7. Die Bildung der Aunculanenrädchen.1)
Tafel IV.
Unsere Kenntnisse über Aie erste Anlage der Skelettheüe bei Echinodermeft im Allgemeinen
und bei den Aurieularien im Speziellen sind noob durchaus lückenhaft. Nachdem schon
Jo b . M ü lle r (4. Abh., 1851, p. 41) darauf hingewiesen hatte, dass die Kalkkörper der Auri-
oularien von Zellen abgeschieden werden, stellten die späteren Beobachter, so K ow a lew s k y
(1867) und M e ts c h n ik o f f (1869, p. 24) fest, dass die Bildungszellen für die Kalkkörper des
Ambulacralringes und des Madreporenköpfohens mesodermaler Herkunft sind und sich von den
Mesenchymzellen des Gallertkernes ableiten lassen, Kür die Kalkkörper der Holothuriehhäut
behauptete allerdings späterhin S e le n k a (1876): p. M9)~ einen ektodermalen Ursprung, ohne indessen
diese Ansicht durch eine histologische Analyse genauer zu begründen. Wenn sie auch
neuerdings wieder durch H é ro u a rd (1889, p. 551) aufgenommen wurde, insofern er einen Theil
der Kalkkörper von Cueumaria Planci in einkernigen hexagonalen Zellen der Epidermis entstehen
lässt, so glaube ich doch annehmen zu dürfen, dass Seifehka an seiner früheren Ansicht nicht
mehr festhält. In einer späteren Publikation wird nämlich von S e le n k a (1880:, p. 46) die Î0S1-
dung der Kalkkörper bei Larven von.Echiniden durchaus auf Rechnung eines Theiles der Meso-
dermzellen gesetzt. Er spricht sich über diesen Punkt folgendermassen aus: „Man kann deutlich
wahmehmen, wie innerhalb zweier lateral-symmetrisch gelagerter Zellen zuerst ein Kalkkörnchen
sich ablagert, wie jedes zu einem regelmässigen Dreistrahler auswächst und wie die skelettogene
Zffie Sich dann auf einen Strahl zurückzieht, «m unter steter Ablagerung von Kalksalzen (und
organischer Axensubstanz) an der weiterwachsenden Spitze sich fortzuschieben. Neue Mesoderm-
zellen lagern sich an und bewirken das Wachsthum der anderen beiden Strahlen, wieder andere
erzeugen die Seitenäste.“
Einen weiteren Fortschritt unserer Kenntnisse über die ersten Anlagen der Skelettheile
bahnen die Untersuchungen von Semon (1887, p. 290) an. Semon weist an Seeigellarven
(SProngylocmtrotus Iwiidus) nach, dass der Bildung des Dreistrahlers ein kleiner Tètraeder voràus-
geht, welcher innerhalb einer skelettogenen Zelle gelegen ist. Die Grundförmllji#^ die Kalkgebilde
ist demnach eine vierachsige, und erst secundär wird dieselbe dadurch in eine dreiachsige
übergeführt, dass um den Tetraeder ein Dreistrahler abgeschieden-viird. Der Dreistrahler mit
dem central gelegenen, später undeutlich werdenden Tetraeder tr itt nun, von einer homogenen
Schicht umhüllt, aus dem Zellenleibe aus. Wahrscheinlich geht die Bildungszelle nicht in den
homogenen Mantel auf, sondern sie betheiligt sich gemeinsam mit anderen um dén Dreistràhler
sich sammelnden Zellen an dem weiteren Aufbau des Skelettheiles.
Die Beobachtungen V o n Semon haben neuerdings in einer sorgfältigen Untersuchung
von T h é e l über die Entwicklung von Eckinocyamm pusiüus (1892, p. 36 88) insofern eine Bestätigung
erfahren, als ebenfalls ein Tetraeder beobachtet wurde, welcher den Ausgangspunkt
für die Bildung der Kalkskelettheile abgibt. Im Einzelnen lauten allerdings die Angaben von
T h é e l etwas abweichend. Die kalkbildenden Zellen zeigen ein feinkörniges Endoplasma, welches
:) Einen Auszug aus meinen früheren Beobachtungen habe ich im Zoologischen Anzeiger (1892, No. 408} veröffentlicht.
Die hier mitgetheilten erneuten Untersuchungen haben mich zu einigen von den früheren abweichenden Kcsul-
taten geführt.
ein oder mehrere Kalkgrannla einschliesst, und ein klares Ektoplasma, welches amöboide Be-
wegungen ansführt. Der -Tetraeder tr itt nun niemals im Endoplasma auf, sondern stets in dem
klaren Ektoplasma, und zwar erscheint er erst, wenn mindestens drei skelettogene Zellen sich zu
einem Häufchen versammelt haben. Das Ware Ektoplasma der genannten Zellen verschmilzt zu
einer hellen, organischen Grundsubstanz, innerhalb deren der Tetraeder offenbar dadurch entsteht,
dass die Kalkgranula des Endoplasmas, gelöst werden und die Baustoffe für den Tetraeder liefen.
