an jeder Angel immer mehrere Krabben. Dabei wurde immer wieder der gleiche Wurm als Köder
hinabgelassen. Da ist es nun offenbar nicht sehr wahrscheinlich, dass der Geschmack die Krabben
zum Anbeissen brachte. Denn ein Wurm, der ‘/s Stunde im Wasser hängt, dabei fortwährend von
den anhängenden Krabben gezerrt und gequetscht wird, giebt gewiss nur noch höchst wenig lösliche
und schmeckbare Bestandteile von sich, durch welche die Krabbe erregt werden könnte. Trotzdem
findet diese den Köder. Kinder habe ich öfters Krabben mit blossen Schnüren, ohne Köder angeln
sehen. Nach dem Gesagten glaube ich annehmen zu dürfen, dass bei der beschriebenen Art, die
Krabben zu angeln, diese durch Tastsinn und allenfalls den Gesichtssinn zum Anbeissen veranlasst
werden, nicht oder mindestens nicht allein durch den Geschmack. Es lässt sich leicht beobachten,
dass eine im flachen Wasser sitzende Krabbe jeden nahe vorgehaltenen Gegenstand, besonders wenn
er sie berührt, mit ihren Scheeren packt und, wenn er sich gut fassen lässt, eine Weile festhält. Dagegen
ist nicht zu bemerken, dass die Krabben einen Köder, der fern von ihnen sich befindet, aufsuchen.
Dass die Krabbe, wenn sie von selbst auf Jagd ausgeht und Nahrung sucht, hiebei den chemischen
Sinn zu Hilfe nimmt, ist jedoch mit dem Gesagten nicht bestritten, in einem gewissen Grade
ist dies sogar wahrscheinlich. Sie könnte z. B. durch den Geschmackssinn darüber unterrichtet werden,
ob unter dem Sande, auf welchem sie sitzt, der morastige Grund sich befindet, den manche Würmerarten
als Aufenthaltsort wählen, von denen sie sich nähren könnte. Auch wird sie einen im Sande
vergrabenen faulenden Fisch und ähnliches durch ihren chemischen Sinn bemerken Experimenteller
Prüfung sind diese Dinge sehr wenig zugänglich.
A m p h ip o d en u n d Iso p o d en .
(Asellus, Gammarus, Niphargus.)
Bei keinem dieser Tiere ist es mir gelungen, es durch einen Geschmacksreiz anzulocken, zum
Teil aus Unkenntnis der für sie anziehenden Stoffe, zum Teil aber auch wieder deshalb, weil diese
kleinen Krustentiere sich sehr wenig vom Geschmackssinne leiten lassen. Ich musste mich daher auf
Abstossungsreaktionen beschränken, welche indessen auch nur schwierig zu erzielen sind; die bei
grossen Tieren (wie Astacus) angewandten Methoden sind hier nicht zu brauchen, da, wenn man aus
einer Pipette Flüssigkeit Zuströmen lässt, die mechanische Wirkung der strömenden Flüssigkeit auf
die kleinen Teile der zartgebauten Tiere von der chemischen Keizwirkung zu schwer zu trennen sind.
Schliesslich fand ich folgenden Weg erfolgreich: Ich legte kleine Kristalle einer löslichen Substanz
auf den Boden des Glasgefässes in dem die Tiere sich befanden, und näherte sie dann unter Wasser
mit einer Nadel vorsichtig dem Kopfe des zu untersuchenden Individuums bis auf wenige Millimeter.
Besonders geeignet sind gefärbte Kristalle, deren Diffusion im Wasser deutlich sichtbar ist (Pikrinsäure,
Kaliumbichromat). Indessen geht es auch bei farblosen Salzen gut an; natürlich muss dabei
das Wasser frei von Strömung sein. Zweckmässiger fand ich langsam sich lösende Stoffe, wie Chlor-
baryum und Pikrinsäure, während Kaliumbichromat etwas zu rasch sich löst, ebenso Saccharin.
