
mit diesem Knospungsgesetz auch die Abbildungen in Einklang stehen, welche ältere Beobachter
von knospenden Sarsiaden — mit Ausnahme der Sarsia siphonophora — entwarfen.
Meine Beobachtungen stellte ich vor 8 Jahren, nämlich im Frühjahr 1886, gelegentlich
eines Aufenthaltes auf der Insel Sardinien an knospenden Sarsiaden an, welche ich im pelagischen
Auftriebe des malerisch gelegenen Naturhafens Porto Conte fischte. Am 23. März 1886
bemerkte ich in dem Oberflächenauftrieb zahlreiche Exemplare einer kleinen Meduse, welche
offenbar identisch waren mit der v o nH a e c k e l (1864, p. 337; 1879, p. 25, Taf. II, Fig. 1 — 7)
beschriebenen Dipurena dolichoyaster. Es ist das dieselbe Meduse, welche E. und L. M e ts c h n i-
k o f f (1871, p. 343, Taf. III, Fig. 1—5) im proliferirenden Zustande auffanden und als Dipurena
feriilis bezeichneten. Nachdem H a e c k e l diese Art im „System der Medusen“ abgebildet hatte,
zweifelt M e ts c h n ik o f f nicht mehr daran, dass D. feriilis identisch mit D. dolichoyaster ist
(1886, b, p. 259). Wenn M e ts c h n ik o f f weiterhin annimmt, dass Slabberia catenata JForbes gleichfalls
auf Dipurena dolichoyaster zu beziehen ist, so bedaure ich lebhaft, dass ich zur Klärung der
Synonymie wenig beitragen kann..- Abgesehen davon, dass eine Slabberia catenata von F o rb e s
überhaupt nicht beschrieben wurde, sondern dass er nur von einer Slabberia halterata spricht
(1848, p. 53), hatten die meisten Exemplare durch den langen Transport über Land nach dem
eine Stunde vom Porto Conte entfernten Alghero so gelitten, dass mir nur die flüchtigen Skizzen
zur Verfügung stehen, welche ich von einer intakten Glocke machte. Die übrigen Medusen lagen
mit stark contrahirter Umbrella auf dem Boden des Gefässes, zeigten aber durchaus unversehrt
die erstaunlich langen Manubrien mit ihren Knospengruppen. Da die letzteren keine Spur von
Verletzung erkennen Hessen, so zeichnete ich mit dem Prisma unter schwächerer Vergrösserung
zwei Manubrien mit den in langgezogener Spirale ansitzenden Knospengruppen und ergänzte die
Beobachtungen durch eine Reihe von Prismazeichnungen der einzelnen Gruppen bei stärkerer
Vergrösserung. Auf meine Bitte hin übersendete mir später Prof. C a r l V o g t die Skizze,
welche er bei unserem gemeinsamen Ausflug nach Sardinien gleichfalls von einem Manubrium der
Dipurena an gefertigt hatte. Sie war mir deshalb von besonderem Werthe, weil sie mit dem
Zeichnenprisma entworfen war und ebenso wie meine Skizzen genau die Grössenverhältnisse der
aufeinanderfolgenden Gruppen wiedergab. Ich erwähne dieses Umstandes deshalb, weil mir zu
jener Zeit, wo ich die Beobachtungen anstellte, die Gesetzmässigkeit in der Reihenfolge der
Knospengruppen noch nicht klar war. Erst später gelang es mir, aus den durchaus unbefangen
den einfachen Thatbestand wiedergebenden Zeichnungen das Knospungsgesetz herauszulesen und
dasselbe an Präparaten einer anderen Sarsie, nämHch der Sarsia yemmifera Forbes, bestätigt zu
finden. Ich verdanke diese Präparate Dr. V a n h ö ffe n , welcher gemeinsam mit Dr. A p s te in
im August 1891 die Sarsia yemmifera im proliferirenden Zustand in der Kieler Bucht auffand.
Einige die Sendung begleitende Mikrophotographieen von lebenden jugendlichen Exemplaren der
Sarsia tubulosa setzten mich in den Stand, die Form der Medusenglocke auf den Figuren 5 und 6
besser wiederzugeben, als es nach den mikroskopischen Präparaten mögHch gewesen wäre.
Ungeachtet des eifrigsten Nachsuchens ist es mir nicht möglich gewesen, knospende Sarsien
an den Canarischen Inseln aufzufinden. Wenn ich mich trotzdem entschliesse, meine vor langer
Zeit angestellten Beobachtungen zu veröffentlichen, so bin ich mich der Lückenhaftigkeit derselben
wohl bewusst und glaube mit Rücksicht hierauf mich lediglich auf Darlegung des Knospungsgesetzes
beschränken zu sollen.
