Stränge an, oline dass man meiner Meinung nach berechtigt ist hier von eigentlichen Schmelzkeimen
zu sprechen,. eine Auffassung, die durch die Betrachtung eines einzelnen Schnittes hervorgerufen
werden könnte. Weiter nach hinten ist die Schmelzleiste vollständig (d. h. nicht in
Stränge aufgelöst), und an ihrem tiefen Ende kommt es lingualwärts vom J d 1 zur Bildung eines
knospenförmigen Schmelzkeimes: J 1 (Fig. 146). Hinter diesem fehlt die Schmelzleiste bis zum
J d 2, neben welchem sie vollständig erhalten ist, während sie neben J d 3 nur stellenweise vorhanden
ist. Lingualwärts von J d 3 ist die Schmelzleiste mit einem deutlichen, wenn auch etwas
unregelmässigen (zurückgebildeten?) Schmelzkeim (J 3) versehen, welcher auf der Grenze zwischen
knospen- und kappenförmigem Stadium steht (Fig. 147). Lingualwärts von dem hintern Ende
des kleinen, aber stark verkalkten C ist am tiefen Theile der Schmelzleiste ein gut entwickelter,
knospenförmiger Schmelzkeim vorhanden. Dorsalwärts vom hintersten Ende des P d 2 liegt P 3,
auf dem Uebergange vom Lappen- zum glockenförmigen Stadium stehend. Die Schmelzleiste ist
hier in einen oberflächlichen und einen tiefern Theil gespalten; letzterer steht in Verbindung
mit P 3 (Fig. 148).
Die Untersuchung dieses Hacropus-Stadiums wurde vornehmlich unternommen, um durch
Autopsie mein Urtheil über die wichtigen Mittheilungen W oodward’s (II) zu sichern. Wie bereits
erwähnt, hat W. eine grössere Anzahl Macropodidae und von einigen derselben mehrere Entwicklungsstadien
auf Schnitten untersucht. Mich interessirte in erster Linie die von W. entdeckte
Thatsache, dass bei den jüngern Stadien im1, Zwischenkiefer bis zu drei, im Unterkiefer
zwei rudimentäre, aber vollkommen verkalkte Schneidezähne Vorkommen, welche resorbirt werden,
bevor die persistirenden (funktionirenden) Schneidezähne verkalkt sind. W. betrachtet nun
diese rudimentären Zähne als zu derselben Dentition wie die persistirenden gehörig, nämlich zur
ersten („Milchgebiss“), und nimmt somit an, dass diese Thiere ursprünglich sechs obere Schneidezähne
jederseits besessen haben, von denen die noch persistirenden dem J d 1. 4. 6., die rudimentären
dem J d 2. 3. 5. entsprechen sollen, während die untern rudimentären den J d 1. und 3.
repräsentiren. Seine genauen Beschreibungen und Abbildungen, verglichen mit meinen eigenen
Untersuchungen, erlauben eirfe recht präcise Beurtheilung des vorliegenden Thatsachenmaterials.
W oodward ist selbst mit dem von ihm erlangten Resultate wenig zufrieden: bezeichnet
er doch seine Entdeckung von sechs Paar oberen Schneidezähnen als „although an absolute fact,
is in many respects an unfortunate one, 'as-we know of no adult Mammal with so many“. Mir
erscheinen nun die von W. dargelegten Tha t s a ch en ebenso wenig wie irgend ein anderes „absolute
fact“ theoretisch „unfortunate^,; nur der Deu t un g, welche W. diesen Thatsachen .giebt,
dürfte man diese Bezeichnung beilegen können. Es ist nämlich zunächst zu bemerken, dass die fraglichen
rudimentären Zähne bereits ihre volle Ausbildung erreicht haben, während die persistirenden
noch nicht verkalkt sind. Ein anderer, noch bedeutungsvollerer Umstand ist das Verhalten zur
Schmelzleiste: wie aus W.’s Beschreibung (pag. 453, 454) und Abbildungen (Fig. .2—6, 9) unzweideutig
hervorgeht, liegen die rudimentären Zähne, respective das mit ihnen verbundene Schmelz.-
leistenstück l a b i a lwä r t s von den persistirenden Zähnen. Di e s e T h a t s a c h e , d e r e n
B e d e u t u n g W. nich t g ew ü r d i g t hat , ebens o wie der e rwä h n t e , g r o s s e Un t e r s
c h i e d im A u s b i l d u n g s g r a d e b e k u n d e n , dass die r u d ime n t ä r e n Zähne n i c h t
d e r s e lb e n , s o n d e r n e i n e r f r ü h e r e n D e n t i t i o n a l s d ie p e r s i s t i r e n d e n , a n g e hör
e n. Für die Auffassung, dass alle Schneidezähne derselben Dentition angehören, führt W.
