Dagegen ist die Frage, wie diejenigen Ante-Molaren m beurtheilen sind, an deren Stelle Jeeine
Ersaizmhne auftreten, also nach der im Vorhergehenden angewandten Bezeichnung die Zähne:
13, P 2
I 3, C P 3,
nicht so leicht zu beantworten. Berücksichtigen wir zunächst die o n to g e n e tis c h e n , oben mit-
getheilten Thatsachen, so sprechen diese entschieden für die Deutung, welche ich bereits in meiner
ersten vorläufigen Mittheilung (III pag. 518) vertreten habe, da ss d ie l e t z tg e n a n n t e n
A n te -M o la r e n zu d e r s e lb e n D e n t i t io n s r e ih e wie d ie oben e rw ä h n te n MilcL-
z ä h n e g e h ö r e n , som it p e r s i s t i r e n d e M ilc h z ä h n e s in d oder, falls wir die Ausdrücke
Milch- und Ersatzzähne gegen die exakteren e r s t e und zw e ite D e n titio n vertauschen, da ss
d ie s e lb e n d e r e r s te n D e n t i t io n a n g e h ö re n .
Die zu Gunsten einer solchen Auffassung anzuführenden Momente sind:
1) Die Anlagen besagter Ante-Molaren differenziren sich von der Schmelzleiste gleichzeitig
oder nahezu gleichzeitig mit solchen Zähnen, deren Eigenschaft als zur ersten Dentition
gehörend durch das Vorkommen von Nachfolgern sicher gestellt ist. Die geringen Verschiedenheiten,
welche wir in dieser Beziehung zwischen den beiden Zahngruppen angetroffen haben, erklären
sich völlig befriedigend durch die zu erreichende verschiedene Grösse (siehe oben pag. 34);
wo die fraglichen Zähne den ändern nicht an Grösse nachstehen, fällt auch ihre Anlage (und
Ausbildung) in dieselbe Periode.
2) Die Art und Weise der Differenzirung und des Verhaltens zur Schmelzleiste ist völlig
dieselbe bei den persistirenden und verschwindenden (Milch-) Ante-Molaren. Ich verweise besonders
auf solche Bilder, wie eines in Fig. 16 dargestellt ist. In Bezug auf das Niveau, auf
welcher der Schmelzkeim an der Schmelzleiste entsteht, ist zu bemerken, dass alle nicht
wechselnden Ante-Molaren und im Oberkiefer ausserdem Id 2 o b e r f lä c h lic h e r a ls d ie
ä n d e r n d. h. u n m i t t e lb a r u n t e r dem M u n d h ö h le n e p ith e l a n g e le g t w e rd e n . Es
dürfte also diese Differenz in erster Linie mit der geringem Grösse der betreffenden Zähne in
Beziehung zu bringen sein, wenn auch das Fehlen eines Zahnwechsels ebenfalls von Einfluss
sein kann; vergleiche unten bei Didelphys. Dagegen sind wir nicht berechtigt zu Gunsten der
Milchzahnnatur besagter Zähne den Umstand anzuführen, dass lingualwärts von ihnen ein freies
Schmelzleistenende vorkommt, oder dass aus diesem sogar eine Schmelzkeim-ähnliche Anschwellung
hervorgehen kann. Es kommt nämlich (vergleiche unten) diese Erscheinung auch bei ächten
Ersatzzähnen vor.
3) Auch der allerdings minder bedeutsame Umstand ist zu erwähnen, dass die fraglichen
Zähne zusammen mit den Milchzähnen funktioniren.
Falls wir diese Ansicht acceptiren, wäre also, da besagte Ante-Molaren während des
ganzen Lebens des Thieres functioniren, d a s d e f in i tiv e , p e r s i s t ir e n d e G e b is s beim
I g e l a u s F a k t o r e n s ow o h l d e r e r s t e n a l s d e r z w e i t e n D e n t i t i o n z u s
am m e n g e s e tz t.
G e g e n obengenannte Auffassung und f ü r die Ansicht, da ss b e s a g te Z ä h n e den
E r s a tz z ä h n e n e n ts p re c h e n , also d e r zw e ite n D e n t i t io n a n g e h ö r e n , lassen sich
folgende Gründe anführen.
Von o n to g e n e tis c h em Gesichtspunkte ist das Verhalten des obern C zu berücksichtigen.
