Auffassung ist später von R öse (I, IV) und B allowitz erweitert worden dass bei der Entwicklung
der scbmelzfübrenden Zähne dör untere Rand des Schmelzkeimes stetig weiter über die Schmelzregion
als s. g. E p ith e ls c h e id e herüberwuchert, entsprechend der Form der spätem Wurzel;
bei den immer wachsenden Zähnen der Nagethiere und Edentaten geht die Epithelscheide nicht
zu Grunde, sondern erhält sich zeitlebens an der Basis der Zahnpapille, von welchem Punkte der
Zahn während des ganzen Lebens nach wächst. Hierdurch wurde die Ansicht begründet, dass-die
Schmelzbildung nicht die einzige und wichtigste, ja kaum die primäre Aufgabe des Schmelzkeims
sein kann, sondern dass dieselbe vielmehr „die formbildende, das Wachsthum des Zahnes regu-
lirende ist, und somit die Matrize für die spätere, erst durch die Odontoblasten zu schaffende
Dentinmasse ist.“
Bezüglich des Verhaltens der Milch- und Ersatzzähne za einander während der Ontogenese
haben die neueren Untersuchungen ein von den altern Angaben wesentlich abweichendes Resultat
ergeben. W aldeyer — abgesehen von einer von ihm später verlassenen Darstellung und K ölliker
geben a n , dass „schon bei der ersten Anlage des Schmelzorganes an der medialen Seite
des letztem ein F o r t s a t z sich findet, der entweder vom Halse des Schmelzkeimes oder
auch von einer tieferen Partie desselben ausgeht und zum Schmelzorgan des bleibenden Zahnes
wird“ (W aldeyer pag. 350). H ertz glaubt bei Schweins-, Rinds- und Hundsembryonen ausser
der Entstehungsweise ans dem Halse des Schmelzorganes auch noch eine andere gefunden zu haben,
indem er „schon bei der ersten Anlage des primären Schmelzkeims (= Schmelzleiste) nicht eine
einfache Wucherung, sondern eine doppelte“ beobachtete, von welcher dann der „Schmelzkeim
sowohl für den Milch- als für den bleibenden Zahn hervorgeht. K ollmann, welcher die fraglichen
Verhältnisse bei Hund, Katze, Schwein und vorzugsweise beim Menschen untersuchte, weist den
letztgenannten von H ertz angenommenen Entwicklungsmodus zurück und schliesst sich zunächst
der Darstellung W aldeyer’s und K ölliker’s an. Wenn auch, nach einigen Aeusserungen zu ur-
theilen, der intime Zusammenhang zwischen Anlage des Ersatzzahns und der Schmelzleiste K ollmann
nicht entgangen war, so ist doch aus den genannten Arbeiten kaum eine andere Vorstellung
zu gewinnen, als dass der Schmelzkeim des Ersatzzahns in eine Art Abkömmlingsschaft zum
Schmelzkeim des Milchzahns steht, wie ja diese Auffassung auch unbeanstandet selbst in die
neuesten Hand- und Lehrbücher (wie S töhr’s Histologie und F lower-L ydekker’s Mammalia) übergegangen
ist. In nicht misszudeutender Weise wird auch in den neueren Originalarbeiten von
T omes-Holländer und Morgenstern diese Ansicht vertreten. Es ist unstreitig B aume’s Verdienst,
zuerst (1882) ausdrücklich^- und wie es scheint unabhängig von den in derselben Richtung
gehenden ältern Beobachtungen K ollmann’s — gegen die Auffassung von der Entstehung des Ersatzzahns
als Sprössling des Milchzahns aufgetreten zu sein und das von früheren Verfassern stets
als Schmelzkeim des bleibenden Zahns beschriebene Gebilde als das Ende der Schmelzleiste erkannt
zu haben. B aume, welcher mehrere Säugethiere untersucht hat, kommt zu dem Ergebniss,
dass kein Zahn der Abkömmling eines ändern is t, dass vielmehr alle Zahnanlagen von einer
gemeinsamen Primitivfalte abstammen. B aume schmälert aber wesentlich sein Verdienst durch
die Aufstellung der Behauptung, dass die von friihern Forschern als Schmelzkeime der Ersatzzähne
gedeuteten Theile niemals zur Ausbildung gelangen, sondern zu Grunde gehen. Die bleibenden
Zähne lässt B. „ziemlich nahe unter dem Zahnfleische aber an ganz anderer Stelle als die
vermeintlichen Zahnkeime“ aus Resten der Schmelzleiste entstehen. Trotz dieser und mancher
ändern ebenso unbegreiflichen Angaben hat B aume dasselbe in nicht zu unterschätzender Weise
die Ausbildung des fraglichen Forschungszweiges gefördert; konnte es doch 1883 von G egenbaür
als eine erste „genetisch zusammenhängende Darstellung“ des Zähnsystemes und als „im hohen
Grade anregend, die Erkenntniss und das Verständniss des Gebisses der Säugethiere fördernd“
bezeichnet werden.
