Da es nun allgemein anerkannt ist, dass die Desmodi (DiphyUa und Desmodus), was die
übrigen Organisationsverhältnisse betrifft, sich den Stenodermata auf - das intimste anschliessen,
so lag die Folgerung nahe, dass das eigenartige Gebiss der Desmodi durch eine in derselben
Richtung fortgesetzte Reduction in der Molarenreihe aus dem Stenodermengebisse entstanden sei,
zumal da die Form der Schneidezähne und Prämolaren bei Stenodermata eine solche Auffassung
ebenfalls durchaus begünstigt. Das Gebiss der Stenodermata bildet auch in der That mit dem
der Desmodi, was die Anzahl der Componenten betrifft, eine vollkommen lückenlose Serie: an die
am meisten reduzirte Stenodermengattung Pygoderma ’) mit M § schliesst sich die Desmodi-Gattung
DiphyUa mit M ^ und an diese endlich die von letzterer im übrigen wenig abweichende Gattung
Desmodus mit M ^ an, während die Anzahl der Prämolaren auch hier constant f beträgt. Diese
schon vor 18 Jahren ausgesprochene, auf vergleichend-anatomische Befunde gestützte Auffassung,
durch welche uns die Entstehung des Desmodi-Gebisses verständlich wird, erhält durch die embryo-
logischen Thatsachen die vollkommenste Bestätigung. Die B e z ie h u n g e n d e r M ilc h b a c k e n z
ä h n e zu den p e r s i s t ir e n d e n Z ä h n e n b ew e isen , d a s s d ie von m ir g e g e b e n e Deutu
n g d e r B a c k e n z a h n r e ih e die r i c h t ig e is t. Ich habe um so mehr Ursache dieses Er-
gebniss hier zu betonen, als die in der Zwischenzeit publicirten Arbeiten von D obson (TT) sowie
F lower und L ydekker noch immer für Diphylla P | M { und für Desmodus P | M | angegeben
werden; ebenso unvereinbar .mit den vorliegenden Befunden ist W inge’s (H) Formel: DiphyUa P \
M § und Desmodus P £ M
Vesperugo serotinus.
Embryo; Länge vom Scheitel zur Schwanzwurzel 20 Mm.
Die Zahnentwicklung ist bei dem vorliegenden Embryo weiter vorgeschritten als bei
einem der vorher beschriebenen Embryonen: nicht nur dass die persistirenden Zähne mit Ausnahme
des M 3 stark verkalkt sind, es haben schon mehrere Milchzähne mit ihren Spitzen das
Zahnfleisch durchbrochen. Um so auffallender ist die stattliche Entwicklung der Sehmelzleiste:
d ie S c hm e lz le is te g e h t n o ch c o n t in u i r l i c h d u rc h d ie g an z e K ie f e r lä n g e (U n te r k
ie fe r) , was a u f e n ts p re c h e n d em S ta d ium bei k e in em von m ir u n t e r s u c h t e n
a n d e re n S ä u g e th ie r e d e r F a l l is t ; ferner steht dieselbe, obgleich der Zusammenhang
zwischen ihr und den weit entwickelten untern J schon gelöst ist, nichts desto weniger noch in
Verbindung mit dem Mundhöhlenepithel und ist stark ausgebildet. Die_ starke Ausbildung behält
sie auch noch neben C bei, wenn auch der Zusammenhang mit dem Mundhöhlenepithel hier aufgehoben
ist; weiter nach hinten wird die Schmelzleiste schwächer.
Der untersuchte Embryo von Cynonycteris aegyptiaca (Länge vom Scheitel zur Schwanzwurzel
25 Mm.) bot keine erwähnenswerthen Besonderheiten dar.
J) Hiermit ist nicht gesagt, dass diese Gattung als die Stammform der Desmodi anzusehen ist.
Hinsichtlich des Zahnwechsels und der Beziehungen zwischen erster und zweiter Dentition
im allgemeinen kann ich auf die bereits oben (pag. 74—75) referirten Ergebnisse verweisen. Auch
die Bedeutung des hier besonders bemerkenswerthen Verhaltens der Schmelzleiste lingualwärts
von den Zahnanlagen der zweiten Dentition dürfte zur Genüge aus dem obigen (pag. 79) und den
mitgetheilten Abbildungen (Fig. 94—97) erhellen. Dagegen möchte ich besonders hervorheben,
dass d e r v o r d e r s t e P r äm o la r -^ h ie r als P 1, von Winge (H) als P 2 bezeichnet ■— in so f
e rn m it dem v o r d e r s te n P räm o la re n b e i Phoca, Ganis, V iv errid a e etc. ü b e r e in s
tim m t, a ls e r e in e s V e r t r e t e r s in d e r e r s te n D e n titio n e n tb e h r t. Die Ursache
des Fehlens des P d 1 kann jedoch bei Chiroptera nicht wie bei den vorgenannten Säugethieren
in der Minderwerthigkeit des P 1 gesucht werden. Vielmehr greift die Reduktion meistens
zuerst den P 2 und nicht den P 1 an. Hierdurch erhalten wir z. B. bei Vespertilionidae folgende
Zahnhomologien in der Prämolarenreihe:
Vespertìlio P
Plecotus
Vesperugo
Vesperus
1.
3.
m
3.
2. 3.
2. 3.
!• 8- | § |
Anderseits kann — dies ist der Fall wahrscheinlich bei der Mehrzahl der Vampyri und
Glossophagae die Anzahl der Milchbackenzähne im Oberkiefer vollständig (d. h. drei) sein,
während der obere P 1 gleichzeitig konstant fehlt:
Garollia, Phyllostoma P
Glossophaga
2. 3.
1. 2. 3.
2. 3.
1. 3.
2. 3.
1. 2. 3.
2. 3.
1. 2. 3.
*) 1° der Tabelle in II pag. 33 wird der obere Prämolar bei Vesperus als P 1 bezeichnet; dass dieses auf
einen Schreibfehler zurückzuführen ist, erhellt aus den früheren, richtigen Angaben (I pag. 30).
Biblioteca zoologica. Heft 17. 11