Besonders auffällig tra t der Fluss der äusseren Erscheinung in dem Verhalten der
Tentakelbündel hervor. Bei manchen Exemplaren waren sämmtliche Tentakel zu kurzen
Stummeln reducirt, wie dies Böhm bereits beobachtet und abgebildet hat (1878, Taf. IV,
Fig. 2). Dieses Verhalten betrifft nicht nur ältere, sondern auch jugendliche Individuen.
Dazu schwankt die Zahl der Fangfäden. Die meisten Exemplare besassen 20 Tentakel, insofern
die vier perradialen Randbündel aus je drei, die vier interradialen aus je zwei Fangfäden
sich zusammensetzten. Einzelne ältere Individuen vermehrten die Tentakel dadurch auf 24,
dass auch die interradialen Bündel aus je drei Fäden bestanden. In einem Falle beobachtete
ich ein grosses Exemplar, welches an zwei perradialen Bündeln vier Tentakel (im Ganzen 26)
angelegt hatte.
Angesichts dieser weit gehenden Variabilität in dem Gesammthabitus und speziell auch
in der Zahl der Randfäden erscheint es mir fraglich, ob H a e c k e l im Rechte ist, wenn er nach
der Zahl der Randfäden die beiden Genera Margellium und Rathkea aufstellt. Das Genus Margellium
wird dadurch charakterisirt, dass die vier perradialen Bündel mit mehr Fäden als die
vier interradialen ausgestattet sind, während bei dem Genus Rathkea alle acht Bündel gleich sind.
Demgemäss rechnet H a e c k e l die westatlantische Lizzia grata zu Margellium, die ostatlantische
Lizzia octopunctata hingegen zur Gattung Rathkea. Nun muss ich F ew k e s (1881, p. 142) durchaus
beistimmen, wenn er die amerikanische Lizzia grata A. Ag. als die nächste Verwandte der
Rathkea octopunctata Sars betrachtet. Nach der von F ew k e s gegebenen Darstellung von Lizzia
grata erscheint es mir sogar fraglich, ob zwischen beiden Lokalformen specifische Unterschiede
existiren. Im proliferirenden Zustande gleicht Lizzia grata so vollkommen der europäisch-atlantischen
Form, dass weder aus dem Gesammthabitus, noch aus der Zahl der Tentakel (welche 24
nicht übersteigt) ein Motiv für die Artunterscheidung zu entnehmen ist. Wenn nun nach den
Angaben von A. A g a s s iz (1865, p. 161) Lizzia grata im geschlechtsreifen Zustand die Zahl der
Mundgriffeläste auf sieben und der perradialen Tentakel auf fünf vermehrt, so liegen hier Umbildungen
vor, die sicherlich auch der europäisch-atlantischen Lokalform zukommen. Ich beziehe
mich in dieser Hinsicht auf meine oben angedeutete Wahrnehmung, dass schon im proliferirenden
Zustande die Dreizahl der perradialen Tentakel überboten werden kann.
Wenn ich nun auch der Ansicht bin, dass die Gattung Margellium einzuziehen ist, weil
die auf die Zahl der radialen und interradialen Tentakel basirte Diagnose nicht haltbar ist, so
glaube ich doch, dass wir einstweilen noch an der generischen Unterscheidung von Lizzia und
Rathkea festhalten dürfen. Die Gattung Rathkea wurde bereits 1838 von B r a n d t für eine'Margelide
des schwarzen Meeres begründet, welche fiederästig gespaltene Mundgriffel und acht Tentakelbündel
besitzt. Demgemäss bezieht H a e c k e l alle Margeliden mit einfachen, unverästelten
Mundgriffeln und mit acht Tentakelbündeln zum Genus Lizzia, diejenigen mit gespaltenen Mundgriffeln
und acht Tentakelbündeln zum Genus Rathkea. Es muss einer späteren Untersuchung
der Entscheid Vorbehalten bleiben, ob thatsächlich die auf die Gestalt der Mundgriffel basirte
Unterscheidung zu einer generischen Trennung berechtigt. Sollte sich die Angabe von R a th k 'e
(1835, p. 327) bestätigen, dass die als Typus der Gattung Rathkea geltende Oceania Blumenhachii
thatsächlich acht Radiärgefässe besitzt (Haeckel vermuthet vielleicht nicht mit Unrecht, dass
die vier interradialen Anwachsstreifen der subumbralen Muskulatur für Gefässe gehalten wurden),
so würde es am zweckmässigsten sein, die Genusdiagnose der Gattung Lizzia auch auf alle Margeliden
mit verästelten Mundgriffeln und mit acht Tentakelbündeln auszudehnen.
Als Resultat der hier gegebenen Ausführungen gestatte ich mir folgende tabellarische
Uebersicht der Synonymie von Rathkea octopunctata zu geben.
Rathkea octopunctata M. Sars.
Cytads octopunctata.
M. S a r s , 1835. Beskrivelser og Jagttagelser etc., p. 6. Taf. I, Fig. 3 a—g.
Ilippocrene octopunctata.
F o rb e s , 1841. Ann. and Magaz. Nat. Hist., Vol. VII, p. 84.
Bougainvillea octopunctata.
L e s so n , 1843. Hist. nat. Zoophytes. AcaRphes, p. 292.
Cytaeis octopunctata.
M. S a r s , 1846. Fauna littoralis Norvegiae I, p. 10. Taf. 4, Fig. 7—13.
Lizzia octopunctata.
F o rb e s , 1848. Brit. naked-eyed Medusae, p. 64. Taf. 12, Fig. 3 a—e.
Lizzia octopunctata.
L. A g a s s iz , 1862. Contrib. Nat. Hist. U. St. IV, p. 345.
Lizzia grata.
A. A g a s s iz , 1865. Illustr. Catal. North. Am. Acalephae, p. 161, Fig. 252—258.
Lizzia octopunctata.
P. J. v an Ben ed en , 1866. Rech, faune litt, de Belgique, p. 94. Taf. III, Fig. 7—13.
Lizzia octopunctata.
Böhm, 1878. Jen. Zeitschr. f. Naturw., Bd. 12, p. 186. Taf. 4—6, Fig. 1—4.
Margellium octopunctatum.
H a e c k e l, 1879. Syst. d. Med., p. 95.
Margellium gratum.
H a e c k e l, 1879. Syst. d. Med., p. 95.
Rathkea octopunctata.
H a e c k e l, 1879. Syst. d. Med., p. 97.
Lizzia grata.
F ew k e s , 1881. Bull. Mus. Comp. Zool., p. 142. Taf. I, Fig. 1—7.
Mag nun auch Rathkea octopunctata so variabel sein, dass man sie je nach ihrem Entwicklungsgrad
verschiedenen Gattungen und Arten zurechnete, so ist es doch andererseits in hohem
Maasse bemerkenswerth, dass die Knospen auf allen Entwicklungsstufen (welche successive die
durch die Genera JDysmorphosa, Lizzia, Margellium, Rathkea cliarakterisirten Stadien durchlaufen)
in strengster Gesetzmässigkeit angelegt werden.
b. Das Knospungsgesetz.
Da ich schon oben des von S a r s für die vier Knospen eines Cyclus ermittelten Stellungsgesetzes
gedachte, so ergaben sich für die Erforschung eines die gesammte Reihenfolge der
Knospen umfassenden Stellungsgesetzes folgende Fragen:
Bib lio tliec a zoologica. Heft 19. g