wegea der relativ versteckten Lage der Streifen sieh zur Untersuchung weit weniger eignet,
als die Synapta-Laiven. Zudem dürfte eine feinere Kenntniss des histologischen Baues weniger
durch die Schnittmethode (welche Semon anwendete); r - denn durch Maceration der Elemente
zu erzielen sein. Ich mochte indessen das kostbare Material weder zu Schnitten noch zur Maceration
verwerthen. Ich will mich deshalb auch nicht in Betrachtungen über die Erage ergehen,
ob das^ larvale Nervensystem ein Organsystem sui generis abgibt, oder ob es den Nervenring des
ausgebildeten ^Thieres liefert. Seitdem die Beispiele sich mehren, dass den Larven niederer
Wirbellosen ein Nervensystem zukommt, welches durch eine spätere Neubildung substituirt wird,
dürfte die erstere Annahme um so mehr an Wahrscheinlichkeit gewinnen, als S e e lig e r durch
seine sorgfältige Untersuchung der Comafefo-Entwicklung (1893. p. 343) zur Ueberzeugung gelangt
ist, dass der Nervenring sich unabhängig vom larvalen Nervensystem anlege. Zudem hat
auch bei den Auricularien M e ts c h n ik o f f (1884, p. 46) einen direkten Zusammenhang zwischen
larvalem und definitivem Nervensystem in Abrede gestellt (wenigstens soweit die Nervenfasern
m Betracht kommen), während er allerdings von Semon (1888, p. 205) angenommen wird.
3. Die Mundbucht und die orale Wimperschnur.
Die Mundbucht oder „Mundkuppel8, wie sie Semon (1891, p. 21) nannte, ist bei Auri-
cidaria nudibranchiata ziemlich complicirt gestaltet. Wenn wir zunächst als Mundrand im engeren
Sinne jenen Abschnitt des Mundfeldes bezeichnen, welcher voll :dem vorderen und hinteren Ven-
traltheil der aboralen Wimperschnur in nach vorn convexem Bogen umsäumt wird, so ergibt die
Seitenansicht jüngerer Larven (Taf. III, Fig. 1 und 3, Taf. IV, F i g f i , dass die Körpergallerte
nach Art von Lippen den Mundrand überdacht. Wir können demgemäss das vordere Gallertdach
als Oberlippe (Taf. IV, Fig. 1, la. su), das hintere als Unterlippe (la. inf.) bezeichnen. Die
Oberlippe zieht sich weiterhin in seitliche Gallertsäume aus, welche als Mundsegel (velrnn, Taf. III,
Fig. 1 u. 3 ve) gegen den Rand des vorderen ventralen Wimpersaums verstreichejftund dadurch nicht
nur zur Ueberdachung der Mundöffnung, sondern auch des. vorderen Abschnittes der Mundrinne
b'eitragen. An dem schematischen Querschnitt durch die Vorderregion des Larvenkörpers (Holzschnitt
2) habe ich diese bisher bei keiner Auricularie beobachteten Mundsegel angedeutet. •
Der Uebergang der Mundrinne in den Vorderdarm wird weiterhin durch eine Furche
markirt, welche hinter- der Unterlippe parallel zu der Bogenkrümmung des hinteren Ventralabschnittes
der Wimperschnur verstreicht (Taf. IV, Fig. 1, o‘). Sie ist ziemlich tief bei jüngeren
Larven, flacher hingegen bei älteren.
Die grössten Larven verhalten sich bezüglich der Gestaltung der Mundbucht nur insofern
verschieden von den jüngeren, als die Oberlippe viel tiefer über die Mundspalte sioh herabsenkt
(Taf. IV, Fig. 2),
Em wesentliches Verdienst um die Morphologie der Auricularien hat sioh Semon dadurch
erworben, dass er auf das Vorkommen einer von der aboralen Wimperschnur unabhängigen
„adoralen Wimperschnur“ hinwies, welche speziell den Mundeingang umsäumt. Wie L u dw ig
indessen bemerkt (1891, p. 266), so sind Theile der o ra le n W im p e r s c h n u r (ich gebrauche
den kürzeren Ausdruck „oral“, weil er schon hinreichend den Gegensatz zu „äboral“ andeutet)
bereits von Joh. Müller (1850) und späterhin von Me tschnikoff (1869) und S e le n k a (1883).
gesehen worden. Immerhin hat Semon den Sachverhalt zuerst richtig erkannt und zudem den
Versuch unternommen, die orale Wimperschnur mit ähnlichen Bildungen bei den Larven der
Ophiuriden und Echiniden zu homologisiren. Allerdings griff er anfänglich insofern fehl, als er
(1888, p. 185) die das präorale Feld bei Asteridenlarven umsäumende Schnur der Oralschnur von
Auricularien homologisirte. Späterhin (1891, p. 18) überzeugte er sich, dass den Seesternlarven
ein Auricularienstadium zukommt, insofern die Präoralschnur erst secundär den Verband mit der
postoralen Schnur aufgibt. Dagegen zeigt die orale Schnur bei den Pluteuslarven der Ophiufiden
und Echiniden, sowie bei den Bipinnarien Verhältnisse, welche fast vollkommen mit jenen der
Auricularien übereinstimmen.
