Diese Wirkung wird nun vielleicht dadurch noch verstärkt, dass in dem retinopigmen-
tären Auge sämmtliche Strahlen, welche nicht auf Krystallkegel treffen, gleichfalls bis zum
Retinapigment Vordringen. Diesen Umstand dürfen wir nicht unbeachtet lassen, da er gerade
einen wesentlichen Unterschied mit dem iridopigmentären Auge bedingt. In letzterem ist es durch*
das die Kegel umscheidende Irispigment ausgeschlossen, dass Strahlen zw is c h e n den Krystall-
kegeln bis zur Retina Vordringen. Man möchte nun auf den ersten Blick geneigt sein, die Bedeutung
dieser Strahlen nicht hoch anzuschlagen, weil sie dock schliesslich durch das Retinapigment
absorbirt werden. Wenn wir indessen bedenken, dass ein Theil der Strahlen auf die
fadenförmigen Verlängerungen der Krystallkegel trifft, so wäre es möglich, dass sie nicht durch
Reflexion an den Seitenwandungen der Kegel verloren gehen, sondern eindringen und weiter
geleitet werden. So lange indessen der Brechungsindex der Kegel und der sie umspülenden
Flüssigkeit nicht bekannt ist, wird es schwer fallen, sich ein Urtheil über das Schicksal dieser
Strahlen zu bilden.
Aus diesen Ausführungen ergiebt es sich nun weiterhin, dass die Strahlen, welche von
einem entfernten Lichtpunkte ausgehen, grössere Zerstreuungskreise verursachen, als von einem
nahen. In ersterem Falle laufen die Strahlen annähernd parallel, in letzterem divergiren sie
bei ihrem Auftreffen auf die Cornea um so stärker, je näher der Lichtpunkt liegt. Die Folge
ist, dass bei stark genäherten Objekten die dem Hauptstrahle benachbarten Nebenstrahlen unter
starker Neigung auf jene Krystallkegel auffallen, welche im Umkreise des den Hauptstrahl
auffangenden gelegen sind. Sie werden also um So vollständiger eliminirt werden, je näher das
Objekt dem Auge liegt. Ein heller Punkt, wie etwa ein auf leuchtender pelagischer Organismus,
wird also in der Empfindung mit einem Lichthofe umgeben erscheinen, dessen Intensität
nach Aussen weniger rasch abnimmt, wenn der Lichtpunkt weit entfernt ist, als dann, wenn er
dicht vor dem Auge gelegen ist.
E x n e r hat in seinen Darlegungen über die Physio logie der facettirten Augen scharfsinnig
ausgeführt, dass die Entstehung von Zerstreuungskreisen in besonderem Maasse das Erkennen
von Bewegungen begünstigt (1891 p. 182 — 188). Es würde zu weit führen, wenn ich
seine Erörterungen hier ausführlich wiedergeben wollte und ich verweise daher auf das Original.
Nur so viel sei erwähnt, dass durch das Entstehen eines Zerstreuungskreises nicht nur ein
Rhabdom in Erregung versetzt wird, sondern eine ganze Gruppe derselben. Es entsteht ein
kleiner Empfindungszerstreuungskreis, in welchem der Grad der Erregung von dem am stärksten
betroffenen centralen Sehstab nach der Peripherie continuirlich bis zu Null herabsinkt. Denken
wir uns jetzt den leuchtenden Punkt nur so weit verschoben, dass das Netzhautbild um den
Durchmesser e in e s Sehstabes vorrückt, so muss sich der Erregungsgrad sämmtlicher dem Zer-
streuungskreis angehörigen Sehstäbe geändert haben. „Es leuchtet ein, dass diese Erregungsänderung
in einer grossen Zahl von Nervenendigungen in hohem Grade geeignet ist, die Aufmerksamkeit
auf sich zu lenken, d. h. ein Bemerken der stattgehabten Bewegung, sowie ihrer
Richtung zu veranlassen.“
Das Entstehen von Zerstreuungskreisen beeinträchtigt nun freilich die Schärfe des
Netzhautbildes; sie wird nach den obigen Ausführungen sich um so störender geltend machen,
je weiter die Objekte vom Auge entfernt sind. Der Nachtheil wird indessen durch die ungemeine
Empfindliehkeitssteigerung für Wahrnehmung von Bewegungen ausgeglichen. Bedenkt man nun,
dass wir es mit Organismen zu thun haben, welche im Dämmerlichte oder in dunklen Regionen
schwebend, auf die sicherlich nur kärglich gebotene Beute lauern, so liegt der Vortheil auf der
Hand, den ein Frontauge darbietet, das in ungewöhnlichem Maasse das Erkennen von Bewegungen
begünstigt und bei dem Annähern an das Objekt ein schärferes Erfassen der Form ermöglicht.
Fassen wir also das Resultat unserer Erörterungen kurz zusammen: d e r W e r th ungewö h n lic
h v e r l ä n g e r t e r F a c e t t e n g l i e d e r , w e lc h e s ic h bisweilen a ls ein g e s o n d e r te s
F r o n t a u g e a b zw e ig e n , b e ru h -t sow o h l b e i den r e t in o p ig m e n t ä r e n , wie bei
den ir id o p ig m e n t ä r e n A u g e n p e l a g is c h e r C r u s ta c e e n d a r a u f , da ss d a s E r k
e n n e n von B ew eg u n g en | | v e rm i t t e l t d u r c h d a s E n ts t e h e n b r e i t e r Zer-
t r e ü u n g s k r e i s e ^ l n h e rv o r r a g e n d em Ma asse b e g ü n s t ig t wird.