I. Die Leuchtorg-ane der Euphausiden.
a. Historischer Ueberblick.
„Leuchtkrebse“ werden die Eupbansiden mit um so grösserem Reckte benannt, als unter
den übrigen Malakostraken bisher nur wenige Vertreter bekannt wurden, welche ein phospho-
rescirendes Licht ausstrahlen. Es sind nunmehr 65 Jahre her, dass der Entdecker der Cirri-
pedienmetamorphose, nämlich Jo h n Vaughan T hompson, auf die prächtige Phosphorescenz der
Euphausien aufmerksam wurde und sie mit beredten Worten im dritten Kapitel seiner Zoological
researches (1828—1830) schilderte. Speziell von seiner Nocticula Banksii, welche offenbar zu der
Gattung Thysanopoäa M. Ed w. gehört, berichtet er: The motions of this animal were observed
tobe lively an d i t g a v e o u t b r i l l i a n t s c i n t i l l a t i o n s in th e d a rk wh en d is tu r b e d
(p. 55, Taf. V, Fig. 1). Thompson weist übrigens daraufhin, dass offenbar schon im verflossenen
Jahrhundert das Leuchtvermögen der Euphausien durch Sir Joseph B a n k s bei Gelegenheit seiner
Weltumsegelung mit S o la n d e r 1766—69 beobachtet wurde. Da mir zwar die Beschreibung
dieser Reise durch L. A B o u g a in v ille (Paris 1771), nicht aber der wissenschaftliche Bericht
(Supplément, ou journal d’un voyage autour du monde par MM. Banks et Solander, trad. de
l’Angl. par De Fréville, Paris 1772) zur Verfügung steht, so gebe ich die Diagnose des Astacus
(Cancer) fulgens, wie sie F a b r i c iu s in seinem Systema Entomologiae (Leipzig 1775, p. 415, 6)
entwirft :
Astacus fulgens; antenriis posticis bifidis, rostro brevissimo, subulato, pedibus simplicibus.
Habitat in Oceano Brasiliam alluente, n o c tu fu lg en s.
Mus. Banks.
Corpus parvum, albidum, subdiaphanum. Thorax oblongus, subcylindricus, postice trun-
eatus, antice terminatum in rostrum breve, subulatum, integrum. Pedes omnes simplices, octo
parium. Cauda foliis quin que.
Wie aus dieser Charakteristik hervorgeht, so bezieht sich die. Schilderung offenbar auf
eine Euphausie, und die Kopie, welche T. M a c a r tn e y vom Cancer fulgens gibt (Observations
upon Luminous Animais in: Philosoph. Transactions Roy. Soc. 1810, p. 262, Taf. 14 Fig. 1 und 2)
lässt keinen Zweifel, dass ein Vertreter der Gattung Euphausia oder Nyctiphanes vor liegt. Wir
sind demnach wohl im Rechte, wenn wir Sir R. B an k s als Entdecker des Leuchtvermögens bei
Schizopoden hinstellen.
Es ist merkwürdig, dass mit Ausnahme von D a n a (1852) eine lange Reihe von Jahren
hindurch kein Beobachter mehr des Leuchtvermögens der Euphausien Erwähnung thut, bis die
Naturforscher der Challenger-Expedition wieder auf dasselbe aufmerksam wurden und es auf
eigenartige Organe bezogen, welche freilich in der Zwischenzeit der Aufmerksamkeit mehrerer
Beobachter nicht entgangen waren. Da wir heutzutage mit Sicherheit wissen, dass die in sehr
verschiedenem Sinn beurtheilten Gebilde thatsächlick die das Licht entsendenden „Leuchtorgane“
repräsentiren, so mag hier kurz der früheren Angaben über dieselben gedacht werden.
D a n a schuf mit Rücksicht auf das brillante Leuchtvermögen den Gattungsnamen Euphausia
und erwähnt von ih r , dass sie eigenthümliche, roth pigmentirte Organe besitze. »The species
sometimes have a minute red globule near the base of four of the abdominal legs either side,
and also two other pairs in the cephalothorax near base of second and sixth pairs of legs. They
appear glassy under a lens, as if an eye; but we have been unable to assure ourselves of the
true nature of the organ.“ (1852 p a r ti, p. 640, Taf. 42 Fig. 4a.) Wie aus dieser Darstellung
ersichtlich ist, so taucht bei dem Entdecker der Leuchtorgane zum ersten Male die allerdings
mit Reserve geäusserte Vermuthung auf, dass es sich um accessorische Augen handeln möge.
Ihre Vertheilung schildert er am eingehendsten und durchaus zutreffend bei Euph. splendens (1. c.
p. 644), indem er hervorhebt, dass ausser den vier unpaaren, zwischen den vier ersten Pleopoden-
paaren gelegenen abdominalen Organen noch zwei paarige thorakale Organe an der Basis des
zweiten und sechsten Fusspaares auftreten. Zudem betont er noch ausdrücklich, dass ein rother
Pigmentfleck hinter der Retina in die Augenstiele eingebettet ist. Wir wissen jetzt, dass an
dieser Stelle die abweichend gestalteten Augenorgane gelegen sind. Dass D a n a übrigens das
Leuchtvermögen der Euphausien bekannt war, geht aus der Beschreibung von Eu. splenclens klar
hervor. „Several individuals were observed to emit light, and it was seen to come from the
anterior part of the cephalothorax. The light was intense and had a greenish tinge.“
Ich habe der Angaben von D a n a deshalb ausführlicher Erwähnung gethan, weil sie die
ersten sind, welche von bemerkenswertlien und nur den Euphausien zukommenden Organen berichten.
K r o y e r beobachtete sie bei Thysanopoäa inermis (1859 p. 294—295, Taf. V Fig. 24)
und hielt sie für Gehörorgane, während Semper (1862 p. 107) ohne Kenntniss von D ana’s Fund
sie gleichfalls bei Thysanopoäa studirte und als „einfache Augen, welche alle wesentlichen Merkmale
eines solchen Organes zeigen, Glaskörper, Linse, Pigmenthaut und Nerv“ deutete. Er hebt
weiterhin hervor, dass die abdominalen Organe beweglich sind.
Die eingehendste und von späteren Beobachtern nur wenig erweiterte Schilderung der in
Rede stehenden Organe gab C lau s (1863 p. 446 — 447). Er schliesst sich der Auffassung von
Semper an, indem er sie als Augen deutet, an denen er in Ergänzung der Semper’schen Beobachtungen
nicht nur einen becherförmigen Bulbus (den Reflektor), sondern vor allem auf ein
centrales „Stäbchenbündel“ aufmerksam macht, in welchem er die percipirenden Elemente vermuthet.
Der Auffassung, dass es sich um Augen handle, schliesst sich übrigens auch M. S a r s
(1863 p. 5 und 8—10) an, welcher kurz und zutreffend die Zahl und Lage der Organe bei Thysanopoäa
norvegica charakterisirt.')
Einen wesentlichen Fortschritt in der Erkenntniss des physiologischen Werthes dieser
Sinnesorgane bedeutet die Entdeckung von J. M u r r a y und G. O. S a r s , dass die vermeintlichen
i) nOrgana in ventre existunt octo sensitiva (haud dubie oculi simplices) sphaerica, cornea transparente semiglobosa,
ceterum laete purpureo pigmentata, intus lente discreta crystallina lenticulari. Haec organa in primo articulo
pedum thoracicorum secundi septimique paris et in medio ventre inter pedes abdominales qnattuor anteriorum parium
immersa sunt.“