stehen die Erfahrungen des „Albatross“ nicht im Widerspruch, zumal da Euphausia mucronata
im geschlossenen Theil des Tanner-Netzes aus einer Tiefe von 360 m erbeutet wurde (O r tmann
1894 a., p. 109).
Eür die Gattung Thysanopoda ist ein Absteigen in grössere Tiefen durch die Befunde
des „Albatross“ und der Plankton-Expedition wahrscheinlich gemacht. In dem geschlossenen Theile
des Tanner-Netzes fand sich aus einer Tiefe von 360 m (Golf von Panama) ein Exemplar der
Thysanopoda Agassm O rtm a n n (O rtm an n 1894 a., p. 100) und die Plankton-Expedition wies
durch Stufenfänge in der Irminger See nach, dass Th. microphthalma G. O. S a rs zwischen 400
und 600 m verbreitet war.
Ueber die vertikale Verbreitung der Gattungen Nyctiphanes und Thysanoessa liegen genauere
Nachrichten nicht vor. Sie sind an der Oberfläche verbreitet, fanden sich aber auch in
dem Inhalt der Tiefennetze an Stellen, wo sie an der Oberfläche fehlten.
Wenn ich früherhin mit Nachdruck darauf hin wies, dass die Gattungen Nematoscelis und
Stylocheiron typische Tiefenbewohner der hohen See abgeben, so möchte auf den ersten Blick die
Thatsache befremden, dass sie gelegentlich auch an der Oberfläche erbeutet wurden. Das Vorkommen
an der Oberfläche ist durch G. O. S a r s (1876), durch die Challenger-Expedition, durch
meine Befunde an den Canaren (1889) und durch die Plankton-Expedition (O rtm a n n 1894)
erwiesen worden. Immerhin sind die Funde an der Oberfläche so spärlich im Vergleich mit der
reichen Ausbeute der Tiefennetze, dass der Verdacht vorliegt, es möchten nur unter besonderen
Umständen die genannten Genera an die Oberfläche gerathen. Unfehlbar wird man auf Nematoscelis
und Stylocheiron-Arten rechnen können, wenn man an Stellen, wo sie wochenlang an der
Oberfläche fehlten, die Netze in Tiefen von 400 m an versenkt. Sie wimmeln dann manchmal
von jugendlichen und erwachsenen Exemplaren dieser merkwürdigen Wesen.
Ihr Vorkommen an der Oberfläche befremdete mich dermaassen, dass ich genauer auf die
äusseren Umstände achtete, unter denen ich ein solches an den Canarischen Inseln beobachtete.
Da meine hierauf bezüglichen Wahrnehmungen, welche ich in meinem Reiseberichte publicirte,
(1889, p. 32) vollständig unbeachtet blieben, so gestatte ich mir dieselben wörtlich wiederzugeben:
„Die canarischen Fischer machten mich darauf aufmerksam, dass kurz nach Eintritt des Vollmondes
die Strömungen ziemlich rasch zu fliessen beginnen, dass späterhin die Stromgeschwindigkeit
abnimmt und in der vorletzten Woche vor Eintritt des Vollmondes gleich Null ist. That-
sächlich ist denn auch diese Beeinflussung der Stromgeschwindigkeit durch den Vollmond eine
so auffällige, dass ich zu der angegebenen Zeit mit dem Boote oft weit vom Lande abgetrieben
wurde, wenn im Eifer des Sammelns inmitten grösser Strömungen das rasche Fliessen nicht
beachtet wurde.
Höchst merkwürdig nehmen sich nun die Strömungen — und zwar auch die kleineren
Seitenzweige — aus, wenn bei Eintritt des Vollmondes das oft etwas dunkler blau gefärbte
Strömungswasser sich in Bewegung zu setzen beginnt. Schon von Weitem fällt eine wirbelartige
Bewegung auf, welche von der Tiefe nach der Oberfläche gerichtet ist und Alles ergreift,
was von pelagischen Organismen im Bereiche der Strömungen flottirt. Ein Schöpfen grösserer
Formen mit den Gläsern ist nicht möglich; sie steigen durch die Bewegung des Wassers mitgerissen
aus der Tiefe auf und sinken, an der Oberfläche angekommen, ebenso rasch wieder
hinab. Ich musste an den zwei oder drei Tagen vor und während des Eintrittes des Vollmondes
(so lange dauert es, bis der Strom ruhig fliesst) auf das Gerathewohl die Netze herablassen und
erbeutete dann auch regelmässig zu jener Zeit Thierformen, welche ich unter anderen Verhältnissen
nur mit den Tiefennetzen erhielt, bezw. nie an der Oberfläche beobachtete.“
Dem Gesagten füge ich hinzu, dass in denselben Monaten, wo ich im Winter 1887/88
diese Beeinflussung der Strömungsgeschwindigkeit durch den Vollmond beobachtete, auch auf dem
„United St. coast steamer-Blake“ ähnliche Wahrnehmungen im Gebiete des Golfstromes gemacht
und durch Messungen belegt wurden. (Exploration of the Gulf Stream by Lieut. J. E. Pillsburg,
in: Silliman, Americ. Journ. of Science, III Ser. Vol. XXXVI, 1888, p. 225).