Die orale Wimperschnur der in so vieler Hinsicht eigenartig gestalteten Auricularia nudi-
branchiata fügt sich zwar in ihrem Verlaufe dem allgemein gütigen Schema, zeigt aber doch
manche für unsere Larve typische Eigenthümlichkeiten. Sie ist breiter als die aborale Schnur
und schwärzt sich bei Osmiumbehandlung nicht so intensiv wie die letztere. Sie umsäumt gemeinschaftlich
mit dem vorderen Ventralabschnitt der aboralen Schnur bogenförmig den vorderen
Theil der Mundbucht und entsendet dorsalwärts zwei Ausläufer, welche in weitem Bogen auf die
Ventralfläche des Vorderdarms convergirend übertreten und fast bis zum Beginn des Mitteldarms
reichen (Taf. HE, Fig. 1, 3, 4, Taf. IV, Fig. 1, 2 1. oes). Da sie gegen das Lumen des Vorderdarms
vorspringen, so bedingen sie, wie Joh. M ü lle r bereits bemerkte, das hasenschartenähnliche
Aussehen desselben (Taf. I, Fig. 2, oes.). Diese Schenkel enden blind, ohne sich zu einer
Schleife im G-runde des Vorderdarms zu vereinigen. Dazu gesellen sich nun noch als besondere
Auszeichnung für unsere Auricularia nudibranchiata zwei enorm lang ausgezogene Seitenschenkel,
welche nach hinten in das rinnenförmige Mundfeld übertreten und den vorderen Ventraltheil der
aboralen Wimperschnur bis zum Uebergang in die Seitenfelder begleiten (Taf. III, Fig. 1, 3,
Taf. IV, Fig. 1 u. 2 1. s.).
Wie die Abbüdungen auf Taf. HE und Taf. IV vielleicht besser als Worte demonstriren,
so imponirt die orale Wimperschnur durch ihre unter den Echinodermenlarven einzig dastehende
mächtige Entfaltung. Dass sie für den Haushalt des Thieres eine jedenfalls wichtige Rolle spielt,
soll in den späteren Erörterungen noch auseinandergesetzt werden. Da uns hier zunächst nur ihr
morphologisches Verhalten interessirt, so sei noch auf einen Differenzpunkt von der Darstellung
S emon’s hingewiesen. Nach seinen Angaben vereinigen sich nämlich die beiden in den Vorderdarm
eintretenden Schenkel zu einer Schleife; die ganze orale Wimperschnur würde demgemäss
ein in sich geschlossenes Band repräsentiren. Da ich indessen bei Auricularia nudibranchiata stets
die Schenkel isolirt und nicht schleifenförmig in einander übergehend fand, so prüfte ich genauer
ihr Verhalten bei Synapta-'L&rven: Ich fand denn auch bei günstiger Lage der Larven die
Schenkel unvereinigt und glaube um so mehr, dass dies Verhalten ein allgemeines ist, als Semon
in seiner zweiten Publikation (1891; ohne freilich im Text darauf hinzuweisen) die Schenkel bei
einem von ihm auf Taf. IE, Fig. 3 abgebüdeten Echinidenpluteus unvereinigt darstellt. Semon
bezeichnet (1891, p. 19) weiterhin die zwischen den Schenkeln der oralen Wimperschlinge gelegene
nicht wimpernde Partie des Mundeingangs als Unterlippe; ich halte diese Bezeichnung für etwas
zu vag und habe daher die Benennung Unterlippe in anderem Sinne oben angewendet.
4. Die physiologische Bedeutung der oralen und aboralen Wimperschnüre.
Die ungewöhnlich üppige Entfaltung der oralen und aboralen Wimperschnüre legt die
Frage nahe, welche Bedeutung dieselben für den Haushalt der Larve besitzen. Auf den ersten
Blick möchte man es für eine miissige Speculation erklären, Erörterungen über den physiologi