Histiologische Untersuchungen an Muscheln habe ich nicht in eingehender "Weise vorgenommen.
Die Mitteilungen Flemmin g ’s, D r o s t’s und R aw itz ’s l) ergeben, dass die Verhältnisse ähnlich sind,
wie bei den Gasteropoden, indem auch hier sich Pinselzellen finden. Ausserdem sind aber noch verschiedene
Sinnesorgane beschrieben, welche als dem chemischen Sinne dienend bezeichnet werden. Mit einem
gewissen Rechte dürfte dies von den Siphopapillen und Tentakeln mancher Muscheln gesagt werden mit
weniger Recht von den L a c a z e -D u th ie rs -S p e n g e l’schen Organen in der Nähe der Kiemen, und
von den abdominalen Sinnesorganen T h ie le ’s. S p en g e l nannte eine zwischen dem Hinterende des
Fusses und dem After gelegene quere Schlangenlinie grünbraunen Pigmentes „Geruchsorgan.“
Mit Ausnahme der Sinnesorgane an den Siphonen haben wir keinen Anhaltspunkt für die
Annahme, dass jene Sinnesorgane dem chemischen Sinne dienen. Der chemische Sinn scheint bei
den Lamellibranchiaten noch mehr als bei Gasteropoden mit dem Hautsinne zusammen zu fallen, spezifische
Organe besitzt er vielleicht gar nicht, sondern er wird nur durch Wechselsinnesorgane des
mechanischen, (thermischen ?), chemischen Sinnes (bei einzelnen auch des Lichtsinnes) vermittelt.
Dass die hochgradige chemische Reizbarkeit des Fusses und Siphos für Psammobia, sowie der Mantelrandtentakeln
für Lima von grossem Werte wäre, wird man kaum annehmen dürfen. Wahrscheinlich
besitzen eben jene Teile ein wohl entwickeltes Sinnesepithel, das vorzugsweise mechanischen Reizen
ausgesetzt sein wird und in deren Perception seine Bestimmung haben dürfte. Die chemische Reizbarkeit
, das Schmeckvermögen, halte ich in diesem Falle für eine mehr zufällige Eigenschaft des
Sinnesepithels.
Carinarla mediterránea.
Von diesem Vertreter der E e te ropoden untersuchte ich ein frischgefangenes lebhaftes
Exemplar in Neapel. Wegen der steten Unruhe sind die Versuche schwierig und unsicher.
Schmeckvermögen der Rumpfhaut scheint zu fehlen, es ist in jedem Falle sehr gering entwickelt.
Der Mund ist dagegen Sitz eines deutlich ausgesprochenen Schmeckvermögens. Wenn Zuckerlösung
den Mund traf, wurde regelmässig die bezahnte Zunge vorgestreckt, wie um etwas vor dem
Munde befindliches zu ergreifen, also ganz analog, wie die Wasserschnecken ihre Zunge in Thätigkeit
setzen, wenn sie süssen Geschmack bemerken. Merkwürdigerweise hatte Chinin denselben Erfolg.
Die Lösungen müssen den Mund ohne merkliche Strömung treffen, wenn der Versuch rein sein soll,
da ein mechanischer Reiz, durch einen Strahl reinen Seewassers bewirkt, allein schon hinreicht, um
jene Zungenbewegungen zu erzeugen.
Da von Boll (31) und Tod aro (307) an der Rüsselspitze und der Mundhöhle „becherförmige
Organe“ gefunden wurden, wird man keinen Anstand nehmen, diese als G e s c hm a c k s o
r g a n e zu deuten.
Weniger gut stimmen die Experimente mit dem Ergebnis der anatomischen Forschung bezüglich
des sog. G e ru c h so rg a n e s , welches ein flimmerndes Sinnesorgan an der Vorderseite des Eingeweidesackes
sein soll. Die Deutung als Riechorgan stammt von L e u c k a r t (182) (bei Pterotrachea)^
während G eg en b a u r (114), welcher bald danach dasselbe Organ bei Pterotrachea und Firoloides
beschrieb, die L eu ck a rt’sche Deutung anzweifelt, weil erstens kein Beweis für die Existenz von Riechvermögen
überhaupt vorliege, und weil zweitens die Lage so weit vom Munde entfernt für ein Riech-
*) Der Mantelrand der Acephalen, Jenaische Zeitschrift Bd. 22, 24 und 27.
