stand der Empfänglichkeit gebracht sind. Ein solcher Zustand kann aber bei anderen Geschöpfen
sehr wohl als dauernd bestehend gedacht werden, und hierdurch könnte auch Wasser schmeckbar werden.
Bei dieser für ein Tier wie den Regenwurm so wichtigen Empfindung, welche ihm die Feuchtigkeit
verursacht, werden voraussichtlich Geschmackssinn, Temperatur- und Tastsinn Zusammenwirken;
während aber bei Menschen die Mischempfindung, welche ihm diese drei Sinne von dem im Munde befindlichen
Wasser übermitteln, durch dreierlei verschiedenen Sinnesorgane vermittelt wird, hat der
Regenwurm, so nehme ich an, für alle diese drei Sinne gemeinsame Organe. Die Eigenschaften
des Feuchten werden jede in ihrer Weise die Organe erregen, und diese Summe von Erregungen wird
gewohnheitsgemäss als Empfindung des Feuchten gedeutet werden. Eine solche Annahme scheint mir
besser und zwangloser, als die, dass die nachgewiesenen Äusserungen von Schmeckvermögen mehr
ein z u fä llig e r Be fund wären, dass die Organe, die sonst dem Tastsinne dienten, z u fä llig auch
die Fähigkeit hätten, chemische Reize zu percipieren, wie unser Auge „zufällig“ die Eigenschaft hat,
bei mechanischer Reizung durch Schlag oder Stoss Licht zu empfinden. Als ich von der Wahrnehmung
der Feuchtigkeit durch Hautsinnesorgane sprach, habe ich damit nur ein Beispiel herausgegriffen, um
zu zeigen, dass es auch Erregungsmittel für den Geschmackssinn geben kann, welche ausserhalb unserer
gewohnten und vielbesprochenen vier Geschmacksqualitäten süss, sauer, bitter, salzig liegen. Es wird
gewiss noch manche anderen Einwirkungsarten der Aussenwelt auf das Tier geben, die zwischen den
Sinnen, die wir unterscheiden, in der Mitte liegen, und demgemäss Mischempfindungen erzeugen. In
diesen Gebieten wird die Hauptwirksamkeit der Wechselsinnesorgane liegen.
Als eine gewissermassen zufällige Eigenschaft der Hautsinnesorgane des Regenwurms müssen
wir es bezeichnen, dass sie Empfindlichkeit für bittere und süsse Stoffe besitzen. Man kann wohl
sagen, dass ein freilebender Regenwurm kaum in die Lage kommen wird, mit bitteren oder süssen Substanzen
in Berührung zu kommen. Andererseits sind diese Stoffe, wie Strychnin, Chinin, Saccharin,
so ganz frei von gewebszerstörender Wirkung (vermöge deren sie zu den Tastorganen oder den
sensiblen Nerven direkt Vordringen und sie erregen könnten), dass man nicht umhin kann, anzunehmen,
es müssen Hautsinnesorgane vorhanden sein, welche die spezifische Eigenschaft haben, dass selbst
chemische Einflüsse geringster Energie in ihnen irgend eine Änderung bedingen. Dass die Bitterstoffe
in der ganzen Tierreihe eine so ausgesprochene Wirksamkeit auf einen Teil der Sinnesepithelien auszuüben
vermögen, ist um so auffallender, als wir gar nicht wissen, welcher chemischen Eigentümlichkeit
sie diese Eigenschaft verdanken. Von der Aufklärung dieser chemischen Frage sind wir wohl
noch weit entfernt; immerhin ist es vorderhand von einigem Werte, die Thatsache zu konstatieren,
dass eine so weitgehende Übereinstimmung in den Stoffen besteht, welche von unserem menschlichen
und von dem tierischen Geschmackssinne wahrgenommen werden, .und dass Ausnahmen, wie ich sie an
anderem Orte (218) mitgeteilt habe, doch immer selten sind.
Die Sinnesepithelien des Regenwurms.
Über die Organe des Hautsinnes bei Lunibricus besitzen wir eine neuere ausführliche Arbeit,
auf welche ich wegen ihrer principiellen Wichtigkeit etwas näher eingehen muss (177). M. v. Len-
hoss6k untersuchte genannte Organe mit Hülfe des Golgi’schen Verfahrens, welches sich bei Wirbeltieren
so glänzend bewährt hatte. Das uns hier interessierende in Lenhossek’s Resultaten ist folgendes.
Am Aufbau der Epidermis beteiligen sich 1) Stützzellen, 2) Schleimzellen, 3) Nervenzellen. Die zwei
ersten Formen gehen in einander über und stellen nur verschiedene Phasen der sekretorischen Thätig-
keit dar. Die Nervenzellen „finden sich weder auf gewisse Gegenden beschränkt, noch an bestimmten
Stellen zu besonderen Sinnesorganen angehäuft, sondern erscheinen über alle Gebiete der Epidermis
gleichmässig verteilt“ (pg. 109). An ihrem basalen Pole zerfasern sich die Nervenzellen in eine Anzahl
feiner Ausläufer, die ihrer Bedeutung nach in zwei Kategorien zerfallen: 1) in protoplasmatische
Fortsätze oder Dendriten, £) den stets einfachen Nervenfortsatz.
