Für eine einheitliche morphologische Auffassung des zweiten Antennenpaares — speziell
fiir die Frage nach der Zahl der Schaftglieder — liegen die Verhältnisse nicht nur bei den Hv-
perinen, sondern auch bei den gesammten Malakostraken wesentlich ungünstiger als für die ersten
Antennen. Abgesehen davon, dass bei weiblichen Hyperinen die zweiten Antennen häufig rückgebildet
und manchmal sogar nur durch einen kegelförmigen Höcker (Phronimiden) angedeutet
werden, treten uns auch vielfach Fälle entgegen, wo bei wohl entwickelten zweiten Antennen
eine wechselnde Zahl von proximalen Gliedern einander so ähneln, dass eine Abgrenzung von
Schaft und Geissel fast unmöglich gemacht wird. So sehen wir denn, dass gewiegte Forscher
t"' ^ h weise nur auf C la u s hin sich bisweilen nur sehr zurückhaltend über die Deutung der
zweiten Antenne äussern. Ein besonders instruktives Beispiel bieten uns in dieser Hinsicht die
Platysceliden dar, deren zweite Antennen im weiblichen Geschlechte oft ebenso weit rückgebildet
sind wie bei den Phronimiden, während die männliche Antenne bekanntlich aus fünf (bei Glosso-
cq>hdlus aus sechs) Gliedern besteht, welche wie ein Meterstab gefaltet werden. C la u s (1887,
p. 7) hebt ausdrücklich hervor, dass „im Gegensatz zu den gleichwertigen Antennen der Phronimiden
Schaft und Geissel nicht scharf abzugrenzen sind“. Auch B o v a lliu s (1890, p. 26) macht
ebensowenig wie z. B. für Paraphronimiden und Cyllopodiden einen Versuch, die zweite Antenne
der Oxycephaliden in Schaft und Geissel zu gliedern. Angesichts dieser Sachlage dürfte es wohl
nicht ohne Interesse sein, wenn ich auf einen morphologischen Charakter hinweise, welcher uns
ein untrügliches Merkmal für Unterscheidung von Schaft und Geissel liefert. E b en so wie an
d e r e r s te n A n te n n e s in d au ch an d e r zw e ite n le d ig lic h d ie S c h a f tg lie d e r m it
Mu sk e ln a u s g e s t a t t e t . Wenn wir von diesem Gesichtspunkt aus eine Deutung der männlichen
zweiten Platysceliden-Antenne versuchen, so ergibt es sich, dass sie ebenfalls mit drei
Schaftgliedern ausgestattet ist und zwei resp. drei Geisselglieder
aufweist. Zur Illustration dieses Verhaltens gebe ich nach B o v
a lliu s eine Copie der zweiten Antenne von Oxycephalus pecti-
natus cf, welche klar zeigt, wie durch die Einlagerung von Muskeln
in die drei Schaftglieder die Faltung der Antenne bedingt wird.
Wenn ich nun auf Grund dieses Verhaltens wohl nicht
mit Unrecht die Auffassung vertrete, da ss d ie S c h a f tg lie d e r
Fig. 1. Oxycephaluspeclinatus c f zwe ite An- b e i den g e sam m te n m ä n n lic h e n H y p e r in e n u n t e r no r-
ten n e. i, ii, ui S ch a ftg lied e r, fl Geissel. m a len V e r h ä ltn is s e n in d e r D r e iz a h l a u f t r e t e n , so
möchte ich auch weiterhin der Vermuthung Raum geben, dass es sich hier um eine für alle
Malakostraken giltige Grundzahl handelt. Bei den Cumaceen und Stomatopoden scheinen allerdings
nur zwei Schaftglieder aufzutreten, während Nebalia und die Schizopoden deren drei aufweisen.
Für die Dekapoden im engeren Sinne hat die Zahl der Schaftglieder seit H. Milne-
E dw a rd s mehrfach zu Controversen .Veranlassung gegeben, im Laufe .deren die Milne-E d-
w a r d s ’sehe Auffassung von einem fünfgliedrigen Schafte namentlich durch die Untersuchungen
von S t r a h l (Monatsber. Akad. d. Wissensch., Berlin 1861) mit Geschick angefochten wurde.
