Fundort, nämlich Helgoland, der gleiche ist. Sie waren
dort von Dr. H a r tla u b am 11. Juli 1894 und in den letzten Tagen des genannten Monats erbeutet
worden. Unter den 135 vorliegenden Exemplaren fielen mir indessen bald zahlreiche Individuen
auf (es waren meist grössere Formen), welche sich durch Verdoppelung der radialen
Tentakelzahl auszeichneten (vergl. Holzschnitt 2 p. 38). Sie besassen zwölf Tentakel (acht
radiale und vier interradiale) und glichen durchaus einer von Claparfede (1860, p. 401 — 405,
Taf. 32, Fig. 1) an der Westküste von Schottland entdeckten Lizzia, welche späterhin durch
Haeckel (1879, p. 82) als Lizzia Claparedei in das System eingeführt wurde. Dysmorphosa
minima i s t d e r J u g e n d z u s ta n d von L iz z ia Claparedei, wie sich das nicht nur aus dem
Umstande ergibt, dass die Unterschiede in der Gestalt und Grösse durch zahlreiche vermittelnde
Formen ausgeglichen werden, sondern auch aus der Thatsache, d a s s d ie ä l t e r e n T o c h te r -
medusen, welch e an L iz z ia Claparedei k n o sp e n , m it a ch t T en tak e ln a u sg e s ta tte t
s in d u n d d ie C h a r a k t e r e von Dysmorphosa minima tr a g e n . Da nun die festsitzenden
Tochtermedusen bereits mit Enkelknospen am Manubrium ausgestattet sind, so kann es nicht
überraschen, wenn die kleineren, frei gewordenen Exemplare im Gewände der Dysmorphosa minima
sich ungeschlechtlich vermehren. Nach den oben (p. 16) mitgetheilten Erfahrungen über die
Vermehrung der Tentakel bei Bathlcea octopunctata dürfte es nicht ausgeschlossen sein, dass auch
Lizzia Claparedei nur einen vorübergehenden Zustand der Lizzia Uondina Forhes darstellt, welch’
letztere durch vier radiale Tentakelbündel von je drei Tentakeln ausgezeichnet ist. Das mir vorliegende
Material gibt allerdings für eine solche Vermuthung keinen weiteren Anhalt, als dass
die gelbliche Färbung des Magens, der Tentakelbulben und Tentakel an den charakteristischen
Ton der Lizzia blondina erinnert.
Im Uebrigen gibt das mir vorliegende Material einen instruktiven Beleg für die Variabilität
der betreffenden Art ab. Mit bemerkenswerther Constanz treten lediglich die vier unge-
theilten Mundgriffel auf; alle übrigen Merkmale, welche H a e c k e l in die Artdiagnose aufnahm,
zeigen einen auffälligen Fluss in der äusseren Erscheinung.
Die jüngsten, bereits üppig proliferirenden Exemplare besitzen eine Schirmhöhe von 0,5 mm
bei einer Schirmbreite von 0,6 mm. Sie sind noch kleiner als die von H a e c k e l beobachteten
Exemplare der Dysmorphosa minima und. repräsentiren überhaupt die kleinsten craspedoten Medusen.
Ungemein schwankend ist bei ihnen das Verhältniss zwischen Schirmhöhe und Schirmbreite,
insofern beide sich wie 1 : 1 verhalten können, oder aber der Schirm breiter als hoch
und umgekehrt höher als breit erscheint. Nicht minder variabel ist der conische Scheitelaufsatz
des Schirmes gestaltet. Bei den jüngsten Exemplaren fehlt er meist ganz, während er bei den
älteren bald als flache, bald als hochgewölbte Kuppel hervortritt. EberiSo variabel ist die Länge
des breiten Magenstieles; in einigen Fällen ist er ebenso lang wie der Magen, in anderen wiederum
erscheint er kaum angedeutet. Zwischen diesen beiden Extremen vermitteln nun zahlreiche
Zwischenformen. Das Manubrium ragt bei kleineren Exemplaren aus dem Glockenmund
hervor, während es bei grösseren weit von der Umbrella überdacht wird. Dass endlich auch
die Tentakel in ihrer Zahl schwanken, wurde oben betont. Ich bemerke daher nur noch, dass
bei den jüngsten Exemplaren (Dysmorphosa) die vier interradialen Tentakel kürzer sind als die