Die Ansichten P a t t e n ’s, bewundert von manchen, welche, dem modernen Zuge folgend,
in der Erforschung feinster histologischer Details das alleinige Ziel zoologischer Bestrebungen
erblicken, sind freilich wie ein Blendfeuerwerk versprüht. Keiner der neueren Beobachter hat
die Nervennetze der Krystallkegel gesehen und manche — so z. B. W a ta s e (1892) und V ia l-
la n e s (1892) — haben sich noch speciell bemüht, den Nachweis zu führen, dass Krystallkegel
und Rhabdome durchaus differente Bildungen repräsentiren, welche in keinem organischen Zusammenhang
stehen. Wenn wir noch .hinzufügen, dass P a t t e n in einer neueren Mittheilung
(1890 p. 354) sich nicht von dem Zusammenhang der Rhabdome und Krystallkegel bei Insekten
überzeugen konnte, so dürfen wir es wohl mit Genugthuung begriissen, dass die Anschauungen
von G r e n a c h e r und E x n e r allmählich allgemein Eingang finden.
Aus den obigen Mittheilungen geht hervor, dass wir es bei den Schizopoden mit einem
relativ einfachen Aufbau der Eacettenglieder zu thun haben, welcher im Grunde genommen von
dem bei den Dekapoden bekannt gewordenen Verhalten nur wenig abweicht. Da die grossen
Facettenglieder der Frontaugen bei ihrem Pigmentmangel besonders instruktive Untersuchungsobjekte
abgeben, so mögen nochmals die Constituenten einer Einzelfacette im Zusammenhänge
vorgeführt werden. Sie setzen sich zunächst aus zwei Bildungszellen der Cornea zusammen,
welche von den bisherigen Beobachtern übersehen wurden und mit sichelförmigen Kernen ausgestattet,
die vier „Semper’sehen Zellen“ überdachen. Von den letzteren bilden sich zwei zu den
Krystallzellen aus, welche die zweigetheilten Krystallkegel abscheiden, während die beiden übrig
bleibenden als einfache „Füllzellen“ von den bisher erwähnten umschlossen werden. Auf die
Krystallzellen mit den Kegeln folgen dann noch die sieben Retinulazellen, welche die viertheiligen
Rhabdome mit den Axenfaden ausscheiden. Im Ganzen erhalten wir also 13 Zellen als Constituenten
eines Facettengliedes. Zu ihnen gesellen sich dann noch als interfacettäre Elemente
die Irispigmentzellen. "Will man sie bei Berechnung der in den Aufbau des Facettengliedes eintretenden
Elemente in Anschlag bringen, so haben wir zu bedenken, dass jede der sechs ein Facettenglied
umsäumenden Pigmentzellen drei benachbarten Gliedern angehört. Auf die Einzelfacette
entfallen demgemäss noch zwei Irispigmentzellen und damit würde die Gesammtzahl der
in den Aufbau des Facettengliedes eingehenden Zellen fünfzehn betragen. Ich möchte vermuthen,
dass es sich in den oben angegebenen Zahlen um Grundzahlen handelt, die bei allen stieläugigen
Krebsen wiederkehren. Denn die Retinapigmentzellen, welche allen oben erwähnten Schizopoden
fehlen (die Pigmentirung knüpft ja-bei ihnen, falls sie überhaupt auftritt, an die Retinazellen
an), repräsentiren entschieden Bildungen sui generis, welche erst sekundär mit den Facettengliedern
Beziehungen eingehen und unter Umständen völlig aus deren Verband durch Einwandern in das
Augenganglion austreten. Auch scheinen die entwicklungsgeschichtlicb.en Befunde darauf hinzudeuten,
dass die Retinapigmentzellen nicht den ektodermalen Wucherungen angehören, aus denen
die Facettenglieder entstehen, sondern dass sie Mesodermzellen repräsentiren, welche secundär
zwischen die Retinulazellen sich eindrängen.