Die Manubrien maassen im contrahirten Zustande 5—6 Millimeter; da sie bei dem
Schwimmen der Medusen sich bedeutend strecken, i*$ ühertreffen sie die Glocke an Länge fast
um das Sechsfache. Das .obere proximale) und das untere (distale) Ende mit der rüsselförmig
erweiterten Mundöffnung waren frei von Knospen. Jene brillante Färbung, welche nach Haeckel
dem Manubrium und dem Magen geschlechtsreifer Exemplare zukommt, fehlt den knospenden
Stadien; die Glocke sowohl wie das Manubrium mit seinen in langgezogener Spirale ansitzenden
Knospen waren von vollendeter Durchsichtigkeit. Nur an den Ocellarbulben der Mutterglocke
und älterer Taehterknospen less»|ffch e;n smaragdgrüner Schiller wahrnehmen, welcher auch in
dem starren Proximaltheil der Tentakel auftritt. Er wird durch Haufen feiner Nörneben
(Guanin?) bedingt, welche zwischen den Entodermzellen gelegen sind und bei dem Abhlenden des
Lichtes weisslich hervortreten.
Um nun das Knospungsgesetz klar zu legen, | | dürfte es sich empfehlen, zunächst die
Anlage der Enkelknospen an einer ausgebildeten und demnächst sich loslösenden Tochtermeduse
zu verfolgen. Wie ein Blick auf Taf. I, Eig. 4 lehrt, so ist das mit einer grösseren Anzahl von
Enkclknospcn (in unserem Falle mit fünf: a, §, T, 8, «) bedeckte Manubrium der reifen Tochter-
“ e d j || mindestens doppelt & lang als die. Glocke. .,®äe K i t t s p i J nehmen in d i s t a l e r
R ic h tJ ln g S g js tin u ir lic h an G rö ss e a b: die oberste (proximale) Knospe ;(a) ist die älteste,
• unterste, (distale) ist die jüngst§3fi)s Die Neubildung der Knospen erfolgt also stets am
oralen Ende des Manubriums; niemals schalten sich seeundär jüngere Kippen in die Internodien
zwischen den älteren ein. Die Knospen entwickeln sich vermittelst eines ektodermalen Glockenkernes
in; däf; für die Medusen charakteristischen und bekannten Weise; die Grösse der einzelnen
Knospe ist zugleich der Gradmesser für ihre Entwicklungstufe. Das Gesetz der continuirlichen
Grössenabnahme in distaler RiSjjung gilt ohne Ausnahme für die Enkelknospen der Dipurena
tlolkhogask-r und der Sarsia gemmifera. Bei letzterer waren an dem Manubrium der ältesten Tochtermeduse
(A, Fig. | | drei Enkelknospen angelegt. Es ist auch ohne Weiteres verständlich, dass
die . Zahl der Enkelknospen an den jüngeren Tochtermedusen eine entsprechend geringere ist.
Sej[|bilde ich in Fig. S eine jüngere Tochtermeduse ab, welche nur zwei Enkelknospen an dem
Manubrium erkennen lässt. Sie stehen, wie das überhaupt, für die jüngsten Knospen charakteristisch
g l l l i n annähernd gleicher Höhe; erst späterhin wird es bei dem Längenwachsthum
des Manubriums deutlich, dass die jüngere Knospe distal von der älteren liegt.
Da die ¡sich loslösenden Tochtermedusen (A, B, C, D, E . . .) offenbar rasch zu den proliferirenden
Mutterthieren heranwachsen, so darf man von;(vornherein erwarten, dass das Gesetz
der continuirlichen Grössenabnahme in distaler Richtung nicht nur für die Enkelknospen, sondern
auch für die Tochterknöspen gilt. Wenn das Gesetz indessen anscheinend eine Ausnahme erleidet
, insofern auch proximal junge Knospen auftreten, wie ein Blick auf Fig. 1 und 2 lehrt,
so wird dies Verhalten durch eine weitere Eigenthümlichkeit in der Knospung bedingt. Je d e
T o c h te rk n o s p e b ild e t an i h r e r A n s a tz s te lle , eine jü n g e r e E r s a tz k n o s p e an s
(a> b y j d, e . . .), und somit bestehen die Knospengruppen am Manubrium aus Geschwisterknospen,
von denen die eine in ihrer Entwicklung der anderen gegenüber bedeutend voraus ist. Auch
d ie E r s a tz k n o s p e n nehmen in d i s t a l e r R ic h tu n g c o n tin u ir lic h an G rö s s e ab.
Bei Dipurma dolickogaster beobachtete ich im Ganzen sechs bis sieben Knospengruppen an dem
Manubrium, während hei Sarsia gemmifera die Zahlen fünf bis sechs das Maximum für die Tochterknospen
abgeben. Zudem sind die Gruppen bei Dipurma durch lange Internodien getrennt, wäh-
rend sie bei Sarsia viel gedrängter stehen.