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Ich habe den schon früher mehrfach gemachten Versuch wiederholt, die Funktion der Seitenorgane
aus dem Erfolge der Durchschneidung des Seitennerven zu vermitteln, allein mit geringem Glück.
Verschiedenen Schuppfischen und Barben habe ich den Seitennerven teils durchschnitten, teils ein
Stück excidiert (dicht hinter dem Kopfe), teils den ganzen Nerven extrahiert, was leicht zu machen
ist. Bei einseitiger Zerstörung der Nerven fand ich zuweilen leichte Störungen der Orientierung im
Raume und der Ooordination der Bewegungen (Schuppfisch). Nach beiderseitiger Nervendurchschneidung
bei Barbus fluviatilis benahm sich dieses Tier ganz wie ein unverletztes. Die einzige sichtbare
Wirkung der Operation war eine blasse Verfärbung der Haut von 1 cm hinter der Schnittstelle
bis zum Schwänze. Diese hielt einen Tag lang an. Schwimmen konnte das Tier wie ein normales.
Am fünfzigsten Tage nach der Operation war das Tier noch ebenso gesund und munter, frass auch
öfters. Die Sektion ergab an diesem Tage völlige Degeneration des peripheren Nervenstückes, das
zentrale Ende war normal bis anf das äusserste Stück.
Amphioxus lanceolatus.
Den Lanzettfisch erhielt ich in Neapel in grösser Zahl, jedoch boten, wie yorausznsehen, die
Versuche an diesem berühmten Tiere wenig bemerkenswertes. Am p h io x u s v e rh ä lt sich gegen
R e iz e , sp e z ie ll solche chemischer Art, v ie l eh e r wie ein "Wurm als wie ein Fisch.
Am ganzen Körper besteht Empfindlichkeit für chemische Reize ziemlich in gleichem Masse.
Die Reaktion ist stets dieselbe, das Tier schlängelt sich lebhaft fort, wenn es frei lag , es zieht sich
m den Sand zurück, wenn es aus diesem nur Kopf oder Schwanz hervorstreokte. Selbst die Schwanzspitze
ist noch für chemische Reize schwächsten Grades, wie Vanillin, empfindlich. Dass die als
Riechwerkzeug bezeichnete Wimpergrube am Kopfe zum mindesten nicht das alleinige Organ des
chemischen Sinnes ist, ergiebt sich schon daraus, dass der Kopf nicht empfindlicher ist als der Schwanz
und übrige Körper. Noch entscheidender aber ist die Thatsache, dass die Reaktion unverändert bleibt,
wenn man die Vorderspitze des Körpers in der Länge von etwa 3 mm abschneidet,.
Uber einige weitere theoretisch interessante Versuche mit Amphioxus habe ich oben be-,
richtet (pg. 58 f).
Amphioxus zeigt deutliche photoptische Wahrnehmungen, d. h. Lichtempfindlichkeit ohne Beteiligung von
Augen. Lässt man eine Schale mit Amphioxus, welche keinen Sand zum Verkriechen enthält, von einem undurchsichtigen
Deckel bedeckt einige Minuten stehen und nimmt nun an heller Stelle den Deckel ab, so zucken alle Tiere, viele suchen
mit den bekannten schlängelnden Bewegungen zu entfliehen. Es braucht nicht einmal direktes Sonnenlicht zu sein, welches
die Tiere trifft, es genügt vielmehr auch zerstreutes Tageslicht, um Reaktion zu erzeugen.
Davon, dass nicht Erschütterung oder Luftzug die Tiere erregt, überzeugt man sich, wenn man den Versuch
an wenig heller Stelle ausfährt, oder einen Glasdeckel statt des undurchsichtigen verwendet.
T i e r e , d e n e n d a s v o r d e r e K ö r p e r e n d e , e t w a 3 mm lang, a b ge s c h n i t t e n i s t , reagi er en
g a n z e b e n s o s i c h e r und s t ark. D i e Li ch t em p f i n d l i c h k e i t i s t a l so n ic ht an d i e a l s Auge bes
c h r i e b e n e p i g m e n t i e r t e Kö r p e r s t e l l e geknüpf t , s o n d e r n i s t e n t w e d e r e i n e E i g e n s c h a f t
der W e c h s e l s i n n e s o r g a n e d e r H a u t , o d e r s i e b e r u h t a u f d i r e k t e r E r r e g u n g des R ü c k e n m
a r k s d u r c h d a s L i c h t .
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N a c h t r a g ' .
Eine weitere exakte Bestätigung meiner Ansicht, dass die Diffusion von Gasen im Wasser
eine äusserst langsame ist, und dass das Eindringen eines Gases ins Wasser nur auf dem Wege der
Absorption erfolgt, sehe ich in einer neuen Mitteilung von H o p p e -S e y le r ,1) aus welcher u. A.
hervorgeht, dass, wenn luftfrei gemachtes Wasser mit Luft in Berührung gebracht wurde, „nach
14tägigem Kontakte die noch nicht 1 Meter hohe Wassermasse in ihren unteren Schichten kaum
zur Hälfte mit absorbiertem Sauerstoff und Stickstoff gesättigt war, dass ausserdem diese sehr geringe
Geschwindigkeit des Eindringens der Gasmoleküle in das Wasser mit dem Vorschreiten der Sättigung
der Lösung noch mehr und mehr abnahm.“
Hieraus scheint mir mit Sicherheit hervorzugehen, dass es keine Diffusion von Gasen im
Wasser giebt, welche von der Absorption unabhängig wäre, denn wenn die Gase auf irgend welche
Weise in die Tiefe des Wassers rasch eindringen könnten, würde das Wasser in der Tiefe nicht so
lange frei von absorbierten Gasen bleiben, wie es nach H o p p e -S ey le r’s Versuchen thatsächlich
der Fall ist.
Noch in anderer Weise habe ich eine Bestätigung meiner Ansicht erhalten, dass die Fische
nicht riechen, oder auch nur auf weitere Entfernungen hin zu schmecken vermögen. Der Vorstand
des hiesigen Fischerei-Vereins, welcher selbst ein eifriger Fischer ist, sagte mir, er habe niemals bei
Fischen Äusserungen des Schmeckens in die Ferne bemerkt, obgleich er ausdrücklich auf diesen Punkt
geachtet habe. Auch sei er der Ansicht, dass nur Fischer, die nichts von ihrem Handwerk verstehen,
auf stark riechende Köder beim Fischfänge Wert legen könnten. Die meisten derartigen Angaben
beruhen auf Aberglauben, und alle die sog. Fischwitterungen, welche „unfehlbar Fische auf grösste
Entfernungen anlocken“, seien Schwindel. Versuche, welche direkt darauf hinzielten, festzustellen,
ob Aalreusen mehr besucht würden und besser funktionierten, wenn sie Leber oder dergl. als Köder
enthielten, ergaben ein negatives Resultat.
Der feine Geruchssinn der Fische existiert eben nur in der Einbildung,, er ist eine Sage, wie
es eine Sage ist, dass man Aale aufs Land locken könne, wenn man Erbsen neben das Wasser
pflanzt. Diese sollten die Aale riechen und dadurch aus dem Wasser gelockt werden.
*) Weitere Versuche über die Diffusion von Gasen im Wasser. Zeitschr. f. physiol. Chemie, XIX, Bd. 1894.