Bei sämmtlichen von mir untersuchten Schizopoden wird die Zahl der Facettenglieder
das ganze Leben hindurch vermehrt und der Umfang des Auges vergrössert. Es geschieht dies
dadurch, dass am Rande der Front- und Seitenaugen K n o sp u n g s z o n e n als ektodermale Wucherungen
auftreten, wie sie C lau s (1886 p. 41, Taf. VII Fig. 2 und 3) von jungen Exemplaren
des Branchipus zuerst beschrieb. Bei Euphausia finde ich diese Knospungszone am medialen
(inneren) Rande der facettirten Augenpartie in nur geringer Ausdehnung entwickelt (Taf. XVII
Fig. 2 x). Kommt es zur Theilung des Auges in Front- und Seitenaugen, so treten zwei Knospungszonen
auf. Diejenige des Frontauges ist der Knospungszone von Euphausia homolog und
liegt gleichfalls (wie Horizontalschnitte lehren) am medialen Rande der facettirten Partie. Ich
finde sie besonders breit bei den Nematoscelis-Arten entwickelt, wo sie sich dicht an die durch
lang oval ausgezogene Kerne charakterisirte Knospungszone für das Augenganglion anschm iegt.
Auch am Frontauge aller Vertreter der Gattung Stylocheiron lässt sich an der medialen Fläche
leicht die Knospungszone nachweisen (Taf. XIX Fig. 1 x). Um durch einige specielle Angaben
die während der Geschlechtsreife ständig sich vollziehende Verbreiterung des Frontauges zu illu-
striren, so hebe ich hervor, dass jüngere geschlechtlich thätige Exemplare auf einem in der
Längsrichtung resp. in der Horizontale geführten Hauptschnitte nur drei fertige Facettenglieder
aufweisen (Taf. IX Fig. 1). Das kegelförmig sich zuspitzende Frontauge der jüngeren Exemplare
wird nun dadurch in ein cylindrisches übergeführt, dass aus der Knospungszone sich ständig neue
Facettenglieder zugesellen; so trifft man auf den angegebenen Hauptschnitten späterhin sieben
(Taf. XIX Fig. 1) bis neun (ibid. Fig. 2) funktionirende Facettenglieder an. Mehr als neun ausgebildete
Facettenglieder habe ich auf Hauptschnitten durch die Frontaugen älterer Exemplare
von Stylocheiron mastigophorum nicht nachweisen können. Weit ausgiebiger erweist sich die Verbreiterung
des Frontauges unter Mitwirkung der Knospungszone bei den Arten der Gattung
Nematoscelis; das schöne Frontauge von N. mdntis weist auf einem Hauptschnitte nicht weniger
denn 18—20 Facettenglieder auf (Taf. XVIII).
Auch das Seitenauge nimmt an Umfang vermittelst einer Knospungszone (x l) ständig
zu. Sie liegt niemals an jenem Rande, welcher an das Frontauge anstösst, sondern an dem der
Innenfläche des Augenganglions und dem Leuchtorgane zugekehrten. In direkter Umgebung des
Leuchtorganes ist allerdings die Knospungszone nur unansehnlich entwickelt, während sie an
allen dem Augenganglion zugewendeten Partien breit auftritt.
In den Knospungszonen sondern sich die mehrschichtigen ektodermalen Zellwucherungen
in senkrecht stehende Pfeiler, deren jeder ein Facettenglied bildet. Die Zellen mit ihren Kernen
liegen annähernd in gleicher Höhe und liefern in jedem Pfeiler die bekannten Constituenten
eines Facettengliedes. Das Irispigment wird erst spät, nämlich dann, wenn der den func-
tionirenden Facettengliedern anliegende Pfeiler einen bereits weit entwickelten Krystallkegel
ausgebildet hat, ausgeschieden. Die Krystallkegel erscheinen in ihrer ersten Anlage, wie dies
G r e n a c h e r bereits erkannte (1879 p. 118), als kuglige aus zwei getrennten Hälften bestehende
lichtbrechende Tröpfchen, welche bald die Kegelform annehmen und einen oft fadenförmig ausgezogenen
Proximaltheil erkennen lassen.
Im Grunde genommen handelt es sich bei der Vergrösserung des Facettenauges durch
Knospungszonen um denselben Vorgang, wie bei der Embryonalentwicklung. Nach Nusbaum
(1887), H e r r ic k (1893 p. 450) und P a r k e r (1890 p. 34) besteht die erste Anlage des
Facettenauges aus einer soliden mehrschichtigen Ektodermscheibe, in welcher sekundär die
Zellen sich zu radiär ausstrahlenden Pfeilern (den Anlagen der Facettenglieder) anordnen. Die
Knospungszonen repräsentiren einen Theil dieses embryonalen Gewebes, welches ständigen Zuwachs
durch jugendliche, indifferente Ektodermzellen erhält und ebenso wie bei dem Embryo einen
sekundären Zerfall in Facettenglieder einleitet. Niemals nimmt man wahr, dass das einzelne