D ip te ra .
Nachdem ich die Coleoptera, Hymenoptera, Lepidoptera etwas ausführlich behandelt habe, will
ich die folgenden Ordnungen nur ganz kurz mit Bezug auf unsere Fragen berühren.
Versuche von H au s e r und besonders vonF o re l bestätigen, was von vorneherein nach den
histiologischen Untersuchungen P. H a y e r’s und anderer wahrscheinlich war, dass bei den Dipteren
die Fühler der Sitz des Geruchssinnes sind. Dass ein empfindliches Riechvermögen vorhanden ist,
steht ausser Zweifel.
Die Organe des Geruchssinnes sind G ru b e n k e g e l, ähnlich denjenigen der Schmetterlinge.
Den Diptera brachycera eigentümlich sind die grossen zusammengesetzten Gruben mit vielen Kegeln,
welche schon mehrfach beschrieben sind. Ich habe oben darauf hingewiesen, dass diese zusammengesetzten
Gruben, welche eine blasenförmige Einstülpung des Fühlers mit nur enger Mündung bilden,
zum Riechen eigentlich wenig geeignet scheinen, da die Gerüche schwer zu den perzipierenden Organen
hineindringen können. Erst die rasche Bewegung des Fliegens macht die Bedingung für Riechfunktion
dieser Gruben günstiger. Dass neben den zusammengesetzten Gruben noch kleine einfache Grubenkegel
sich finden, spricht nicht gerade gegen Riechfunktion eines der beiden Teile. Immerhin hat
sich mir bei Betrachtung der grossen Gruben, etwa an Eristalis tenax, die Überlegung aufgedrängt,
dass vielleicht diese Gruben mit den flaschenförmigen Gruben der Schmetterlingstaster in Beziehung
zu setzen seien. Hier wie dort scheint es mir der Überlegung wert, ob man nicht eher an Hör- als
an Riechapparate zu denken hat. Die Nervenendigungen in den Schmetterlingstastern halte ich zum
Riechen für gänzlich ungeeignet, bei den Dipterengruben möchte ich es im Zweifel lassen, da ich keine
Schnitte durch dieselben untersucht habe. Die einfachen Gruben sind bei den von mir untersuchten
Brachyceren so zahlreich, dass es nicht nötig erscheint, auch noch die grossen Gruben zu den Riechorganen
zu zählen.
Wenn man nicht darauf ausgeht, die Histiologie des nervösen Endapparates zu untersuchen,
sondern nur über Zahl und Anordnung der Sinnesorgane sich unterrichten will, erreicht man dies
wieder viel leichter und bequemer als durch mühsame Schnittserien durch die schon oben erwähnte
Methode der Entfärbung mit warmer Chrompikrinschwefelsäure, welehe gerade bei den Brachyceren
ausgezeichnete Resultate giebt. Die dunklen JiWsiafe-fühler sind in kurzer Zeit farblos und durchsichtig.
Betreffs der Fühler von T ip u la konnte ich die Angabe von vom R a th bestätigen, dass auf
dem zweiten und dritten Gliede sich zahlreiche einfache Gruben mit Kegel finden, auf den späteren
Gliedern immer weniger. Ganz ähnlich bei Ctenophora.
Bei Culex p ip ie n s x? fand ich an den buschigen Fühlern keine einzige Riechgrube, dagegen
auf der schlanken Verlängerung des Fühlers blasse gekrümmte Haare, zweifellos die Riechorgane
darstellend. Die Weibchen der Culiciden, welche uns in Sommernächten in unangenehmer
Weise daran erinnern, dass sie selbst in vollständig dunklem Zimmer unsere unbekleideten Körperteile zu
finden wissen, jedenfalls mit Hilfe des Geruches, besitzen dementsprechend recht zahlreiche Riechorgane,
weit zahlreichere als die Männchen, welche an den nächtlichen Beutezügen der Weibchen keinen Teil
nehmen. Die blassen gekrümmten Riechhaare, zwischen längeren zarten Fühlhaaren stehend, finden
sich beim Weibchen auf dem ganzen Fühler, beim Männchen nur auf dessen letzten Gliedern. Sie
sind so zart und blass, dass sie sich leicht der Beobachtung entziehen, besonders wenn die Fühler
in Canadabalsam liegen. In Fig. 66 habe ich derartige Riechhaare von Culex $ gezeichnet.
