als einzellige "Wesen mit Lokomotionsfähigkeit und Universalsmnesorgan auffassen, nicht minder die
schwärmenden Gastrulalarven vieler Tiere, unter denen AmpMoms und die Tunioaten die höchsten
Vertreter darstellen dürften. Die veränderten Bedingungen , unter welchen der Wirbeltierkeim sich
entwickelt, bringen es mit sich, dass mit der freien Beweglichkeit auch die Gelegenheit zur Ausübung
von Sinnesthätigkeiten bedeutend zurücktritt. So findet man jetzt bei nur wenigen Tieren in der
Entwicklung deutlich den Zustand des U n iv e rs a ls in n e so rg a n e s beim Em b ry o neben ausgesprochen
sp e z ifisch d if fe re n z ie r te n S in n e so rg an en b e im fe rtig e n T ie re vor. Das
hindert nicht, dass wir diesen Entwicklungsgang als den in der Phylogenie durchlaufenen betrachten •
ist es dooh bei den anderen Organsystemen nicht weniger notwendig, die Vergleichung zahlreicher Tierklassen
zu Hilfe zu rufen, um ein lückenloses Abbild der Phylogenie in der Ontogenie wiederzufinden.
Indem ich nun im folgenden darauf ausgehe, nachzuweisen, dass zwischen Universalsinnesorgan
und spezifischem Sinnesorgan sich phylogenetisch ein Zwischenglied einschieht, das von mir sogenannte
Wechselsinnesorgan, ist es zunäohst unumgänglich, in kurzem den hauptsächlichsten Unterschied zwischen
jenen beiden Endgliedern der Reihe zu charakterisieren. Vor allem wird es darauf ankommen, Sie
Frage zu erörtern, was dem spezifischen Sinnesorgane seine spezifischen Eigenschaften im Gegensatz
zu dem universalen Organe verleiht.
Das zunächst in die Augen fallende an den spezifischen Sinnesorganen ist die Thatsache, dass
heterologe Reize in der Mehrzahl der Fälle wirkungslos sind-, T.iclitwellen in grösster Intensität werden
vom Ohre oder der Nase niemals wahrgenommen, Schallwellen oder Gerüche nie vom Auge u. s. f.
Und doch sind die percipierenden Elemente jedes Sinnesorgans protoplasmatische Gebilde, von welchen
man sonst gewohnt ist anzunehmen, dass sie nicht nur auf eine Reizart, sondern auf eine Mehrzahl von
Reizen zu reagieren pflegen. Isolierte . lebende Zellen reagieren im allgemeinen, auf mechanische,
chemische, thermische, elektrische und Licht-Einflüsse, wenn auch auf die verschiedenen Kräfte in
ungleichem Masse. Niemals aber findet man, dass eine isolierte Zelle nur ei n er Reizqualität gegenüber
empfänglich ist, und gegen alle anderen siqh gleichgiltig und unempfänglich verhält.
Nun ist ja zunächst in einigen Fällen die Art und Weise ganz klar, wie es bewirkt wird, dass
nur eine'Reizqualität in einem Sinnesorgan zur Geltung kommt. Nehmen wir z. B. das Ohr, so ist
ohne weiteres verständlich, dass zu dem in ihm enthaltenen Nervenendapparate unter normalen Verhältnissen,
d. h. bei unverletztem Organe, nur Erschütterungswellen der Luft oder des Schädels gelangen
können, während Gerüche, Geschmäcke, Lichteinwirkungen und selbst Temperatureinflüsse'
vollständig ausgeschlossen sind. Andererseits können die in eine gleichförmige Schleimhaut eingebetteten
Endorgane der Riech- und Schmecknerven, wie auch die empfindenden Elemente der Retina nicht
von Schallwellen, erstere auch nur schwer von Liehtwellen getroffen werden.
Auf der anderen Seite wirkt der optische Apparat des Auges daraufhin, dass die inbeliebiger
Richtung ins Auge einfallenden Strahlen auf der Netzhaut sich vereinigen, die Durchsichtigkeit seiner
Medien ist geeignet, möglichst den Lichtstrahlen den Durchgang zu gewähren. Das Trommelfell, die
Gehörknöchelchen und die Endolymphe sind in einer in die Augen springenden Weise dazu geeignet,
selbst die feinsten Tonschwingungen dem Hörnerven zuzuleiten. Der versteckt liegenden Riechschleimhaut
werden infolge der Konfiguration der Nasenhöhle die riechenden Dünste mit der Atemluft zugeführt,
die Gesohmacksknospen. haben Gelegenheit mit den in den Spalten der Papillae imUatae und
foliatae stagnierenden Flüssigkeiten in ausgiebigste Berührung zu treten und sie hierbei auf ihren
Geschmack zu prüfen.
Die bisher aufgezählten Beispiele betrafen lauter ziemlich klar liegende Verhältnisse, indem
die in Rede stehenden Arten von Sinnesreizen immer ganz ungleiche Wirkungsbedingungen hatten.