Ein freies Auslaufen von Nervenfasern in der Haut neben der Endigung in Sinneszellen kommt
nicht vor. Über den Verlauf der Nervenfasern und die Deutung der Nervenzellen äussert sich Len-
h oss6k zusammenfassend, wie folgt (pg. 103): „Es stellte sich heraus, dass die sensiblen Nervenzellen,
d. h. die Elemente, die den Spinalganglienzellen der Wirbeltiere entsprechend, den sensiblen peripherischen
Fasern zum Ursprünge dienen, bei dem Regenwurm weder im Marke, noch in besonderen
Ganglien zu suchen sind, sondern dass sie in die Haut verlegt sind, an deren Zusammensetzung sie
beträchtlichen Anteil nehmen. Die sensiblen Fasern entspringen im Integument. Von hier aus streben
sie nach dem Marke hin, in dessen Dendritengewirr sie sich einsenken. Hier unterliegen sie in ähnlicher
Weise wie bei Wirbeltieren, sofort einer Y-förmigen Spaltung in einen auf- und absteigenden
Ast, welche unter streng longitudinalem Verlaufe, ohne sich weiter zu teilen oder Seitenästchen abzugeben,
im nächsten Ganglion mit freier Spitze auslaufen.“
Die aus der Sinneszelle hervorgehende Nervenfaser strebt nach der Gegend hin, wo die motorischen
Ganglienzellen angehäuft sind, zu denen sie dann Beziehungen eingeht (pg. 128). »Die Erkenntnis,
die uns die neuesten Forschungen am Nervensystem von Wirbeltieren und Wirbellosen vermittelt
haben, sowie auch vorliegende Erfahrungen lassen darüber keinen Zweifel übrig, dass d ie s e
B e z ie h u n g e n s te ts a ls e in fa c h e r K o n ta k t, d. h. als eine Berührung frei auslaufender Fasern
und Zellen resp. deren Dendriten und nicht etwa als direkte Verbindung aufzufassen seien. Wie für
Wirbeltiere, so gilt gewiss auch für Wirbellose das Gesetz, dass es k e in e N e rv e n fa s s e r g ib t,
w elche sic h an b e id e n E nden mit N e rv e n z e lle n verb än d e . Allen kommt vielmehr das
Verhalten zu, dass sie auf der einen Seite aus einer Nervenzelle entspringen, aus der sie auch ontpr
genetisch als deren verlängerter Fortsatz hervorgehen, und auf der anderen Seite frei endigen. Jene
epidermalen Nervenzellen sind demgemäss nicht als „„Nervenendzellen““ sondern als echte Ursprungszellen
von Nervenfasern aufzufassen.“
— (pg. 132). „Es ist nun von hohem Interesse, dass sich jenes ursprüngliche Verhalten an
zwei Stellen auch bei den höchsten Säugern und dem Menschen erhält; diese sind: Riechschleimhaut
und Geschmackspapillen.“ Die Riech- und Schmeckzellen stellen nach L e n h o s s c k echte periphere
Nervenzellen dar, vergleichbar den epidermalen Nervenzellen bei Lunibricus, und gehen wie diese
direkt in eine Nervenfaser über.
Diese hier von L e n h o s s e k gezogene Parallele, welche auch für die uns hier interessierende
Frage nach der Funktion der Hautsinnesorgane fruchtbar hätte werden können, hat sich nicht in ganzem
Umfange aufrecht erhalten lassen. Denn in einer neueren Mitteilung beschreibt Lenhossök die
Nervenendigung in den Geschmacksknospen der Wirbeltiere anders, und zwar übereinstimmend mit
C. A rn s te in und anderen Forschern, welche durch intravitale Methylenblaufärbung ihr Resultat erhalten
hatten. Nach dieser neueren Anschauung umspinnen die in feinen Verzweigungen endigenden
Nervenfasern die Geschmackszelle, ohne jedoch in diese einzutreten. Das würde einen bedeutenden
Unterschied gegen die Sinnesepithelien des Regenwurms ausmachen; so ist demnach L en h o ssek ’s
Untersuchung für die B e u rte ilu n g d e r F unk tio n der Hautsinnesorgane wertlos geblieben. Noch
in einem anderen Punkte ist das, was ich hier aus L en h o ss6 k ’s Arbeit citiert habe, nicht zutreffend.
Übereinstimmend berichten nämlich Mojsisowics und Vejdowsky, dass am Kopfe, besonders den