Erwähnen muss ich noch, dass die S chw in g k ö lb ch en oder H a lte re n der Dipteren als
Geruchsorgane ausgesprochen worden sind (Hicks), wohl desshalb, weil sie bei ihrer raschen Vibration
mit etwa in der Luft verteilten Riechstoffen besonders ausgiebig in Berührung kommen müssen. Heutzutage
ist diese Anschauung nicht mehr aufrecht zu erhalten, ebensowenig, glaube ich, die Deutung
der Halterensinnesorgane als Hörwcrkzeuge. Viel ansprechender scheint mir die Deutung Weinla
n d ’s, wonach diese sensiblen Apparate zur reflektorischen Steuerung des Fluges mithelfen.
Dipterenlarven.
Von diesen untersuchte ich experimentell und histiologisch die im Wasser lebende Larve und
Puppe von Culex pipiens. Der Erfolg chemischer Reizungen war gleich Null, die Tiere sind sehr
wenig empfindlich, sowohl gegen Gerüche wie gegen Geschmäcke. Dem entspricht es, dass ich an
diesen Tieren keine Stelle gefunden habe, welche Sinnesorgane trägt, die zur chemischen Sinnesthätig-
keit geeignet erscheinen könnten. Überall, speziell auch an den Fühlern, nur lange braungelbe Fühl-
haare. Der leitende Sinn scheint der Gesichtssinn zu sein.
Eine andere Dipterenlarve (S tratiomys) ist in ganz überraschendem Masse unempfindlich
gegen chemische Reize; ich konnte überhaupt mit keinem chemischen Reizmittel eine Reaktion erzielen.
Der • Geschmack fehlt hier offenbar gänzlich. An diesen Tieren erlebte ich ein seltenes Beispiel
von Lebenszähigkeit: Ein Exemplar lebte in Müller’scher Flüssigkeit nach 4 Stunden, 3 andere
in 80°/o Alkohol gelegte Exemplare machten hierin 2 Stunden lang Bewegungen ganz der Art, als
ob sie im Wasser lägen. Jetzt spaltete ich jedem durch einen Schnitt ein Körpersegment, damit der
Alkohol eindringen könne. Das geschah. auch, die Weichteile der angeschnittenen Stelle gerannen
sofort. Trotzdem lebten die Tiere noch 2'/2 Stunden, also im ganzen 4llz Stunden.in 80°/o Alkohol!
Erst in der letzten halben Stunde wurden die Bewegungen schwächer.
An den Mundteilen dieser Larve konnte ich ausschliesslich starre, krallenförmig gekrümmte
Haare finden, nichts, was einem Schmeckorgane gliche.
P s e u d o n e u ro p te ra .
Die Ausbildung der Fühler und der auf ihnen befindlichen Sinnesorgane schwankt in dieser
Ordnung ganz bedeutend.
Aus der Familie der Pliysopoden habe ich eine wahrscheinlich der Gattung Heliothrips
ungehörige Form untersucht, welche im August 1593 auf der Insel Norderney plötzlich in Millionen
auftrat (wahrscheinlich durch den herrschenden Südwind vom Festlande herüber verschlagen), und nur
1 mm an Länge misst. In Fig. 59 habe ich eine Antenne dieses Tieres abgebildet. Die 2 Endglieder
tragen nur Haare, die 4 vorhergehenden Glieder je einen blassen leicht gebogenen Zapfen
an ihrem distalen Ende. Der Zapfen ist am viertletzten Gliede kleiner als auf den übrigen, erhält
deutlich sichtbar einen Nervenzweig, und besteht aus ganz zartem Chitin. Höchst wahrscheinlich sind
dies Riechorgane.
Perla bicaudata. Die Fühler werden zweckmässig mit Chrompikrinschwefelsäure entfärbt.
Die einzigen Sinnesorgane, die ich gefunden habe, sind zahlreiche gewöhnliche Fühlhaare, die nach
aussen leicht gekrümmt sind. Die Fühlerglieder gleichen sehr jenen von Forßcula (s. u.) Gruben
und Kegel habe ich nicht gefunden, überhaupt keinerlei Riechorgane. In den Fig. 62 und 63 habe
ich ein Fühlerglied der Imago von Perla neben ein solches von der Larve gestellt, wovon näheres unten.