In dem Augenblicke, in welchem man sieht, dass die lösliche Substanz auf dem Wege der
Diffusion zum Kopfe des Tieres gelangt ist, gehen Asellus cavaticus und Niphargus rückwärts, oder
schnellen sich lebhaft in die Höhe. Gammarus ist für diese Yersuche zu unruhig, ich erhielt bei ihm
keine Resultate. S ich e r is t ab e r, dass A s e llu s a q u a tic u s v ie l w en ig e r chem isch
re iz b a r is t, a ls se in b lin d e r V e rw a n d te r aus tie fem Brunnen (Asellus cavaticus);
d a b e i i s t er im üKri'gen V e rh a lte n e ig e n tlic h le b h a fte r. Ersteren sah ich häufig über
einen Chlorbaryumkristall hinwegkriechen, auch auf einem solchen Sitzenbleiben; die p igm e n tlo s e
Form th u t das n ie , kehrt vielmehr stets um. Dass dies Verhalten bei Asellus cavaticus auf chemischer
Reizung beruht, erkannte ich daran, dass er vor ähnlich geformten Glasstücken nie rückwärts
entwich. Er kletterte ruhig hinüber.
Abschneiden der langen Antennen ändert am Benehmen des Tieres in dieser Beziehung nichts,
die kurzen konnte ich nicht ohne sonstige Schädigung des Tieres entfernen.
Auch Copepoden, Daphniden, Ostracoden zeigen Äusserungen von Schmeckvermögen, indem
sie diejenigen Teile ihres Wasserbehälters vermeiden, welchen schmeckbare Stoffe beigemischt sind.
Seit langem nimmt man nach L e y d ig ’s Vorgänge an, die Organe dieses Schmeckvermögens
bei den niederen Krebsen seien die blassen Zapfen und Kolben der ersten Antennen. Die Hauptstützen
dieser Ansicht sind:
1) Dass der anatomische Bau die Organe zur chemischen Sinnesperception sehr geeignet erscheinen
lässt.
2) Dass Dunkelformen, denen der Gesichtssinn abgeht, stärkere Entwicklung dieser Organe zeigen.
3) Dass bei vielen Arten die männlichen Tiere, welche nachweislich die weiblichen aufsuchen
(auch bei Nacht), mehr und grössere Kolben zu besitzen pflegen. ^
4) Dass Arten, deren sitzende oder parasitische Lebensweise die Bedeutung des chemischen
Sinnes vermindert, keine solchen Organe besitzen (Cymothoiden).
5) Dass die genannten Organe offenbar den blassen Fäden der höheren Krebse funktionell
und morphologisch gleichwertig sind, bei welchen charakteristische Bewegungen der Geschmacksantenne
beobachtet werden.
Fügen wir hierzu den von mir erbrachten Beweis, dass der blinde Asellus cavaticus mit seinen
grossen Kolben chemisch viel reizbarer ist, als der sehende Asellus aquaticus mit seinen kleineren
Kolben, so ist, glaube ich, die A.nnahme L e y d ig ’s, dass die blassen Kolben und Fäden der Krebse
dem chemischen Sinne (Leydig nannte es „Geruch“) dienen, über die Grenzen der Wahrscheinlichkeit
erhoben. Auch meine obigen Beobachtungen an Dekapoden, besonders Astacus, sind hier mit
heranzuziehen.
Ganz allgemein wird den blassen Kolben und Cylindern eine sexuelle Bedeutung zugeschrieben,
d. h. sie sollen dem Männchen das Aufsuchen des Weibchens ermöglichen, welch letzteres dem Wasser
einen spezifischen Geschmack mitteilen müsste. Ich glaube, dass diese Fähigkeit des Männchens
überschätzt wird und dass die sexuelle Bedeutung des chemischen Sinnes nach einer etwas anderen
Seite hin zu suchen sein wird. Das begattungsfähige Männchen wird das Weibchen sehen oder zufällig
in dessen Nähe kommen; dann erst tritt der chemische Sinn in Wirksamkeit, indem das Sekret
des Weibchens ein Reizmittel für den Geschlechtstrieb des Männchens bildet. Vielleicht kann auch
das Männchen erkennen, ob das Weibchen schon befruchtet ist oder nicht. Beachtenswert ist die
Angabe J. V o s s e le r ’s (319), dass bei Copepoden das begattende Männchen mit den (kolbentragenden)
ersten Antennen das vierte Beinpaar des Weibchens umklammert. In den Beinen des Weibchens münden
aber nach Rehfeld (257) Drüsen, die beim Männchen viel schwächer entwickelt sind. Dadurch kommen
die Sinnesorgane der männlichen Antennen in innigste Berührung mit dem weiblichen Drüsensekret, wodurch
der Geschlechtsakt reflektorisch ausgelöst werden könnte. Es würde also die dritte Phase der
Thätigkeit des chemischen Sinnes hier vorzugsweise in Frage kommen, weniger die zwei ersten Phasen.
Die ungleiche Ausbildung der blassen Kolben bei Männchen und Weibchen findet sich übrigens