Stadium E.
Am vordersten Ende des Unterkiefers sind Lippenfurchenleiste und Schmelzleiste mit
einander in einen secundären Zusammenhang getreten, so dass man Bilder erhält, welche den von
P oüchet und Chabey beim Schaf und von R öse beim Menschen gesehenen entsprechen. Wie auf den
vorhergehenden Stadien kommt auch hier das Vestibulum oris erst weiter nach hinten zu Stande.
Die mit der Lippenfurchenleiste zusammenhängende Schmelzleiste steht mit dem im Zustande der
Auflösung begriffenen Schmelzkeim des I I (Xd 1) in Verbindung (Fig. 14). Hinter dem besagten
Schmelzkeime ist die Schmelzleiste (einige Schnitte hindurch) unterbrochen, nm dann genau in
demselben Niveau wieder anzufangen; nach hinten rückt die Schmelzleiste immer mehr von der
Epithelwucherung, welche das Vestibulum oris entstehen lässt, medianwärts ab, so dass sie hier
völlig getrennt von ihr entspringt.
Die Anlagen des Id 2, 13, C, P 3 und Pd4 sind nur wenig weiter entwickelt als im
Stad. D. Hier ist das früher beschriebene, lingualwärts von Pd 4 befindliche tiefe, freie Schmelzleistenende
deutlich angeschwollen und vom verdichteten Bindegewebe umgehen (Fig. 15); zugleich
hat sich der Pd4 etwas vollständiger von der Schmelzleiste emancipirt als im vorhergehenden
Stadium. Wir sind also berechtigt hier von einer Anlage eines Ersatzzahnes (P4) zu reden,
ganz abgesehen davon, ob sich dieser später weiter entwickelt wie hier der Fall oder nicht.
Bei den am weitesten entwickelten Schmelzkeimen (Id.2, Pd4 und Ml) ist der Zusammenhang
mit dem Mundhöhlenepithel entweder völlig unterbrochen, so dass der obere Theil der entsprechenden
Schmelzleistenstrecke spitzig ausläuft, oder er ist doch äusserst schwach. Dagegen
ist die Schmelzleiste, durch welche der weniger entwickelte M2 mit dem Mundhöhlenepithel verbunden
ist, völlig intact und viel kürzer. Hinter M2 wird die Schmelzleiste allmählich kürzer
(in senkrechter Richtung), schwillt aber vor dem gänzlichen Aufhören an, um einen knospenförmigen
Schmelzkeim für den hintersten Zahn (M 3) zn bilden.
Eine gute Uehersicht über sämmtliche Zahnanlagen (ausser Id l und M3) geben uns
Horizontalschnitte, wie deren einer in Fig. 16 dargestellt ist.
Zusammenfassung. Der uns vom Stad. D bekannte Schmelzkeim des I I (Idl) ist hier
schon in Zerfall begriffen. Der vorderste Theil der Schmelzleiste steht mit der Lippenfurchenleiste,
welche das Vestibulum oris enstehen lässt, in Verbindung. Ueber den am weitesten entwickelten
Schmelzkeimen hat sieh die Schmelzleiste vom Mundhöhlenepithel abgeschnürt. Der
knospenförmige Schmelzkeim des M3 tr itt auf.
Stadium F.
Hier beim neugeborenen Thiere sind, verglichen mit dem vorigen Stad. E, verhältniss-
mässig raschere Fortschritte als z. B. zwischen Stad. C und D wahrzunehmen. Schmelzleiste
und rudimentärer Schmelzkeim (11) vor Id 2 sind auch hier noch sichtbar.
An der Spitze des Id 2 tr itt das Zahnbein auf. An der Spitze wie an der Basis des
Zahnes ist die Schmelzpulpa bereits verschwunden, so dass inneres und äusseres Epithel mit
einander in Berührung stehen. Die Schmelzleiste hat sich zum grössten Theile vom Zahne ah-
geschniirt. Zahnwall aber keine Zahnfurche ist vorhanden.
