Nehmen wir die durchaus correcten Abbildungen von S a r s zu Hilfe, so lassen sich seine
Ermittelungen über die Knospung folgendermassen zusammenfassen: Bei jüngeren Exemplaren
von Rathkea (Gytaeis) octopunctata werden in einer Horizontalebene vier interradiale Knospen an
der Magenwand angelegt, welche verschieden gross und verschieden alt sind. Die an Grösse und
Alter sich am nächsten kommenden Knospen sind opponirt. Unterhalb des oberen (proximalen)
Cyclus von vier Knospen kann bei älteren Exemplaren der Rathkea octopunctata ein zweiter Cyclus
von vier verschieden grossen Knospen angelegt werden, welche dasselbe Stellungsgesetz wie die
oberen aufweisen. Da die Knospen des zweiten Cyclus kleiner sind als diejenigen des ersten, so
nehmen sie also im Allgemeinen gegen die Mundöffnung zu (in distaler Richtung) an Grösse ab.
Die ältesten Knospen lösen sich los und schwimmen als junge Medusen, die ihrerseits wieder
durch Knospung sich vermehren, umher.
Wenn wir also das durch S a r s ermittelte Stellungsgesetz der vier Knospen eines Kreises
anschaulich illustriren wollen und die älteste Knospe mit 1, die jüngste mit 4 bezeichnen, so erl
halten wir für den oberen Kreis die Formel 3 4.
Ueber diese durch S a r s ermittelten Thatsachen ist keiner der späteren Beobachter
hinausgekommen; sie haben entweder seine Angaben bestätigt oder überhaupt die gesetzmässige
Stellung der Knospen nicht beachtet. Der erste, welcher die sogenannte „subsymmetrische Knospung“
der Margeliden bestätigte, war Ed. F o rb e s (1848, p. 65 und 67), welcher sie sowohl
bei der Gytaeis octopunctata, (er schuf für sie den Gattungsnamen Lizzia), als auch bei der Lizzia
blondina Forb. beobachtete. Bald darauf bekamen B u sch (1851, p. 2 und 21) und K ro h n (1851,
p. 267) knospende Margeliden zu Gesicht, an denen sie wiederum die Angaben von S a r s zu bestätigen
vermochten. K ro h n spricht sich in dieser Hinsicht über eine dem Medusenäbkömmling
von Podocoryne carnea Sars (Dysmorphosa carnea Haeck) nahestehende Art folgendermassen aus:
„Was die Entwicklung, die allmähliche Vermehrung und die gegenseitige Stellung der, wie bei
Gytaeis octopunctata, aus dem Magen hervorwachsenden Gemmen anbetrifft, so müsste ich hier nur
das wiederholen, was S a r s in seinem Werke schon so klar und anschaulich dargestellt hat-
Ich beschränke mich also bloss auf die Bemerkung, dass man am Magen noch nicht völlig ausgebildeter
, mit dem Mutterthiere zusammenhängender Gemmen nicht selten schon die winzigen
Keime der nachfolgenden dritten Generation zu unterscheiden vermag.“
Es ist auffällig, dass bei den neueren Beobachtern das Interesse an der Erforschung des
Knospungsgesetzes erlischt, obwohl sie uns gelegentlich recht eingehende Darstellungen von der
Ausbildung der einzelnen Knospen, theils bei neu entdeckten Arten, theils bei längst békanntén
liefern. So gedenken der gesetzmässigen Anlage der Knospen weder A. A g a s s iz bei der Schilderung
der Knospung von Dysmorphosa fulgurans A. Ag. (1865, p. 163), noch P. J. v a n Bene-
den (1866, p. 52—55, 94) und Böhm (1878, p. 128—135) bei Lizzia octopunctata, noch auch
F ew k e s (1881, p. 144-145) bei der nahe verwandten Lizzia grata A. Ag. H a e c k e l bezieht
sich zwar in seinem „System der Medusen“ auf die Schilderung von M. S a r s , hebt indessen
hervor, dass bei Oubogaster gemmascens (1879, p. 76) und bei Dysmorphosa octostyla (p. 78) die
älteste Knospe der jüngsten opponirt sei. Ich darf wohl annehmen, dass bei den genannten Medusen
die Verhältnisse ebenso liegen, wie es S a r s bereits richtig für Rathkea octopunctata hervorgehoben
hat, und dass demgemäss die älteste Knospe der Zweitältesten opponirt ist. Am eingehendsten
hat unter den zuletzt genannten Beobachtern Böhm (1878) die Margelidenknospiing
bei Rathkea octopunctata verfolgt. So zutreffend auch manche seiner Angaben sind, so ist es immerhin
befremdlichj dass er die trefflichen Beobachtungen von S a r s nicht nur ignorirte, sondern
auch bezüglich der gesetzmässigen Stellung der Knospen durchweg Irrthümliches berichtet und
abbildet. Nach seinen Angaben sieht man „sechs, sieben und mehr Knospen in allen Stadiön der
Entwicklung zugleich den Magen rundum besetzen“. Von einem Stellungsgesetz ist keine Rede,
und in den Abbildungen (Taf. IV, Fig. 1, 2) werden die Tochterknospen in die Radien verlegt,
während doch schon S a r s richtig deren interradiale Lagerung darstellte!