Wenn auch das von S tra h l auf Grund der Gliederung der zweiten (äusseren) Antennen entworfene
Dekapodensystem als ein durchaus künstliches und unhaltbares bezeichnet werden muss, welches
denn auch von keiner Seite adoptirt wurde, so haben doch seine kritischen Bemerkungen über
die Gliederung des Antennenschaftes den Erfolg gehabt, dass die Milne-Edwards’sche Auffassung
von einer Anzahl von Forschern aufgegeben wurde. Nach S t r a h l kann es sich nur um die
Auffassung handeln, ob der Schaft der zweiten Antenne drei- oder viergliedrig ist. G e r s ta e c k e r
(1892, p. 865) ist im Rechte, wenn er es dem subjektiven Ermessen überlässt, ob man das bei
vielen Macruren und Brachyuren selbständig gewordene vierte Glied, welches die Ausmündung
des Excretionsorganes trägt, dem Schaft oder dem Cephalothorax zurechnet. Angesichts der
Thatsache, dass es bei Palimmis und Scyllams mit dem Stirntheil des Panzers verschmolzen ist,
möchte ich der Hoffnung Ausdruck geben, dass es nicht unmöglich sein dürfte, die Dreizahl der
Schaftglieder an der zweiten Antenne als die Normalzahl für die gesammten Malakostraken zu
betrachten. Jedenfalls trifft sie auch für die Euphausiden unter den Schizopoden zu, welche
mir noch Veranlassung geben werden, auf die hier angeregte Frage zurückzukommen
4. Die Scheerenhände des fünften Fusspaares.
a. Morphologie.
Während man früherhin geneigt war, in dem Auftreten von Scheerenhänden an dem
fünften Beinpaar einen hervorstechenden Charakter der Phronimiden zu erblicken, so lehrte die
Entdeckung der Gattung Phronimella mit ihrem in einen einfachen Klauenfuss auslaufenden fünften
Beinpaar, dass es sich in der Scheerenhand nur um eine für die Gattung Phronima charakteristische
Bildung handelt. Phronimella bereitet allerdings das für Phronima typische Verhalten
vor und verharrt auf einem Zustand, welchen nur ganz junge Exemplare der Phronima erkennen
lassen. Da nun bereits in den Untersuchungen von P a g e n s te c h e r (1861), C la u s (1862 und
1872) und B o v a lliu s (1889) ausreichend dargestellt wird, wie aus einer einfachen, gerade gestreckten
Anlage durch Verbreiterung des Carpus und durch das Auftreten von Carpalzähnen,
gegen welche der Metacarpus eingeschlagen wird, die Greifhand ihre Entstehung nimmt, so beginne
ich meine Darstellung mit jenen Stadien, wo die Scheere bei jugendlichen Männchen von
8—10 mm Länge bereits angelegt ist.
Man gestatte mir indessen zuvor einige allgemeine Bemerkungen über die Bedeutung,
welche der Scheerenhand als einem sekundären Geschlechtscharakter zukommt.
Da C lau s die von ihm zuerst beschriebenen männlichen Exemplare von Phronima der
Phr. sedentaria zurechnete, so ergaben sich immerhin auffällige Differenzen in der Gestaltung -der
männlichen und weiblichen Greif hand. Wenn er auch zuerst nachdrücklich darauf hin wies, dass
die weibliche Greif hand in der Jugend eine ähnliche Bezahnung aufweist, wie sie zeitlebens der
männlichen zukommt, so war doch die •Thatsache nicht wegzuleugnen, dass die Scheerenhände
geschlechtsreifer Männchen und Weibchen sinnfällige Verschiedenheiten in der Gestaltung des
Carpalgliedes aufweisen. Nachdem es mir indessen gelungen is t, den Nachweis zu führen, dass
die von C lau s geschilderten Männchen der Phr. Golletti zugehören und nachdem ich weiterhin
die bisher unbekannt gebliebenen Männchen der Phr. sedentaria in den verschiedensten Entwicklungsstadien
auffand, so stellte es sich heraus, dass die sekundären Geschlechtsunterschiede durchaus
nicht so sinnfällig an dem fünften Beinpaar hervortreten, wie es anfänglich scheinen möchte.
Immerhin ergeben sich eine Anzahl von feinen und charakteristischen Differenzen, welche ich
kurz schildern und durch eine Anzahl von Abbildungen erläutern möchte.
Ich beginne zunächst mit der Darstellung der Scheerenhand der Männchen von Phronima
sedentaria. Junge Männchen von 8 mm Länge, wie ich sie in Fig. 2 auf Taf. VII abbilde, besitzen
am fünften Fusspaar eine schlanke Tibia (tb.) und einen Carpus (carp.), welcher ändert