wickelten Zweig dieser formenreiclien Gruppe abgeben, welcher in der aberrantesten Mysidee,
nämlich der Arachnomysis, gipfelt. Ich gedenke weiterhin auf die Thatsache aufmerksam zu machen,
dass die an der Oberfläche lebenden Schizopoden primitivere Charaktere wahren, als jene, welche
sich an den Aufenthalt in grösseren Tiefen anpassten: mit kurzen Worten also, dass eine aus
biologischen Gründen wahrscheinliche Entwickluugsweise ihre Parallele in dem morphologischen
Bau findet.
Ich beginne meine Darlegungen mit den Euphausiden, da ihre biologischen Verhältnisse
einfacher liegen, als bei den Mysideen. Sie alle sind ächt pelagische Organismen, welche, wie
dies im ersten Abschnitt erörtert wurde, nicht nur an der Oberfläche, sondern auch in grösseren
Tiefen einen wichtigen und constanten Bruchtheil der pelagischen Lebewelt abgeben. Nur eine
Gattung, nämlich Bentheuphausia G. 0. S a r s , macht eine Ausnahme, insofern sie an den Aufenthalt
in der Nähe des Tiefseebodens sich anpasste. - Sie wurde in den Gründen des Atlantischen
und Pacifischen Oceans aus Tiefen von 1000—1800 Faden gelothet (G. O. S a r s 1885 p. 108)
und nimmt in einer Hinsicht besonderes Interesse in Anspruch: Bentheuphausia amblyops ist nämlich
die einzige Euphauside, deren acht Paare von Brustfüssen durchaus gleichmässig entwickelt sind
und keine Rückbildungen erfahren. Die mittelsten Beinpaare sind länger als die vorausgehenden
(unter denen das gewöhnlich als Kieferfuss bezeichnete Extremitätenpaar in keiner Weise, auffällig
von den nachfolgenden verschieden ist) und das achte Paar ist nicht verkümmert, ln dieser
Hinsicht hat entschieden Bentheuphausia ursprünglichere Charaktere gewahrt, als alle übrigen
Eiiphausiden. Wenn wir sie trotzdem nicht als die Stammform der pelagischen Euphausiden in
Anspruch nehmen, sondern lediglich als einen der Euphausidenstammform nahe stehenden Vertreter
betrachten, so geschieht das mit Rücksicht auf die sinnfälligen Anpassungen an das Leben
in grossen Tiefen. Die Augen sind rudimentär geworden und gleichzeitig schwanden mit ihnen
die Leuchtorgane. In Correlation zu dem mangelnden Seh- und Leuchtvermögen hat der Spiir-
apparat eine ungewöhnliche Entwicklung erhalten: die Antennengeissein scheinen sehr lang zu
werden (nach den Bruchstücken, zu urteilen) und die Palpen der Mandibeln und zweiten Maxillen
zeugen von monströser Ausbildung.
Leuchtorgane und wohl entwickelte Kugelaugen haben wir entschieden der Euphausidenstammform
zuzuschreiben und wenn wir nun unter den bis jetzt bekannt gewordenen Gattungen
Umschau halten, so stossen wir zunächst auf die Genera Thysanopoda M. Ed w.
(Nociicu/a J. V. Thompson) und Nyctiphanes G. 0. S a rs , welche noch am meisten primitive
Charaktere wahren. Sie sind an der Oberfläche (vielleicht auch in grösseren Tiefen) weit verbreitet
(s. p. 140) und erweisen sich in jeder Hinsicht als typisch gestaltete Euphausiden. Ihre
kugligen Augen sind kurz gestielt und die Leuchtorgane treten in der bekannten Anordnung: entgegen
, insofern ausser den in die Augen eingebetteten noch zwei Paare an der Brust (an der
Basis des zweiten und siebenten Fusspaares) und vier unpaare in der Mediane der ersten
Abdominalsegmente zur Ausbildung gelangen. In einer Hinsicht freilich lassen sich Umformungen
ursprünglicher Anlagen nachweisen, insofern nämlich die achten Brustfusspaare verkümmert sind.
Bei Nyctiphanes ist das siebente Paar zwar wenig kürzer als das vorausgehende, aber es besteht
aus nur zwei Gliedern und entbehrt des Exopoditen. Thysanopoda zeigt es in allen Gliedern wohl
ausgebildet und mit einem Exopoditen versehen, aber bereits etwas verkürzt. Die Rückbildung
des letzten Beinpaares geht gleichfalls bei Nyctiphanes weiter als bei Thysanopoda, insofern die
letztere wenigstens noch einen wohl entwickelten Exopodit aufweist, welcher der ersteren völlig
mangelt. Mir scheint demgemäss die Gattung Thysanopoda den bei Beutheuphausia wahrnehmbaren
normalen Verhältnissen in der Gestaltung der Brustfusspaare am nächsten zu kommen.