Derselbe gehört, wie wir gesehen haben, seiner ganzen Entwicklung nach der zweiten
Dentition an; aber durch beschleunigtes Wachsthum, welches mit dem Rudimentärwerden und
dem zeitigen Ausfall des C d in Beziehung steht, wird er wenig später als die Zähne der ersten
Dentition fertig und functionirt zusammen mit diesen. Nehmen wir nun an, dass die Entwicklung
auch künftig in der eingeschlagenen Richtung weiter geht, so wird C d allmählig völlig verschwinden
und im Zusammenhänge hiermit wird sich C noch früher anlegen und entwickeln und
ganz in die Reihe der Ante-Molaren erster Funktionsserie übertreten. Diese Erwägung legt
die Ansicht nahe, dass auch die ändern nicht wechselnden Ante-Molaren u r s p r ü n g l i c h der
zweiten Dentition angehörten und dass sie Vorgänger gehabt haben, welche sie im Laufe der
Ontogenese verloren und durch deren Verlust ihre Anlage und Ausbildung beschleunigt wurde.
Diese Auffassung wird auch durch das Verkommen einer rudimentären Zahnanlage labialwärts
vom obern 1 3 unterstützt, welche Anlage beim neugeborenen Thiere das knospenförmige Schmelzkeimstadium
erreicht, um dann beim 83 Mm langen Jungen zu einem „Epithelialnest« zu degeneriren
(vergleiche oben pag. 28—32, Fig. 37—40, 43, 52). Die Anlage ist in diesem Zusammenhänge
als ein Rest des I d 3 aufzufassen. I 3 aber entwickelt sich, wie wir gesehen haben, ganz so
wie die übrigen Ante-Molaren ohne Vorgänger und illustrirt in belehrender Weise, wie C bei
weiter vorgeschrittener Reduktion des C d sich in der Ontogenese verhalten würde: es bedarf
für C nur des Wegfalls des Vorgängers um sein Entwicklungstempo zu beschleunigen und in
eine jüngere Dentitionsreihe überzutreten. Wir haben also bei Erinaceus zwischen Zähnen mit
funktionirenden Vorgängern und Zähnen ohne nachweisbare Vorgänger eine vollständige
Stufenleiter.
Auch bei anderen Thieren (vergleiche unten bei Phoca) habe ich analoge ontogenetische
Befunde, welche die letztgenannte Alternative stützen, vorgefunden.
Schwerer aber als diese ontogenetischen Befunde wiegen die aus der v e rg le ic h e n d e n
Ana tom ie geholten Erwägungen, Ich greife deshalb dsh in dein zweiten Theil dieser Arbeit
behandelnden Thatsachen vor, um in gedrängter Kürze Einige die Beantwortung der vorliegenden
Frage fördernde Momente anzuführen.
Innerhalb der Insektivorenordnung giebt es eine Verbreitete Differenzirungsrichtung der
Ante-Molarenreihe, welche dahin geht, dass die vordersten Schneidezähne eine höhere Differen-
zirung erlangen, während gleichzeitig die mittlern Ante-Molaren in demselben Maasse physiologisch
entlastet und morphologisch reduzirt werden. Bei diesem Vorgänge verhalten sich besonders
zwei Zähne charakteristisch, nämlich der untere :J 1 und 0.. Ersterer ist in demselben Maasse
reduzirt wie 12 sich ausbildet und er verschwindet isghliesslich ganz, so dass es im Unterkiefer
I 2 ist, welcher die dem obern I 1 entsprechende Entfaltung erlangt. C weist bei diesem Vorgänge
alle Gradationen von der typischen Ausbildung bis zur völligen Uebereinstimmung mit den umstehenden
Schneidezähnen, resp. Prämolaren auf. In der sehr natürlichen Familie der Talpidae
kommt dieser Differenzirungsprozess in versdhiedenem Maasse und auch in1 etwas verschiedener
Art zum Ausdrucke: von Talpa mit typisch entwickelter Eckzahnkrone ausgehend kommen wir
zunächst ich mache keinen Anspruch darauf hier die Uontohren des historischen Vorganges
zu entwerfen —, zu solchen Formen wie Scaptonyx, wo die Eckzähne nicht mehr als solche
differenzirt sind.; in weiterem Verlaufe bildet sich der untere I 2 ans und 1 1 ebenso wie die
vordem Prämolaren werden entweder nur schwächer (Scqpamis, Myogak) oder ausserdem noch