
Felis domestica.
Frühere Untersuchungen.
Ich kann hier völlig von den zahlreichen Darstellungen des fertigen Milchgebisses ab-
sehen — schon R ousseau (I) giebt eine genaue Beschreibung desselben , da über dasselbe
nach der descriptiven Seite hin keine Meinungsverschiedenheiten bestehen.
Auch für Beobachtungen über die Entwicklung der Zähne ist die Katze mehrfach benutzt
worden; so von K ölliker (Ü) und B aume, welch letzterer mehrere Stadien beobachtet hat. In
vollständigerer Weise hat S chwink die Zahnentwicklung hei unserem Thiere untersucht. Ich
werde im Folgenden diese Mittheilungen zu berücksichtigen haben.
Eigene Untersuchungen.
Ich habe die [! r. 1 e rk i e i'cr folgender Stadien an Frontalechnitten ontersncht.
Stadium A: Fast reifer Embryo;
„• B: Neugeborenes Thier;
„ C: 8 Tage altes Thier.
Die Zahnformel der Unterkieferzähne ist:
Durch S chwink’s Untersuchungen (pag. 31) wissen wir, dass die Schmelzleiste bei den Carni-
voren eine ununterbrochene Epithelfalte bildet, und zwar stehen die beiderseitigen Schmelzkeime
sowohl oben wie unten in der Mediallinie mit einander in Verbindung. Aber schon wenn die
Schmelzkeime der Milchzähne sich differenzirt haben, ist die Schmelzleiste zwischen einigen derselben
rudimentär geworden. Bei Katzen-Embryonen von 15 Mm. Kopflänge sind nach S chwink
die Anlage der Ersatzzähne deutlich ausgeprägt.
Da hei den von mir untersuchten Thieren, auch hei den jüngsten, an allen Milchzähnen
bereits Hartgebilde entwickelt sind, so ist die Schmelzleiste in verschiedenem G-rade reduzirt
und hat nirgends mehr Zusammenhang mit dem Mundhöhlenepithel. Wir berücksichtigen dess-
halb hier nur die Entwicklungsverhältnisse der Ersatzzähne.
Beim neugeborenen Thiere stehen die Schmelzkeime der J noch auf dem knospenförmigen
Stadium, während sie beim achttägigen Individuum eben erst das kappenförmige erreicht haben.
C eilt allen übrigen Ersatzzähnen in der Entwicklung weit voraus. So steht er schon
beim Embryo A auf dem Anfang des glockenförmigen Stadiums, und hat die Partie der Schmelzleiste,
an deren Ende er sich entwickelt, noch einen (wenn auch nur wenige Schnitte reichenden)
Zusammenhang mit dem Schmelzkeim des Cd bewahrt (Fig. 58). Dieser Befund bekräftigt
somit zunächst die Richtigkeit der von K ölliker (II Fig. 502) gegebenen Zeichnung, welche
jedenfalls'! dieselben Zähne aber bei einem etwas jüngeren Embryo darstellt und desshalb sowohl
eine vollständigere Schmelzleiste als auch einen breitem Zusammenhang zwischen letzterer
und dem Schmelzkeim des Milchzahnes zeigt. Zugleich widerlegt dieser Befund, da, wie wir
sehen werden, die spätem Stadien die Deutung des Schmelzkeims als Anlage des C ausser Frage
stellen, die mit grösser Sicherheit vorgetragenen Behauptungen B aume’s , dass ein Verbindungsstrang
des Milchzahnes mit dem bleibenden Zahn auf dieser Entwicklungsstufe der Zähne nicht
existirt2), und dass sich die von früheren Forschern als Schmelzkeime der Ersatzzähne erklärten
Gebilde allmählig auflösen. B aume’s Behauptung in diesem Punkte ist um so eigentümlicher,
als er dasselbe Object (Katze) untersucht hat. Bei Erinaceus (siehe oben pag. 27) haben wir
gesehen, dass Reste des besagten Verbindungsstranges noch länger bestehen können. Dass aber
ein solcher Verbindungsstrang zwischen der Schmelzleiste des Schmelzkeims des Ersatzzahnes und
dem Schmelzkeim des Milchzahnes keineswegs immer auf diesem Entwicklungsstadium existirt,
oder exakter ausgedrückt: d a s s d e r Schm e lzk e im des M ilc h z a h n e s a u f diesem S t a dium
d e r Z a h n a u s b ild u n g (d. h. bei so weit vorgeschrittener Ausbildung des Ersatzzahnes)
sich schon v o lls tä n d ig von d e r S c hm e lz le is te a b g e s c h n ü r t haben kann, geht aus
den gleich zu erwähnenden Befunden bei den Prämolaren hervor.
Kehren wir zum C zurück, so finden wir ■ bei der neugebornen Katze (B) den Schmelzkeim
desselben auf dem glockenförmigen Stadium aber in derselben Lage in Bezug auf Cd wie
beim Stadium A (Fig. 59, 60); gegen die Mitte des Schmelzkeimes C wird die Schmelzleiste stetig
kürzer (Fig. GQ) und ist über dem hintern Theil des C gänzlich verschwunden. Bei dem achttägigen
Jungen sind schon die Hartgebilde bei C weit entwickelt; dieser steht aber noch immer
mit der ziemlich dicken Schmelzleiste in Verbindung, wenn auch die Ablösung schon eingeleitet
ist (Fig. 61). Wenn nun B aume an der Anlage eines Ersatzzahnes einer fünf Tage alten Katze,
keine Schmelzleiste mehr fand, so kann dies nur einem Uebersehen B aume’s zugeschrieben werden.
Da, wie ich bereits erwähnt habe, die Ausbildung des C allen ändern Ersatzzähnen vorauseilt
und bei dem acht Tage alten Thiere kein anderer Zahn eine so hohe Entwicklungsstufe erreicht
wie der von B aume auf Fig. 40 (89) abgebildete Keim einer fünf Tage alten Katze, so kann
man mit Zuversicht schliessen, dass jener Zahn n ic h t, wie B. will3), einem der mittleren Scbneide-
*) KÖLLIKER giebt nicht an, welche Zähne seine Zeichnung darstellt.
2) Baume sagt hierüber pag. 74: „Die Autoren, welche hier einen Yerbindungsstrang abbilden, haben sich nicht
recht orientirt. Ein dunkler Saum, wie wir ihn stets in der Umgebung der Zahnanlagen finden, täuscht sehr leicht einen
Zusammenhang mit dem Mundhöhlenepithel in Form eines Verbindungsstianges vor. Dieser Saum erweist sich aber bei
genauerer Betrachtung nicht als Epithel, sondern als verdichtetes Bindegewebe der Umgebung. Das verdichtete Bindegewebe
ist die Fehlerquelle für die Behauptung, nach welcher der bleibende Zahn vom .Yerbindungsstrang1 des Milchzahnes
ausgehen soll“.
8) Vergleiche! Baume pag. 239: „Auch wenn man sich nicht über die Lage des Schnittes, welchen Figur 89
veranschaulicht, orientirt hätte, müsste man folgern, dass er nahe der Mittellinie entnommen sei, denn die vorderen Inci-
siven brechen zu allererst durch. Folglich müssen die nahezu fertigen Zähne diesen entsprechen. Ich habe das that-
sächlich Schnitt für Schnitt untersucht“. -
Bibliotheca zoologica. Heft 17.