Werkzeug wenig günstig und daher unwahrscheinlich sei. Ich stimme diesen Gründen vollständig
zu und kann den weiteren hinzufügen, dass ich bei Carinaria an der bezeichneten Stelle keine Spur
von Empfindlichkeit fand.
Cephalopoden.
Eigene eingehende Untersuchungen über die Cephalopoden-Sinnesorgane fehlen mir. Riechorgane
sind bei ihnen verschiedentlich beschrieben, aber ohne alle beweisende Versuche und mit schwacher Begründung
(Köllike r, Z e rn o ff, S pengel u. A.). L a n k e s te r und B o u rn e beschreiben.bei
ein „Osphradium“ in Gestalt klein er zitzenförmiger Papillen, etwas ausserhalb der Anheftung der vorderen
Kiemen, K ö llik e r beschreibt das Riechorgan in der Nähe der Augen. In Claus’s Lehrbuch der
Zoologie steht der Satz: „das G e ru ch so rg an liegt hinter dem Auge in Form einer mit Flimmerhaaren
bekleideten Grube“ (pg. 682). Mit gleicher Bestimmtheit wird in verschiedenen anderen
W erken von einem Geruchsorgane der Cephalopoden gesprochen, und zwar scheint sich besonders das
Organ in der Nähe der Augen allgemeiner Anerkennung zu erfreuen. Abgesehen von dem Mangel
physiologischen Beweises steht der Annahme dieses Riechorganes noch der Umstand entgegen, dass dann
Nautilus zwei Riechorgane besitzen würde, das eine neben dem Auge, das andere als Homologon des
Sp e n g el’schen Organes, welches von denselben Autoren auch für ein Riechorgan gehalten wird.
Im Sinne der Existenz von feinem Schmeckvermögen bei Cephalopoden dürfte folgende Notiz
von Kollmann zu verwerten sein (166 pg. 10, abgekürzt citiert): Ein Hummer, der in das Bassin
der Octopoden gesetzt war, wurde angegriffen und bekämpft. Er wurde in das anstossende Bassin
gesetzt, das durch eine solide Cementmauer, die 2 cm über Wasser ragte, von jenen abgetrennt war.
Ein Krake setzte noch am selben Tage über die Mauer und zerriss den Hummer, den er nicht hatte
sehen können, sondern nur durch das zirkulierende Wasser gewittert haben musste.
An änderet Stelle: „Die Kraken . . . besitzen eine hohe Orientierungsgabe und finden immer
die Lage des Meeres, aus dem sie der Zufall oder die Willkür der Beobachter entfernt. V e ran y
hat sich oft damit unterhalten, Eledone ziemlich weit vom Strande hinzulegen, und zwar an Punkte,
von denen aus das Wasser schwer zu erreichen war, überdies verdeckt wurde durch Felstrümmer, aber
stets nahmen sie den direktesten Weg zum Wasser.“
Dies könnte auf Riechvermögen deuten. Ich habe mit Sepiola und Schaeurgus experimentiert,
ohne indessen einen wertvollen Anhaltspunkt für die Lokalisation des chemischen Sinnes
gewinnen zu können. Der vorzugsweise leitende Sinn scheint der Gesichtssinn zu sein.
Ciona intestinalis.
Als einzigen Vertreter der Manteltiere untersuchte ich experimentell Ciona intestinalis, welche
in Neapel stets leicht zu erhalten war.
Da dieses Tier bei den leisesten Erschütterungen oft heftig zusammenzuckt, hätte man denken
können, chemische Reize würden vielleicht auch stark reizen. Das Gegenteil ist aber der Fall. Der
derbe äussere Mantel ist hervorragend unempfindlich, von Schmeckvermögen ist hier gar nicht zu reden.
Starke Reizmittel, wie concontrierte Pikrinsäurelösung, üben selbst in längerer Zeit gar keine Reizwirkung
auf den Mantel aus.
Aber auch die Ein- und Ausfuhröffnungen der Kiemenhöhle (Mund und After) sind gegen
mässige Reize, wie Vanillin und Cumarin, ganz unempfindlich, nur concentrierte Pikrinsäure wirkt merklich
reizend, die Öffnungen werden geschlossen und etwas zurückgezogen. Chinin, hydrochlor. wirkt wahr