Jedenfalls existirt eine continuirliche Verbindung der Scbmelzleisten beider Seiten, wenn auch
meine Präparate in Bezug auf diesen Punkt keine völlig beweisenden Bilder geben. Die tiefste
Epithelschicht ist noch nicht ganz so deutlich von den überliegenden Epithelzellen geschieden
d. h. ihre Zellen haben noch nicht die ausgeprägt cylindrische Form angenommen wie es auf
späteren Stadien der Fall ist, immerhin zeichnen die Zellen sich schon durch stärkere Aufnahme
des Carmins aus. Bemerkenswerth ist die bedeutende Verdickung des Ektoderms, welche unmittelbar
labialwärts vom Abgange der Schmelzleiste auftritt. Ausserdem verdient eine hier noch
ziemlich schwache, weiter hinten stärkere Furche, in dem dickern, labialwärts gelegenen Epithel-
theile des Kiefers Beachtung; dieselbe kann mit Rücksicht auf ihre spätere Bedeutung als
L ip p e n fu r c h e (Fig. 1) bezeichnet werden. Weiter hinten in der Gegend des ersten Schmelzkeimes
(siehe unten) wird diese Furche durch Epithelzellen ausgefüllt. Wie schon oben (pag. 7) erwähnt,
wird in den gebräuchlichen Hand- und Lehrbüchern ganz allgemein eine s. g. Z ah nfurche, welche
beim Auftreten der Schmelzleiste in der Gegend der letztem Vorkommen soll, beschrieben. Im
vorliegenden Stadium, also beim e r s t e n A u f t r e t e n der Schmelzleiste kommt nun bei Erinaceus
-— ebenso wie beim Menschen 9 nichts vor, was als eine solche Zahnfurche gedeutet werden
könnte, da die einzige Furche auf diesem Stadium die eben erwähnte Lippenfurche ist, welche
aber jedenfalls nichts mit der von ändern Autoren beschriebenen Zahnfurche zu thun hat. Letztere
ist bei Erinaceus wie: beim Menschen eine spätere Erscheinung, indem sie erst zusammen mit
dem Zahnwall (siehe unten) auftritt, von welchem — dem Verhalten bei den Wiederkäuern
entgegen (Kölliker I) — in diesem Stadium ebensowenig etwas vorhanden ist.
Nach hinten vertieft sich die Schmelzleiste allmählich und geht ununterbrochen durch
die ganze Länge des Kiefers.
Wie aus Fig. 1 ersichtlich, ist der Meckel’sche Knorpel nicht getroffen; dieser tr itt erst
weiter hinten auf. Die Schmelzleiste also reicht über den Meckel’sehen Knorpel nach vorne hinaus,
was nach S chwink (pag. 23) auch beim Schweine der Fall ist.
Erst in ziemlich grösser Entfernung von dem vordem Kieferende tr itt der erste Schmelzkeim,
dem Id 2 entsprechend, auf (Fig. 2). Er stellt eine einfache, durch Zellenwucherung entstandene
Anschwellung der Schmelzleiste dar: wir können dieses erste Hervortreten des Schmelzkeimes
als das k n o s p e n fö rm ig e S t a d i u m 1) bezeichnen. Auf dem in Fig. 2 abgebildeten Schnitt
ist der Schmelzkeim in seiner grössten Dimension getroffen worden. Die Rindenschicht desselben
wird sowohl bei Erinaceus als bei ändern Thieren in diesem Stadium von eben solchen cylindrischen
Zellen, wie sie in der tiefsten Schichte des Mundhöhlenepithels angetroffen werden, gebildet,
während die innem Zellen ebenso wie die oberflächlichen Mundhöhlenepithelzellen mehr rundlich
sind. Auf den vorgehenden Schnitten zeigen die Mesodermzellen, welche die Schmelzleiste un-
*) Um den Ausbildungsgrad des Schmelzkeimes ohne weitschweifige Umschreibungen kurz charakterisiren zu
können, unterscheide ich drei Entwicklungsstadien desselben: 1) das k n o sp eh fö rm ig e S ta d ium , welches die erste
Differenzirung des Schmelzkeimes als geringere oder stärkere Anschwellung der Schmelzleiste darstellt; 2) das k a p p e n -
fö rm ig e Stadium, auf welchem die knospenförmige Anlage durch den emporsprossenden Zahnkeim eingestülpt worden ist,
ohne sonst wesentlichere histologische Differenzirungen erlitten zu haben; 8) das g lo c k e n f ö rm ig e Stadium ist durch
die glockenförmige Form des Schmelzkeims mit der tiefem, von ihm umfassten Höhlung und durch die Differenzirung der
Zellen in ein äusseres und inneres Schmelzepithel sowie in die Schmelzpulpa ausgezeichnet. Mit diesem dritten Stadium
hat der Schmelzkeim den Culminationspunkt seiner Ausbildung erlangt; die Veränderungen, welche mit der Entstehung
der Hartgebilde einhergehen, leiten seine Rückbildung ein. Es braucht kaum ausdrücklich betont zu werden, dass keine
scharfe Grenze zwischen den drei von mir angenommenen Entwicklungsstadien zu ziehen ist, dieselben vielmehr nur gewählt
worden sind um eine kurze Benennung für einen gewissen Entwicklungsgrad zu haben.
mittelbar umgeben, keine Veränderung; erst in Folge der Ausbildung des Scbmelzkeimes tritt
ein Zusammendrängen der Mesodermzellen ein, die jedoch hier schon eine deutliche concentrische
Anordnung darbieten oder gar durch andere Gestalt von den gewöhnlichen Mesodermzellen
ab weichen, wie dies bei den den Meckel’sehen Knorpel umgebenden Zellen der Fall ist, welche
von länglicher Form und in concentrischen Ringen angeordnet sind.