den Umstand an, dass „all arise from the dental lamina at the same level“. Diesem Ausspruch,
welchen übrigens die Abbildungen W.’s zum Theil nicht bestätigen, kann den oben, hervorgehobenen
Thatsachen gegenüber desshalb keine Beweiskraft zugemessen werden, weil einerseits der Entwicklungsgrad
der rudimentären und der persistirenden Zälina doch ein gar zu verschiedener
ist, um der Höhenlage im Verhältniss zur Schmelzleiste irgend eine Bedeutung zuzusprechen, und
weil andererseits aus der Vergleichung zahlreicher Frontalschnitte, welche das Verhalten zwischen
erster (Milch-) und zweiter (Ersatz-)Dentition bei mehreren anderen Säugethieren demonstriren,
hervorgeht, dass höhere oder tiefere Lage der betreffenden Dentitionen in vorliegender Frage
keineswegs ausschlaggebend sein kann. Ich betone besonders, dass, wie aus obigem (pag. 97 — 98)
erhellt, die von W. beschriebenen Befunde vollkommen mit den meinigen bei Macropus-Jungen
übereinstimmen, nur dass bei diesem, ebenso wie bei den altern von W. beobachteten Individuen,
blos je ein rudimentärer Schneidezahn oben und unten erhalten war ').
A u s d e r o bi g en D a r l e g u n g e r g i e b t s i c h a b e r f e r n e r d i e / b e d e u t u n g s v
o l l e T h a t s a c h e , d a s s di e e rw ä h n t e n Be fu n d e b e i den Blacropodi dae s i c h
v ö l 1 i g mi t den von mi r b ei X y rme ä obius g ema c h t e n decken. Bei beiden
Formen treten während der Ontogenese im vorderen Kiefertheile eine Anzahl frühreifer, rudimentärer
Zähne auf, welche, wie ich gezeigt habe, einer älteren Dentition angehören als die
persistirenden, dem „Milchgebiss“ homologen Zähne. Ich darf übrigens wohl auch annehmen,
dass, wenn W. die fraglichen Verhältnisse bei Myrmecobius gekannt hätte 2), er seine Entdeckung
anders aufgefasst hätte, da ja die Anwendung seiner Deutung auf Myrmecobius vollkommen unmöglich
ist — es würden nach W.s Deutung, um nur einen Umstand zu erwähnen, bei Myrmecobius
jederseits zwei untere Milcheckzähne (vergleiche oben pag. 90) vorhanden sein!
Woo©w a r d betont ausdrücklich (pag. 466), dass er bezüglich des kleinen obern Eckzahnes
nicht im Stande gewesen ist zu entscheiden, welcher Dentition dieser Zahn bei Macropodidae
angehöre. Wie aus obigem hervorgeht (pag. 98), war bei meinem Macropus-Exemplare sein Verhalten
zur Schmelzleiste, Entwicklungsgrad u. s. w. derart, dass er hier in derselben Weise wie
bei allen anderen untersuchten Beutelthieren seine Zugehörigkeit zur ersten Dentition bekundet.
In Bezug auf die Molaren giebt W. an, dass er weder bei Macropodidae noch DidelpKys ein freies
Schmelzleistenende lingualwärts von ihnen angetroffen hat, woraus er den Schlusssatz zieht, dass
dieselben nicht der ersten Dentition angehören können. Abgesehen davon, dass, wie ich bereits
wiederholt nachzuweisen Gelegenheit gehabt habe, das Fehlen oder Vorhandensein eines freien
Schmelzleistenendes durchaus nicht für diese Frage entscheidend ist, muss ich doch gegen W.
bemerken, dass K ü k e n th a l, R ö s e und ich bei Didelphys, sowie ich bei den den Macropodidae
näher stehenden Trichosurus und Phascolarctus (siehe oben pag. 94—97) das Verhalten der vorderen
Molaren zur Schmelzleiste ganz so wie das der Prämolaren gefunden habe, und ist es
I Einen Punkt, den ich zp; Zeit und so lang» ich nicht durch eigene Untersuchung den Thatenbestand kenne,
nicht zu deuten wage, ist W o o d w a r d ’s Angabe, dass lingualwärts vom vordem rudimentären Schneidezahn im Unterkiefer
eine deutliche Ersatzzahnanlage (Fig. 9, 10) vorhanden ist. Wie a uch immer dieser letztere Schmelzkeim aufgefasst
werden mag, so kann damit selbstverständlich nicht die Zugehörigkeit des fraglichen rudimentären Zahnes zum
„Milchgebiss“ bewiesen werden, wie W. annimmt.
2) W.’s Abhandlung wurde der Zoological Society mitgetheilt (d. 2. Mai 1893), während meine Arbeit (IV) noch
im Drucke war.