Die bisher genannten Genera leiten zu der kosmopolitischen, an der Oberfläche wie in
grösseren Tiefen verbreiteten Euphausia über, deren wesentlicher Charakter in der Verkümmerung
der beiden (zu borstentragenden Stummeln reducirten) letzten Beinpaare beruht. Im Uebrigen
wahrt sie so vollkommen die Charaktere der Gruppe, dass sie meist als typischer Repräsentant
derselben hingestellt wird. Während die Gattungen Thysanopoda, Nyctiphanes und Euphausia zwar
die Oberfläche bevölkern, aber doch auch (wie die Schliessnetzfänge lehren) zum Theil in grössere
Tiefen absteigen, so drückt sich die Anpassung an den dauernden Aufenthalt in nur vom Dämmerlicht
durchdrungene oder dunkle Regionen bei Thysanoessa B r a n d t durch die Zweitheilung der
Augen in ein Front- und Seitenauge aus. Wir stossen zum ersten Male bei unseren Betrachtungen
auf einen Charakterzug in der Ausbildung des Sehorganes, welcher, wie dies im nächsten
Kapitel nachgewiesen werden soll, lediglich pelagischen Crustern zukommt und ein untrügliches
Merkmal für die Anpassung an das Leben in dunklen Regionen darstellt. Ich werde den Beweis
für diesen Satz allerdings erst später bei den Betrachtungen über die Leistung des Dunkelauges
zu führen haben und begnüge mich daher an dieser Stelle mit einem Hinweis auf das nächste
Kapitel. Die Gattung Ihysano'essa schliesst sich nun der Thysanopoda bezüglich der Gestaltung
der beiden letzten Brustfusspaare insofern an, als das achte Paar völlig rudimentär wird, unterscheidet
sich aber dadurch von ihr, dass das siebente Paar stärker reducirt ist. Vor Allem fällt
indessen die ungewöhnlich kräftige Entwicklung des zweiten Paares auf, dessen Endglieder mit
langen, zweizeilig angeordneten Dornen besetzt sind.
Unmittelbar an Thysanoessa schliesst sich die merkwürdige und artenreiche Tiefsee-Gattung
Nematoscelis G. 0. S a r s an. Die Augen erreichen bei einigen Arten monströse Dimensionen
und sind stets in ein bald mehr, bald minder umfängliches Frontauge und in ein deutlich abgesetztes
Seitenauge getheilt. Dabei beginnt das Retinapigment zu schwinden und durch seinen
Mangel eine Ueberempfindlichkeit,; gegen grelle Beleuchtung zu bedingen. Die langen Antennen
sind mit einem reichen Besatz von langen Sinneshaaren ausgestattet und im Gegensatz hierzu wird
der Mandibulartaster auffällig klein. Während die rudimentären beiden letzten Brustfusspaare
durchaus an Ihysano'essa erinnern, so wird das bei der letzteren Gattung verlängerte zweite
Fusspaar zu einem mächtigen Raubfuss umgemodclt, an dessen beiden letzten Gliedern die Dornen
zu stechenden Stiletten sich ausbilden.
In vieler Beziehung eigenartig gestaltet tritt uns die aberranteste Ephausidengattung,
nämlich Sty/ocheiron G. 0. S a r s , entgegen. Keinesfalls bilden Thysanoessa und Nematoscelis den
Durchgangspunkt für ihre phylogenetische Entwicklung und ich möchte vermuthen, dass erst bei
Erweiterung unserer Kenntnisse Gattungen sich werden auffinden lassen, welche zwischen
Thysanopoda und Stylocheiron sich einreihend, das volle Verständnis für die monströse Gestaltung
der letzteren eröffnen. Denn die enorme Verlängerung des dritten Brustfusspaares (nicht des
zweiten, wie bei Nematoscelis) zu einem Raubfusse, nicht minder auch die Umbildung seiner letzten
Glieder zu einer Scheerenhand treten ganz unvorbereitet in die Erscheinung. Der Mandibulartaster,
bei Nematoscelis bereits unansehnlich, schwindet und nicht weniger auffällig ist die Reduktion
der Leuchtorgane an der Basis des zweiten Fusspaares und an den zweiten bis vierten Abdominalsegmenten.
Das letzte Brustfusspaar wird bis auf den kleinen Exopoditen völlig rückgebildet,
während das vorausgehende, wie ich für Stylocheiron mastigophorum nachwies (p. 150), Differenzen