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 wahrgenommen  haben  konnte.  Die  drei  Exemplare,  mit  welchen  ich  experimentierte,  verhielten  
 sich  gleich. 
 Ich  sprach  eben  von  der  „Gegend des Mundes“  und  nicht einfach  vom Munde,  weil  ich nicht  
 sicher  bin,  ob  nicht  vielleicht  das  Entscheidende  die  Berührung  der  Nase  mit  dem  Reizstoffe  war.  
 Mit  grösser  Wahrscheinlichkeit  kann  ich  allerdings  sagen,  dass  der  Ort,  an  welchem  dieses  empfindliche  
 Schmeckvermögen  sein  Organ  hat,  jedenfalls  nicht  allein  die  Nase  ist.  Hiefür  spricht  mir  die  
 Beobachtung  eines  grossen  Barbus,  dem  ich  beide Tractus  olfactorii durchschnitten hatte,  und welcher  
 am  Yorderkopf  noch  ganz  genau  so  empfindlich  war,  wie  vor  der  Operation. 
 Die  später  gemachte  Sektion  bestätigte  die  vollständige  Durchtrennung  der  beiden  Tractus  
 und  die  eingetretene  Degeneration  der  peripheren  Stücke.  Nahrung  hatte  die  Barbe  nach  der  Zerstörung  
 ihres  „Riechorganes“  aufgenommen,  war  also  in  der  Erkennung  derselben  nicht  behindert. 
 Die Reaktion,  welche eintrat,  wenn  eine schwache Lösung  eines bitteren,  sauren  oder salzigen  
 Stoffes  die  Mundgegend  eines  der  oben  genannten Fische  (mit  Ausnahme  von Sihirus)  traf,  war  stets  
 die  gleiche  und  recht  bemerkenswert.  Was  am meisten  in  die Augen  fiel,  war  die  sofort  eintretende  
 Beschleunigung  und  Vertiefung  der  Atmung*  Dieselbe  machte  den  Eindruck  des  Unruhigen,  und  
 konnte  häufig  als  Schnappen  bezeichnet  werden.  Lebhafte Fische pflegen  sich  dabéi  sogleich  zu  entfernen, 
   ruhige,  besonders solche,  welche  am Boden  liegen,  wie  Gobitis  und  Gobius,  lassen  die  Erfolge  
 der  Reizung  noch  weiterhin  beobachten. 
 Am  ganzen  Körper  dieser  Tiere  macht  sich  eine  deutliche  Unruhe  bemerklich,  der  Fisch  
 schnappt  immer  lebhafter  und  entfernt  sich  schliesslich  mehr  oder  weniger  rasch.  Man  könnte  daran  
 denken,  das eben beschriebene Verhalten  in Parallele  zu setzen  zu dem Benehmen  eines  durch Lungen  
 atmenden  Tieres,  welches  man  ein  irrespirables  Gas  einatmen  lässt,  wobei  also  eine  unangenehme  
 Empfindung  ohne Vermittelung  des Geruchssinnes zustande  kommt.  Die  folgende Beobachtung  spricht  
 jedoch  gegen  die  Richtigkeit  dieses  Vergleiches:  Es  giebt  Substanzen,  welche  die  Fische  chemisch  
 erregen, ohne ihnen unangenehm zu sein.  Dies gilt von Zuckerji&sung,  besonders aber von  F le isch sa 
 ft.  Wenn  diese  Flüssigkeiten  ins Wasser nahe  dem Kopfe  des  Fisches gelangen,  beobachtet  mán  
 deutliche  Reaktionen;  die Anfangserscheinungen  sind  dieselben  wie  bei  Reizung  mit  bitteren  Stoffen,  
 der  Fisch  (besonders  deutlich  Gobitis  und  Gobius)  atmet stärker  und rascher,  wird unruhig,  hebt  den  
 Kopf  in  die  Höhe  und  beginnt  jetzt umherzuschwimmen.  Dies  geschieht jedoch  in  durchaus  anderer  
 Weise  als  bei  Einwirkung  bitterer  etc.  Stoffe.  Schon  das  Heben  des  Kopfes  macht  den  Eindruck  
 gespannter Aufmerksamkeit,  die Atmung  wird  nicht schnappend  wie  im  obigen Falle,  sondern  nur  unruhig  
 erregt,  und  das  Umherschwimmen  geschieht  in  anderer Weise,  als  wenn  etwa Chinin  den Fisch  
 aus . seiner  Ruhe  aufgejagt  hat.  Während  im letzteren  Falle  der Fisch  dem  Reize  zu  entgehen  sucht,  
 durch  Schnappen  seinen  Mund  reinigt  und  oft  durch  rasche  Bewegungen  des  ganzen  Körpers  sein  
 Unbehagen  zu  erkennen  gibt,  bekommt  man  bei  dem  durch Fleischsaft erregten Fische  den  Eindruck,  
 dass  er  etwas  sucht.  Er  streicht  mit  der  Schnauze  langsam  über  den  Boden hin,  unruhig  bald  in  
 diese,  bald  in  jene  Ecke  hineinschnüffelnd,  immer  mit  erregter,  beschleunigter  Atmung,  bis  er  sich  
 nach  längerem  Suchen  überzeugt  hat,  dass  die  durch  den Geschmacksreiz  ihm vorgetäuschte  Nahrung  
 in Wahrheit  nicht  vorhanden  ist. 
 Dies  Verhalten  beruht zweifellos  auf  Erregung  des chemischen Sinnes,  und  ich  nehme  keinen  
 Anstand,  die  Reaktion  auf Chinin  u.  dergl.  auf Erregung  derselben  Organe  zurückzuführen,  wobei  
 nur  die Qualität  der  Geschmacksempfindung  eine  andere  ist. 