Es folgen dann auf den nächsten Schnitten einige Schmelzkeime, welche ebenfalls auf dem
knospenförmigen Stadium stehen, aber kleiner als der vorhergehende sind. Dieselben stehen so
dicht hintereinander und sind so wenig scharf von einander abgegrenzt, dass ihre Anzahl auf
Frontalschnitten sich nicht ohne Schwierigkeit feststellen lässt, wogegen auf Sagittalschnitten sich
mit grösser Deutlichkeit drei Schmelzkeime erkennen lassen, welche 13, C und P3 entsprechen.
Der Schmelzkeim des P 3 weicht dadurch von den vorhergehenden ab, dass von seinem oberflächlichen.
Theile lateralwärts eine schwache Leiste abgeht (Fig. 3). An der Stelle, von welcher
diese Leiste abgeht, biegt sich auf den folgenden Schnitten, indem die Leiste allmählich verstreicht,
der Schmelzkeim winklig um und zwar so, dass das untere (tiefere) Ende schief lateralwärts
schaut. Hier ist die mechanische Einwirkung der eindringenden Ektodermwucherung auf
das Mesoderm in instructiver Weise ausgeprägt. Während nämlich die kleineren Schmelzkeime
keine merkbarere Veränderung in dem letztem hervorzurufen im Stande sind, werden hier die Mesodermzellen
ander untern Spitze und der m ed ian en , convexen Fläche des Schmelzkeimes — also
an jenen Punkten, wo der Druck am stärksten ist?S^ zu undeutlich concentrischen Reihen dicht an
einander gedrängt, während sie dagegen an der lateralen, also concaven Fläche keine erhebliche
Einwirkung erfahren haben (Fig. 4). K ölliker’s (I pag. 824) und T omes-H ollaender’s (pag. 93)
Angaben, dass die Zahnpapillen so ziemlich gleichzeitig mit den Schmelzorganen auftreten, lassen
sich nach den vorliegenden und ändern Beobachtungen nicht aufrecht halten. Dass jene Verdichtung
des Mesoderms an sich durchaus nicht immer die Anlage einer Zahnpapille oder eines
Zahnsäckchens zu sein braucht, dass sie vielmehr das rein mechanische Produkt des Eindringens
des Ektoderms ist, geht ausser aus den obigen Thatsachen auch aus dem Umstande
hervor, dass, wie schon B aume (pag. 66) beobachtet hat, nicht nur der Schmelzkeim, so n d e rn
au ch d ie S c hm e lz le is te , f a l l s sie g e n ü g e n d t i e f in d a s Mesoderm e in d r in g t,
vom v e r d i c h t e t e n M e so d e rm g ew eb e umgeben is t. Dies zeigt sich nämlich schon auf
den nachfolgenden Schnitten. Auf den hinter dem Schmelzkeim des P 3 folgenden Schnitten
wird die Schmelzleiste tiefer, was damit zusammenhängt, dass die gesammte, die Zahnanlagen
umschliessende Kieferpartie dicker geworden ist und sich über das Niveau des übrigen Kiefer-
theils erhoben hat (Fig. 5). Hier ist, wie schon erwähnt, der Druck, welcher die Ectoderm-
einstülpung auf das Mesoderm ausübt, so bedeutend, dass sich die Zellen des letztem am tiefen
Ende der Schmelzleiste verdichtet und theilweise sogar etwas abgeplattet haben.
Beim 14 mm langen Embryo (Stad. B) geht unmittelbar la b ia lw ä rts von der Basis der
Schmelzleiste auf der Strecke zwischen P3 und Pd4 ein starker Zapfen, resp. eine Knospe aus
(Fig. 51 x). Dass besagte Knospe als eine den Zahnanlagen angehörige Bildung zu betrachten
ist, kann mit Hinsicht auf später zu erwähnende Befunde nicht bezweifelt werden. Jedenfalls
hat diese Bildung nicht das geringste mit der Lippenfurche zu thun, da letztere lateralwärts
auf demselben Frontalschnitte unverkennbar vorhanden ist. B aume’s Behauptung (pag. 64), dass
die Schmelzseite „ganz in der Nähe der Lippenfurche, gewöhnlich von dieser“ ausgeht, sowie
R öse’s Beobachtung (T pag. 481), dass beim Menschen die Schmelz- und Lippenfurchenleiste aus