Noch in der Region des Id 2 ist durch Schwund der mittlern Partie der tiefere, stärkere
Theil der Schmelzleiste von dem oberflächlichen getrennt; der erstere schwillt an und dadurch
entsteht die erste Andeutung des knospenförmigen Schmelzkeims des 12 (Fig. 20—21), wie die
Untersuchung der folgenden Stadien lehren wird. Die Anlage des Id 2 hat sich so weit nach
hinten ausgedehnt, dass an Frontalschnitten der Schmelzkeim des 13 oberflächlich vom hintern
Ende des Id 2 auftritt, mit ändern Worten: die Wurzel des Id 2 hat sich gebildet. Der Schmelzkeim
des 13 steht auf der Grenze zwischen dem kappen- und glockenförmigen Stadium und Zahnkeim
sowie Zahnsack sind deutlich differenzirt; an der lingualen Peripherie des letztgenannten
Schmelzkeimes ragt das tiefe Ende der Schmelzleiste frei hervor (Fig. 22), was hier besonders
zu beachten ist, da es sich um einen persistí renden Zahn handelt; auf die Bedeutung
dieses Befundes werden wir später zurückkommen.
C und P3 stehen auf derselben Entwicklungsstufe wie 13.
Am Pd4, welcher etwa auf, derselben Entwicklungsstufe wie Id 2 steht, erhält man
Bilder, welche der bekannten Figur 502 bei K ölliker (II) sehr ähneln: das Schmelzleistenende
ist deutlich angeschwollen und von verdichtetem Bindegewebe umgeben; es ist P4, welcher sich
noch immer auf dem knospenförmigen Stadium befindet (Fig. 23); vergleiche hiermit Fig. 15,
welche dasselbe Gebilde auf dem nächst frühem Stadium darstellt.
Neben dem hintern Ende des Pd4 ist die Schmelzleiste wenig tief und steht, was an
mehreren Stellen des vordem Kiefertheiles nicht der Fall ist, mit dem Mundhöhlenepithel in —
allerdings ziemlich lockerer — Verbindung (Fig. 17). An der freien Kante der Schmelzleiste
entwickelt sich ein kleiner Schmelzkeim in folgender Weise: während der tiefste Theil der Kante
so gut wie unverändert bleibt, verbreitert die Kante sie sich durch Zellenwucherung etwas
oberflächlich von der Spitze an der labialen Fläche: hierdurch erhält man auf dem Frontalschnitte
das Bild eines kappenförmigen Schmelzkeimes, bei dem der linguale Schenkel durch die
unverändert gebliebene Spitze der Schmelzleiste, der labiale durch Neubildung entstanden ist;
besonders in der Peripherie des lingualen Schenkels ist die Zahnsackbildung deutlich (Fig. 18, 19).
Dass dieser Schmelzkeim, welcher somit lingualwärts und oberflächlich vom hintern Ende des
Pd4 auftritt, und in Folge dessen bei nicht weiterer Verfolgung der Entwicklung wohl als die
Anlage des P 4 angesehen werden könnte, nichts mit dem letztgenannten Zahne zu thun hat,
geht aus der Untersuchung des nächsten Stadiums hervor.
Ich möchte diesen Befund dem von B aume bei einem 18 Cmtr. langen Schweinsembryo
geschilderten und in seiner Fig. 37 wiedergegebenen Gebilde an die Seite stellen. B. spricht sich
hierüber folgendermassen aus (pag. 74): „Bei bl ist die erste und für lange Zeit einzige Zahnanlage
in diesem Kiefer zu sehen. Man kann Embryonen bis zu 22 Cmtr. Länge untersuchen ohne dass
man Spuren weiterer Anlagen von bleibenden Zähnen wie in Fig. 37 bl zu sehen bekommt. Jedenfalls
handelt es hier um einen in seiner Entwicklung weit vorauseilenden Zahn, welcher wesentlich
früher angelegt wird, als alle ändern“. B aume scheint nun vornehmlich auf diesen Befund seine
Behauptung zu stützen, dass die bleibenden Zähne sich aus „noch übrig gebliebenen Resten“ der
Schmelzleiste, welche thatsächlich niemals an der Bildung der Milchzähne betheiligt gewesen sind,
entwickeln. Auffallend muss es dabei erscheinen, dass B. weder angiebt, zu welchem Ersatzzahn
sich jener Schmelzkeim entwickeln solle, noch nachzuweisen versucht hat, dass die Zahnanlagen
der Ersatzzähne, wie er sie auf Fig. 38—40 von Katze und Hund abbildet, aus einem solchen