Bei dem jüngsten der untersuchten Stadien (C ro sso p u s Stad. A.) stehen die Anlagen
der vordersten Schneidezähne in beiden Kiefern auf dem Anfänge des glockenförmigen Stadiums,
während die übrigen Anlagen weniger .weit entwickelt sind. A l l e l mit Ausnahme einiger der
hinteren Schmelzkeime — liegen unmittelbar unter dem Mundhöhlenepithel, so dass man keinen
Theil der Anlage als besondere Schmelzleiste unterscheiden kann. Auch zw is c h e n den Zahn-
anlagen ist keine Schmelzleiste nachweisbar.
Im Unterkiefer des nächsten Stadiums (So rex Stad. A.) hat J 2 Hartgebilde erhalten;1
M 1 und 2 haben das glocken-, C und P 4 das kappenförmige Schmelzkeimstadium erreicht;:
M 3 ist als Knospe angelegt. Die Schmelzleiste fängt bei den glockenförmigen' Schmelzkeimen
an sich abzuschnüren und hat ein freies tiefes Ende. Entsprechende Befunde Reisen die Zahn-;
anlagen im Oberkiefer auf.
Die nächstälteren Stadien (Sorex Stad. B. und C.) sind relativ wenig weiter entwickelt.'
B e sonders- b em e rk e n sw e r th i s t d e r U m s ta n d , d a s s n e b e n den am w te ite s fe n
e n tw ic k e lte n Z ä h n e n , nämlich den vordersten Schneidezähnen in beiden Kiefern, welche
Zähne schon stark verkalkt sind, k e in e S c hm e lz le is te m eh r v o rh a n d e n is t. Dagegen,
ist dieselbe, wie zu erwarten, bei den auf dem glockenförmigen Stadium stehenden Zähnen.: , demi
unteren P 4, oberen J 2 etc. noch nachweisbar.
Bei dem jungen C r o .s s o p u s (Stad. B.) sind die Zähne gut - verkalkt, am meisten,
j 2, am wenigsten M y, aber es hat noch kein Zahn das Zahnfleisch durchbrochen. Von einher
S c hm e lz le is te e x i s t i r t k e in e S p u r mehr.
Bei allen Soricidae zeichnen sich die Zellen des innera Schmelzepithels durch ihre ausserordentliche
Länge aus, einUmstand, welcher offenbar durch die starke Sehmelzbildung bei diesen
Thieren bedingt wird.
Die o b ig en U n te r s u c h u n g e n bewe isen , dass, wie ich schon früher (HI pag. 520)
mitgetheilt, b e i S o re x u n d C ro s so p u s — u n d s ic h e r lic h a u c h bei den ü b r ig e n
S o r ic id e n — n u r eine D e n t i t io n v o rk om m t, e in R e s u l t a t , d a s a lso m it den A n g
a b en a l l e r f r ü h em F o r s c h e r , w e lc h e s ic h m it diesem G e g e n s ta n d b e s c h ä f tig t
h a b e n , in W id e r s p r u c h s t e h t (siehe oben). Obgleich nun die Angaben von dem Vorkommen
eines Zahnwechsels theilweise in sehr bestimmter Form'vorliegen und diejenigen T auber’s
sogar durch Abbildungen belegt sind, stehe ich nicht an zu behaupten, dass die Angaben durch
unrichtige Deutung der an Lnpenpräparaten gemachten Beobachtungen entstanden sind: die eben
verkalkten Spitzen der Ersatzzähne sind als Milchzähne gedeutet "worden, und diese Auffassung’
ist nicht durch die Verfolgung der ferneren Entwicklung corrigirt worden. Ausserdem hat wohl
auch die aprioristische Ueberzeugung von dem Vorhandensein eines Zahnwechsels zu diesem
Resultate ihr Theil beigetragen.
Da nun das von mir untersuchte Material für die Entscheidung der vorliegenden Frage
als in jeder Beziehung ausreichend betrachtet werden muss, indem es alle entscheidenden Entwicklungsstadien
umfasst, von-einem Stadium, wo die Mehrzahl der Zähne, noch durch kappenförmige
Schmelzkeime repräsentirt ist, bis zu einem mit den fast ausgebildeten, aber noch nicht
durchgebrochenen Zähnen; da ferner durch die angewandte Untersuchungsmethode ein Uebersehen
von Zahnanlagen oder gar Zähnen ausgeschlossen ist, so dürfte das von mir erlangte negative
- i m
Resultat die ältern Angaben, welche auf unzureichendem Material und unvollkommenen Untersuchungsmethoden
basirt sind, widerlegen. Wie ans der oben gegebenen Beschreibung erhellt,
tritt nur e in e Zahnreihe auf, n äm lic h d ie p e r s i s t i r e n d e n Z ä h n e , d e r e n a llm ä h -
l ig e E n tw i c k lu n g ic h b is zu f a s t v o l l s t ä n d i g e r R e if e v e r f o lg e n k o n n te .
Ausser diesen ist kein Gebilde vorhanden, welches als Zahnkeim gedeutet werden kann indem
die Schmelzleiste unmittelbar nach Abschnürung der Schmelzkeime der persistirenden Zähne völlig
verschwindet. Es fehlt jede Spur von Vorgängern der letztem ebenso wie jede Aussicht auf das
Zustandekommen von Nachfolgern derselben.
Wenn wir somit eonstatiren können, dass bei den Soricidae nur e in e Dentition vorkommt,
so ist damit allerdings nickt die Frage entschieden, welcher Dentition bei den ändern
Säugethieren dieselbe entspricht. Dass das Auftreten eines freien Schmelzleistenendes lingualwärts
von einer Zahnanlage, wie ich es auch hier gefunden, an und für sich nicht massgebend dafür
sein kann, dass besagte Anlage der ersten Dentition angehört, habe ich schon früher (HI pag. 529
und IV pag. 137) nachgewiesen. Dagegen scheinen mir vergleichend-anatomische Gründe, welche
theilweise schon oben (pag. 39—41) erwähnt und auch im Folgenden zu berücksichtigen sein
werden, dafür zu sprechen, dass durch die starke Differenzirung des Gebisses und bei der eigenartigen
Befestigung der Zähne die erste Dentition bei den Soricidae verdrängt, resp. im Keime
erstickt worden ist. Wir dürfen somit wohl annehmen, dass das persistirende Gebiss dieser
Thiere mit der zweiten Dentition der übrigen Säugethiere zu identificiren ist.
Bibliotheca zoologico. Heft 17.