Schwieriger wird die Sache, wenn wir zwei Reize betrachten, welche ungefähr die gleichen Wirkungsbedingungen
haben. Einen solchen Fall finden wir schon im menschlichen Geruchs- und Geschmacksorgan
: Die Riech- und Schmecknervenendigungen sind, wie man doch annehmen muss, der Einwirkung
der thermischen Eigenschaften des sie berührenden Mediums (Luft bezw. Flüssigkeiten) ebenso ausgesetzt,
wie derjenigen der chemischen Eigenschaften, des Geruchs und Geschmacks. Es ist eine
Eigenschaft der in die Nase strömenden Luft, dass sie zuweilen Gerüche mit sich führt, es ist aber
nicht minder eine Eigenschaft derselben, dass sie eine bestimmte Temperatur hat, die in vielen Fällen
von der Eigentemperatur der Riechschleimhaut weit abweicht. Auf anderen Schleimhäuten wird diese
Temperaturdifferenz mit Sicherheit als solche erkannt. Erkannt wird sie nun zwar auch auf der Zunge
und vielleicht auch auf der Riechschleimhaut (erwiesen ist letzteres meines Wissens nicht). Es entspricht
jedoch der allgemeinen Annahme, die Wahrnehmung der Temperaturdifferenz auf der Zunge,
ebenso wie das Tastvermögen der ganzen Oberfläche dieses Organes als an besondere, von den Schmecknerven
verschiedenen Nerven (Trigemirvus) bez. Nervenendorgane geknüpft zu betrachten. Erwiesen ist
dies indessen keineswegs, ebensowenig wie die Trennung der Empfindungsorgane der übrigen Schleimhäute
in Tast- und Temperaturorgane. Ich enthalte mich in dieser Hinsicht jeder Hypothese, da das
vorliegende Thatsachenmaterial viel zu dürftig ist.
Man versucht ja auch bekanntlich neuerdings, nicht nur die Modalitäten der Empfindung,
die einzelnen Sinne, sondern sogar die Qualitäten, welche sich innerhalb der einzelnen Sinne unterscheiden
lassen, als durch spezifische Verschiedenheit der percipierenden Organe geschieden hinzustellen.
So hat man den Temperatursinn in zwei Hälften zerspalten, Kälte- und Wärmesinn, welchen getrennte
Nerven und Endorgane zukommen sollten (Herzen, Goldscheider). Diese Trennung ist, wie auch
Dessoir hervorhebt, keine glückliche und jedenfalls fehlt es am Beweis für ihre Richtigkeit.
Hj. Ohr wall (22-5) hat den Geschmackssinn in vier durch spezifische Energieen geschiedene
Qualitäten gespalten, welche an besondere Endorgane gebunden sein sollten. Abgesehen davon, dass
eine Bestätigung der Öhrwall’schen Versuche von anderer Seite bis jetzt fehlt, scheint mir auch die
Untersuchung des genannten Autors nicht so ganz überzeugend. Es müssten sehr starke Beweisgründe
sein, die in dieser Frage das letzte Wort sprechen liesseu, denn eine Thatsache steht schwerwiegend
der Annahme O h rw a ll’s entgegen, das ist die Vergleichung mit dem Geruchssinn: Es is t kaum
d e n k b a r , dass alle die e in z e ln e n G e ru c h sq u a litä te n d u rch b e s tim m te , sp e z ifisch
von e in a n d e r u n te r s c h ie d e n e E n d a p p a ra te in der R ie c h sch le im h au t e rk a n n t werden.
Dazu ist erstens die Zahl der unterscheidbaren Gerüche zu gross und zweitens ist die Annahme
desshalb nicht zu halten, weil sie eine ganz sonderbare Konsequenz hätte: Eine ganze Menge
der heutzutage bekannten Gerüche ist uns erst durch die moderne Chemie bekannt geworden; für
diese alle aber, deren viele von den altbekannten wesentlich abweichen, müssten spezifische Empfindungsorgane
von jeher gebildet sein; denn wenn ein Mensch, der eine solche Substanz nie zuvor
kennen gelernt, an einer Probe derselben riecht, erkennt er sofort, dass sie einen spezifischen, von
allen bisher ihm bekannten abweichenden Geruch hat. Ein Beispiel: wie viele Menschen giebt es,
die niemals den äusserst charakteristischen Geruch des Camphers, des Terpentinöls, des Petroleums,
der Vanille gerochen haben, und dann zu irgend einer Zeit ihres Lebens ihn zum ersten Male riechen.
Wenn es sich um halbwegs aufgeweckte Menschen handelt, so werden sie binnen kurzem imstande
sein, diese Gerüche mit Sicherheit von einander und von den bisher bekannten zu unterscheiden.
Sollten in der Riechschleimhaut dieser Menschen vanilleempfindliche, campherempfindliche Zellen u. s. w.