Später wird der Tetraeder in einen Dreistrahler übergeführt, an dessen Yergrösserung sich das
Ektoplasma weiterer Zeilen betkoiligt.
Die Angaiiinfles neuesten Untcrsuohers. nämlich S e e lig e r's . (1893, p. 22.8), über die Entstellung
der SkelettheSe bei Crinoiden lauten sehr vorsichtig, da offenbar die Larven von Antcdon
bei, ihrer Undurchsichtigkeit wenig günstige Objekte abgeben. S e e iig e r fand als erste Anlage
eines Subbasale ein winziges Kalkkörporcher., das in einem bellen, von mehreren Mesenchymzellen
umgebenen Räume lag. Er vermuthet, dass es von einer dieser Zellen nach Art einer
cuticularen Seeretion aiisgeschieden wurde. Offenbar haben wir :es hier mit einem späteren Stadium
zu thun, das sich sowohl im Sinne T h d e l’s wie So 1:1 cr.’s deuten lässt.
Semo-äternun geneigt, ■ in dem zu einem Drei- resp. Vierstrahler f la c h s e n d e n Tetraeder
überhaupt den Ausgangspunkt, für sämmthohe: Skelettheile der Eehinodermen zu erblicken. Es
miiiikdcxdirsc Auffassung dann.auch den .Rückschluss gestatten, dass die einzelnen Kalkbildungen
das Produkt einer grösseren Zahl von Mesodermzellen repräsentiren. Der Tefpeäer ist indessen
als Vorläufer %*fkelettsfäckB bisher lediglich bei Echinidenlarven naehgewiesen wordene Wenn
wir nafjgiucli | | |h t in Abrede stellen wollen, dass, eh sich bei anderen Echmodermenklassen wird
anfflnden lassen, ste kann- dijäh andererseits nicht nachdrücklich genug betont werden, dass kein
Forscher auch Semon n ic h t— trotz aufmerksamen Suehens die Hautskelettstücke der Holothurien,
die Rädchen der Aurieularien und die Anker, nebst Ankerplatten der Synaptiden auf
einen gtetraedrischen Ausgangspunkt zurückzufühfBh vermochte. Nicht einmal ein Drei- resp.
Vierstrahler gibt die erste Anlage der Aurioularienrädchen resp. Synaptidenankpr ab,^ während
allerdings für die Kalkkörper der Dendroohiroten durch H ö ro u a rd (1887, p. ,8.75) eine X-för-
mige Anlage naehgewiesen wurde. So ist denn Semon der Ansicht, dass Her das ursprüngliche
Verhalten verwischt wurde und dass das Auftreten eines sechsstrahligSn Sternes, wie er die
Grundlage für viisl Kalkrädchen abgibtrleine Abkürzung des ursprünglichen Verhaltens bedeute.
Es ist ein eigen Ding um die Diskussion phylogenetischer Auffassungen auf einem Ge,
biete wo die positiven Angaben hojät so spärlich Hessen, g f a will mich deshalb damit begnügen,
auf die Thatsache Mnzuweisen, dass die Aurieularien offenbar primitive Larvenformen reprasen-
tiren , insofern der B&mutria. der .Seestarne ein Auricnlarienstadium vorausgeht (vergl. V-fgm
Wir kennen daher mit demselben Rechte, mit dem Semon die tetraedrisoh beginnenden Skelett-
theile als primitive betrachtet, a u c h dife charakteristischen Auricularienradchen als ursprüngliche
Gebilde in Anspruch nehmen. Rädchen geben auch zudem nach der Entdeckung von Joh. Müller
(1848, 1. Abth., Taf. VI, Fig. 9—12), welche durch L u dw ig für die Asteriden, durch Semon
(1887, p. 29-7!! für die OpMuriden und durch S h del. für d i e Echiniden. bestätigt wurde, die-Basis
für den Aufbau der Stacheln ab. Immerhin ist es mir fraglich, ob wir die Basalrädchen der
Stacheln ohne Weiteres: den Anrioularienrädchen in der Weise.-homologisiren dürfen, wie dies
neuerdings von D r e y e r (1882, p. 305) geschehen ist ■ freilich nicht, ohne dass eine Suppo-
sition auf die andere gepfropft wurde. Denn die Basalrädchen der Stacheln nehmen im Gegen