Die genannten Perioden waren es nun, wo ich neben anderen seltenen pelagischen Organismen
auch die Stylocheiron- und Nematoscelis-Arten an der Oberfläche erbeutete. Kritische
Geister, welche in nörgelnden Bemerkungen schwelgen und das Zählen von Crustaceenborsten
zum Lebensberuf wählten, mögen freilich ein Anathema über Jenen aussprechen, der schwimmende
Organismen für Tiefenbewohner erklärt, trotzdem sie unter besonderen Umständen auch
an die Oberfläche gerathen. Wenn sie auch durch die späteren Darlegungen über den Bau der
Facettenaugen nicht davon zu überzeugen sind, dass hier Strukturverhältnisse vorliegen, die
lediglich durch den Aufenthalt in unbelichteten Regionen ihre Erklärung finden, so mögen sie
doch wenigstens den Schliessnetzbefunden einigen Werth beimessen, welche unzweideutig lehren,
dass die genannten Euphausiengattungen in grossen Tiefen verbreitet und gemein sind.
Nematoscelis Sarsi C hun, eine der N. tenella G. O. S a r s nahestehende Art, fand ich in
dem Inhalt des in 1300 m Tiefe versenkten Schliessnetzes (1887, p. 32). Die Plankton-Expedition
wies Nematoscelis rostrata in einem Schliessnetzfänge aus 400 bis 600 m, N. tenella aus einem
Schliessnetzfänge von 450 bis 650 m und N. microps aus einem ebensolchen von 600 bis 800 m
Tiefe nach (O rtm an n 1894, p. 16)v
Stylocheiron mastigophorum Ch u n , die häufigste Art der genannten Gattung, fand ich in
Schliessnetzfängen aus 600 m und 900 m Tiefe im Mittelmeere (1887, p. 32). Im Atlantischen
Ocean beobachtete ich sie in einem Schliessnetzfang aus 500 m Tiefe (1889, p. 18).
Die Plankton-Expedition wies durch ihre Schliessnetzfänge das Vorkommen von Stylocheiron
dbbreviatum und St. Suhmi aus den Tiefen von 1300 bis 1500 m nach (O r tm a n n 1894,
p. 17 und 18).
Auch im Pacifischen Ocean sind im geschlossenen Theile des Tanner-Netzes Nematoscelis
microps G. O. S a r s und Stylocheiron flexipes O rtm a n n aus einer Tiefe von 380 m erbeutet
worden (O rtm a n n 1894 a., p. 109).^^
Mit Rücksicht auf die hier mitgetheilten Thatsachen dürfte wohl kaum daran zu zweifeln
sein, dass die Arten der Gattung Nematoscelis und Stylocheiron einen wichtigen und zudem auffälligen
Bruchtheil der im Dämmerlichte oder in völlig dunklen Regionen schwebenden pelagischen
Fauna abgeben. Ein Blick auf die von O rtm a n n entworfene Karte über die quantitative
Verbreitung der Gattung Stylocheiron (1894, Taf. VIII, p. 101—104) nach den Tiefenfängen
mit dem Vertikalnetz lehrt, dass sie nördlich vom 45. Breitegrad den gemässigten und kalten
Regionen des Atlantic fehlt, in den subtropischen und tropischen Regionen hingegen mit auffälliger
Constanz auftritt.
Bevor ich indessen den Nachweis führe, dass der eigenartige Bau der Augen bei den
Schizopodengattungen Thysanoessa, Nematoscelis, Stylocheiron, Euchaetomera, Caesaromysis, Brutomysis
und Arachnomysis lediglich in der Anpassung an den Aufenthalt in unbelichteten Regionen seine
Erklärung findet, sei es gestattet, einige Arten kurz zu charakterisiren, auf welche ich bei der