Z o o p h y t e n.
Bezüglich meiner Resultate über den chemischen Sinn der Zoophyten verweise ich auf meine
beiden früheren Publikationen, welchen ich neue Untersuchungen nicht hinzuzufügen habe.*) Da für die
uns hier interessierenden Fragen allgemeiner Natur gerade die Yertreter dieser Tierklasse, welche
mir zu Yersuchen dienten, besonders wertvoll sind, will ich kurz einige Sätze anführen, welche ich
jenen beiden Aufsätzen entnehme und die die Hauptresultate bezüglich der chemischen Sinne enthalten.
Wegen der Einzelheiten verweise ich auf die Originalabhandlungen.
Die Existenz eines Geschmackssinnes bei A c t in ie n und die wirkliche Verwertung dieses Sinnes
durch die Tiere beweisen folgende Versuche (217).
„Versuch 1. Ein kleines Stückchen Sardinenfleisch wird mit der Pinzette vorsichtig dem
Tentakelkranze bis zur Berührung genähert. Die berührten Tentakel heften sich am Fleische sofort
an und ziehen heftig daran; durch die Annäherung kommen dann noch mehr Tentakel mit dem Fleisch
in Berührung und heften sich ebenfalls an. So ist in wenigen Sekunden das ganze Stück Fleisch
von den Fangarmen umschlossen und wird verschlungen.
V e rsu c h 2. Aus reinem Filtrierpapier wird ein kleines Bällchen geformt, welches, in Seewasser
eingeweicht, eine ähnliche Konsistenz besitzt, wie das Fischfleisch. Es wird den Actinien in
derselben Weise gereicht, wird a b e r von den T e n ta k e ln n ic h t e rg rif f e n ; entweder reagieren
dieselben auf die Berührung gar nicht, oder die berührten Tentakel betasten langsam das Papierbällchen.
Versuch 3. Ein Stück Sardinenfleisch wird in Seewasser ausgewässert, und dabei durch
Drücken die löslichen Bestandteile nach Möglichkeit entfernt. Nun wird es der Actinie gereicht, diese
ergreift es auch meistens, jedoch langsam, träge, entfernt nicht mit der Energie, die sie frischem Fleische
gegenüber zeigt.
V e rsu ch 4. Ein Papierbällchen der beschriebenen Art wird in dem Saft, welcher sich aus
Fischfleisch auspressen lässt, eingeweicht, und nun der Actinie gereicht. D ie s e e r g r e if t es mit
d e rs e lb e n S ic h e rh e it und E n e rg ie wie ein f r is c h e s F le is c h s tü c k , lässt es freilich oft
nach einiger Zeit fallen, ohne es zu verschlingen.
V e rsu ch 5. Zuckergetränktes Filtrierpapier wirkt wie das mit Fleischsaft getränkte, nur
schwächer.
V ersuch 6. War das Papier mit Seewasserlösung von Chininhydrochlorat getränkt, so wurde
es nicht ergriffen, vielmehr ziehen sich die Tentakel von demselben zurück.
V ersuch 7. Die Tentakel werden eingezogen, wenn schwache Chininlösung aus einer Pipette
in ihre Nähe strömt; Seewasser wirkt nicht so, Fleischsaft bewirkt unruhiges Hin- und Herbewegen
(Suchen) der Tentakel.
V ersuch 8. Chinin, Cumarin, Vanillin, Pikrinsäure in Seewasser gelöst, sind, auf die Aussen-
fläche von Adamsia einwirkend, ohne sichtbare Reizwirkung. Ebenso unempfindlich ist der obere
*) Die Resultate neuerer Versuche, welche vorzugsweise die allgemeine Sinnesphysiologie und die Physiologie des
mechanischen Sinnes der Coelenteraten betreffen, sind in einer gegenwärtig im Drucke befindlichen Abhandlung („Experimentelle
sinnesphysiologische Untersuchungen an Coelenteraten“) in Pflüger's Arch f. d. ges. Physiologie Bd. 57. veröffentlicht.
Teil der Haut, zwischen Tentakelkranz und Mundrand, und letzterer selbst. Sowie aber einer der
genannten Stoffe die Tentakel trifft, werden dieselben heftig zurück- und zusammengezogen.
V ersuch 9. Wenn eine grosse Adamsia sich weit entfaltet hat, kann man ein Fleischstück
auf oder neben den Mund legen, ohne dass sie davon Notiz nimmt. Erst wenn die Tentakel
das Fleisch berühren, oder der Saft zu ihnen hin diffundiert, wird das Fleisch ergriffen. D e r Geschm
a ck ssin n h a t somit se inen S itz a lle in in den Tentakeln.
Versuch 10. Prüft man die W ä rm e em p fin d lich k e it der Actinien, indem man Seewasser
von etwa 30° ihren Körper treffen lässt, so f in d e t man d ie s e lb e n T «ile wärmeemp
fin d lic h , welche Schmeckvermögen b e s itz e n , nämlich allein die Tentakel.
Die Lokalisation des T a s ts in n e s scheint dieselbe zu sein, wie die des Wärmesinnes und
Geschmackes, ist indessen etwas weniger sicher zu prüfen. Die T e n ta k e l sin d also Organe
a lle r d ie s e r d re i S in n e , sie dienen ihnen g le ic h z e itig od e r w e ch se lsw e ise , sind
also W e c h s e ls in n e s o rg a n e . . .“
C a rm a rin a h a s t a ta (220 pg. 187$ -r
„Auf d e r ganzen F lä c h e des S ch irme s, e in s c h lie s s lic h des R a n d e s , fe rn e r
am g an z en M a g en stie le samt d essen M ü n d u n g s ste llen b le ib e n sämtliche v e rw en d
e ten chemischen Re iz e e rfo lg lo s .“
„Reizbar sind allein die sechs langen hohlen Randfäden.“ Schwache Reizstoffe, wie Chinin, erzeugen
an der getroffenen Stelle des Randfadens eine lokale Verdickung, auf welche noch nach einigen
Sekunden eine Allgemeinreaktion folgt. „Dieselbe wird eingeleitet durch plötzliches und fast gleichzeitiges
Aufschnellen aller sechs Fäden, welche dabei korkzieherähnliche Formen annehmen.“ „An
diese Zuckung schliesst sich nun fast immer energisches Spiel des Schirmes an . . .“
Beroe o v a ta (220 pg. 186).
„1) Die ganze Haut der Beroe ist empfindlich für gewisse chemische Reize, welche keine Atz-
wirkung auf das Epithel ausüben, und keine sichtbare Veränderung in der Haut zurücklassen.
2) Eine sehr starke Steigerung dieser Empfindlichkeit beobachtet man an dem bandförmigen
Sinnesorgane etwas innerhalb des Mundrandes.“
„4) Die Polplatten werden mit Unrecht als Geruchsorgane bezeichnet, sie dienen weder dem
Geruchssinne, noch überhaupt dem chemischen Sinne als Organ.“
„ 7 ) ..............Der „ „Sinnespol“Ä|ist der in Beziehung auf Sinnesthätigkeiten am spärlichsten
ausgestattete Teil.“ Nur der mechanische Sinn ist hier fein entwickelt.
(pg. 187) „8) Künstliche Teilung einer Beroe liefert Segmente, deren jedes bedeutend erregbarer
ist, als das Ganze. Nicht nur die Schnittränder, sonder auch die vom Schnitt nicht direkt betroffenen
Stellen nehmen an Erregbarkeit zu.“
(pg. 176.) „Die Innenwand^des Magens ist für die von mir angewendeten Reize unempfindlich.“