P ouchet & Chabry, welche verschiedene Säugethiere untersuchen, wenden sich — unabhängig
von B aume, dessen Arbeit die französischen Forscher nicht g e k a n n t haben — ebenfalls
gegen die von den ältern Untersuchern vertretene Auffassung, dass die „pédicules secondaires“
Abkömmlinge der Schmelzorgane der Milchzähne seien und deuten dieselben als „prolongements
descendants de, la lame dentaire au niveau de ces organes“ (nämlich der „premiers organes adamantines
). Mittheilungen über die weitere Entwicklung der Ersatzzähne haben jedoch P ouchet
& Chabry nicht gemacht.
Die von B aume geltend gemachten Ansichten wurden zunächst von Schwink an Repräsentanten
einiger Säugethierordnungen einer Nachprüfung unterworfen. Nach S. ist allerdings
Baume s Annahme völlig begründet, dass die Milch- und Ersatzzähne sich nicht von einander
sondern neben einander entwickeln; er betont aber anderseits, dass der Schmelzkeim des Ersatzzahnes
sowohl mit der Schmelzleiste als auch mehr oder weniger direct mit dem Schmelzkeim des
Milchzahns zusammenhängt. B aume’s Annahme von der Entstehung der Ersatzzähne aus oberflächlichen
Epithelresten weist er zurück.
Vollständig lückenlose Schnittserien verschiedener Entwicklungsstadien vom Menschen
setzten R öse in den Stand, die hier besprochenen Beziehungen, was das fragliche Object betrifft,
in vortrefflicher Weise zu beleuchten. Die Anlage des- Schmelkeimes des Ersatzzahnes wird
ebenso wie bei den zuletzt angeführten Autoren als das tiefe Ende der Schmelzleiste aufgefasst,
welches bei dem Abschnürungsprocess der Milchzähne ungehindert weiter in die Tiefe wachsen
kann. Den oft als „Hals des Schmelzkeims“, bezeichneten Theil hat R. als „Verbindungsbrücke“
der Milchzähne mit der Leiste in morphologisch exakterer Weise aufgefasst. »Die Müchzähne
sitzen an der Zahnleiste in ähnlicher Weise wie Schwalbennester an einem Brette.“ Der Rück-
bildungsprocess der Zahnleiste vollzieht sich nach R. der Art, dass zuerst’ in der 24. Woche des
Embryonallebens im Bereiche der Vorderzähne die Zahnleiste zu einer vielfach siebartig durchlöcherten,
mit Zacken und Vorsprüngen versehenen Platte wird; neben den Backenzähnen ist sie
dagegen noch ganz glatt und wenig durchlöchert. Der freie Rand der Zahnleiste hat vom Anfang
an einen wellenförmigen Verlauf. „Die Milchzähne sitzen (in diesem Alter) vor und etwas
medial von den undurchlöcherten und verdickten Wellenbergen.“ Diese Verdickungen, welche
also den „sekundären Schmelzorganen der bleibenden Zähne“ bei K ö l l ik e r etc. entsprechen, umwachsen
allmählich die Zahnpapillen der bleibenden Zähne.
Mit diesen Vorgängen hängt die Frage nach der Entstehung der Molaren auf das Innigste
zusammen. Magitot lehrte,. dass beim Menschen der zweite Molar aus dem Halse des ersten,
der dritte in ähnlicher Weise aus dem zweiten hervorgehe. Nach K ollmann’s Untersuchungen
gehen dagegen aus dem Schmelzkeim des ersten Molaren die. beiden übrigen hervor. Wie wenig
Zutrauen oder Beachtung diesen Angaben zu Theil wurde, erhellt schon daraus, dass K ölliker
(III) noch 1880 behaupten konnte : „wie die Säckchen der drei letzten Backzähne sich entwickeln,
ist noch nicht untersucht; doch ist wahrscheinlich, dass dieselben ganz selbständig wie diejenigen
der Milchzähne aus dem hintersten Theile des primitiven Schmelzkeims sich entwickeln. “ Während
aber noch Morgenstern die Schmelzkeime des ersten und dritten Molaren direct aus der Schmelz-
Bib lio th e ca zoologica. Heft 17. 2