 Bemerkenswert  ist  es,  dass  auch  bei  Fischen  der  Geschmack  des  Zuckers  eine  ähnliche  
 Wirkung  übt,  wie  derjenige  des  Fleischsaftes. 
 Wenn  ich  Zucker  oder  Fleischsaft  unter  den  nötigen  Vorsichtsmassregeln  auf  den  übrigen  
 Körper,  Gegend  der Seitenlinie  u.  s.  w.,  einwirken  liess,  blieb  das  Tier  stets  ruhig,  die  Atmung  veränderte  
 sich  nicht  und  der  Fisch erhielt  offenbar  gar keine Kenntnis  von  der Gegenwart  des schmeck-  
 baren  Stoffes.  Auch  wenn  ein  Stück  Fleisch  oder  Brot  vorsichtig  unter  Wasser  der  Seitenlinie  von  
 Gobitis  oder Gobius  bis  beinahe  zur  Berührung  genähert  wurde,  bemerkten  meine  Versuchstiere  niemals  
 die  Gegenwart  der  Speise.  Wenn  dieselbe  dagegen  ins  Wasser  geworfen  wird,  und  nun,  im  
 Wasser untersinkend,  nahe  der  Seite  des  Fisches  niederfällt,  wird  sie  häufig  von  demselben  bemerkt  
 und  verschlungen.  Offenbar  ist  bei  dieser  Wahrnehmung  ausschliesslich  der  Gesichtssinn  und  der  
 mechanische  Sinn  wirksam,  nicht  der  Geschmack. 
 Dass  K a rp fe n   und  Schuppfisch  im  Inneren  ihres  Mundes  Schmeckvermögen  besitzen,  
 von  dieser  Fähigkeit  aber  wenig Gebrauch  machen,  zeigen  die folgenden Beobachtungen.  Sie  ziehen,  
 wenn  sie  hungrig  und  beutegierig  sind,  alles  mögliche  mittelst  des  Atemwasserstromes  in  den  Mund  
 hinein,  um  es  sogleich  wieder auszuwerfen,  z. B.  Steine,  ihnen  vorgeworfene Filtrierpapierbällchen etc.  
 Sie  prüfen  also  gar  nicht  durch  den Geschmack,  ehe  sie  die Stoffe  in  den  Mund  nehmen.  War  aber  
 ein  solches  Papierbällchen  mit  Chlornatriumlösung getränkt,  so  wurde  es  zwar  auch  eingezogen,  aber  
 rascher  wieder  ausgestossen,  als  wenn  die  Salzlösung  fehlte.  War  ein  Karpfen  durch  Darreichung  
 mehrerer Fleischstücke  besonders  gierig  gemacht,  so  verschluckte  er  auch  wohl  einmal  solche  salzgetränkte  
 Bissen.  Stellen  im  Wasser,  an welchen  aus  den  Papierbällchen Salzlösung  in  etwas  beträchtlicherer  
 Menge  ins  Wasser  diffundiert  war,  wurden  von  den  Schuppfischen  sichtlich  gemieden.  Im  
 allgemeinen aber  lassen sich alle  diese Fische viel mehr durch’s Gesicht leiten,  als  durch  den Geschmack,  
 sie schnappen nach  dem,  was  man  ihnen  vorwirft,  lange  ehe  sie  durch  den  Geschmackssinn  über  die  
 Natur  des vorgeworfenen  Gegenstandes unterrichtet sein  können.  Von  den Goldfischen  ist  es bekannt,  
 dass  sie  die  Speise  durch  den  Gesichtssinn  finden. 
 Auffallend  ist  es,  wie  spät  oft  noch  Bissen  ausgeworfen  werden  können.  Hatte  ein Schupp-  
 fisch  Fleisch  gefressen,  und  schnappte  mehrere Minuten  darauf nach  salzigem  Papier,  so  spie  er  die  
 Fleischstücke  noch  mit  demselben  heraus. 
 Von  den  untersuchten  Seefischen  steht  TJrano scopus  sc ab er  den  Süsswasserfischen  darin  
 gleich,  dass  ihm  Schmeckvermögen  der  Haut  völlig abgeht.  Die  Empfindlichkeit  der Mundgegend  ist  
 dagegen  sehr  hochgradig;  auf Reizung  durch Chinin  etc.  reagiert der  Fisch  zunächst  durch  plötzliches  
 Vorschnellen  der  Zunge,  worauf gewöhnlich  Allgemeinreaktion  folgt. 
 S yn g n a th u s  acus  ist  wie  TJranoscopus  an  seiner Haut  sehr  unempfindlich.  Nur einigemale  
 schien  es mir,  als ob Chinin auch  am Rumpfe  etwas  reizte.  Ich  muss  bemerken,  dass  die zwei zu  den  
 Versuchen  verwendeten  Exemplare  sehr  gross  (25  cm)  waren,  und  daher  vielleicht  träger  reagierten,  
 als  es  junge  Tiere  gethan  hätten.  Wegen  ihrer  Grösse  ermöglichten  sie  jedoch  einen  Versuch,  der  
 bei  keinem  anderen  Fische  so  gut möglich  ist,  nämlich  die  getrennte  Reizung  von  Nase  und Mund,  
 welche  beide Teile hier  weit  von einander  abstehen.  Die Reaktion  bei Reizung  am Munde  ergab  sich  
 stets  als  die  bei  weitem heftigere,  ja  ich  halte  es  für möglich,  dass  die Reaktion,  welche  bei Reizung  
 der  Nasengegend  zustande  kam,  immer  auf Diffusion  des  Reizstoffes  (Chinin,  Cumarin,  Vanillin)  bis 
 Bibliotheca zoologica.  Heft 18.  2 4