Das Knospungsgesetz der Rathkea (Lizzia) octopunctata Sars.
Tafel II.
Die Angaben von M. S a r s über die gesetzmässige Stellung der vier kreuzweise oppo-
nirten Knospen eines Cyclus Hessen es mir wünschenswerth erscheinen, das Knospungsgesetz
einer erneuten Prüfung zu unterziehen und es auf breiterer Basis auch für die nachfolgenden
Cyclen festzustellen. Ich durfte erwarten, dass sich auch für die gesammten an einem Manubrium
erzeugten Knospen ein Stellungsgesetz ergeben möchte, und bin in dieser Hinsicht nicht
enttäuscht worden. Zudem ergab sich im Verlaufe der Untersuchung eine so eigenartige und
überraschende Anlage der Einzelknospe, dass ich keinen Anstand nehmen möchte, meine hierauf
bezüglichen Beobachtungen zu veröffentlichen.
Das Material zu meiner Untersuchung verdanke ich Dr. H a r tla u b , welcher mir zahlreiche,
mit Chromessigsäure treffHch conservirte Exemplare der Rathkea (Lizzia) octopunctata zukommen
liess — jener MargeHde also, an welcher S a r s die Medusenknospung entdeckt hatte.
Die Exemplare waren am 13. Februar 1894 im Nordhafen von Helgoland erbeutet worden und
befanden sich ohne Ausnahme im Zustande üppigen Proliferirens. Im Gegensatz zu den Angaben
von Böhm (1878, p. 129), welcher Individuen beobachtete, die gleichzeitig Knospen und männliche
Geschlechtsprodukte ausbildeten, vermisste ich durchaus jegliche Spur von Sexualorganen
an den knospenden Exemplaren. Ich werde indessen noch Veranlassung nehmen, darauf hinzuweisen,
dass offenbar Böhm die jüngsten Knospenanlagen für Hodenpusteln hielt.
a. Systematische Bemerkungen.
Da'es nicht in meiner Absicht liegt, eine eingehende Schilderung vom Gesammtbau der
Rathkea octopunctata zu geben, so verweise ich in dieser Hinsicht auf die früheren Beschreibungen,
unter denen namentlich diejenige von Böhm (1878, p. 186—189) die charakteristischen Züge
zutreffend hervorhebt. Die mir vorliegenden Exemplare weisen eine Schirmhöhe von 1—2,2 mm
auf und lassen die auch von den früheren Beobachtern betonte Variabilität im Gesammthabitus
und in der Ausbildung einzelner Organsysteme erkennen. Bald erscheint d e r. aborale Pol der
Schirmgallerte kuppelförmig vorgewölbt, bald vermisst man einen knopfförmigen Aufsatz. Nicht
minder variabel ist das relative Grössenverhältniss zwischen Manubrium und Umbrella, insofern .
bei den jungen Exemplaren das Manubrium die halbe Schirmhöhe überbietet, während es bei den
älteren nur etwa ein Drittel der Schirmhöhe erreicht. Jeder der vier perradialen Mundgriffel
war bei den grösseren Exemplaren viergetheilt, insofern er zwei kürzere proximale und. .zwei
längere distale, in Nesselknöpfe auslaufende Zweige erkennen liess (Taf. II, Fig. 1—4).