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Organe aufstellen lassen. Sie könnten dem R ie c h v e rm ö g en für die Z e it des A u fe n th a lts
an der L u ft dienen, oder sie könnten Sinnesorgane sein, welche zur R e g u lie ru n g des
Schwimmens dienen, die Erhaltung des Gleichgewichts und die Orientierung über die Lage im
Raume und über die Eigenbewegung des Tieres vermitteln.' Da Dytiscus nicht selten das Wasser
verlässt, und von seinen grossen Flügeln Gebrauch macht, wäre es nicht undenkbar, dass er
während der Zeit des Aufenthalts an der Luft auch riechen könnte, wie andere Käfer. Es ist
sogar sehr wahrscheinlich, dass ein gewisser geringer Grad von Riechvermögen vorhanden ist, doch
weiss ich kein Moment anzugeben, welches nachweisen würde, dass Dytiscus vom Riech vermögen
irgend welchen Gebrauch macht. Zunächst fielen alle meine diesbezüglichen Experimente negativ aus.
Dass ferner die Wasserkäfer, wenn sie beim Fliegen Wasserflächen aufsuchen, sich hiebei vorzugsweise
vom Gesichtssinne leiten lassen, habe ich schon früher erwähnt (216), auch dass verschiedene Angaben
vorliegen, nach welchen die Käfer durch glänzende Glasflächen getäuscht worden sind (252). Das
spricht gegen Leitung durch den Geruch des Wassers. Andererseits wird aber auch angegeben, dass
Dytiscus in dunkler Nacht fliegend, selbst kleine Wasserpfützen mit trübem Wasser mit Sicherheit
finden soll. Doch kann auch hiebei der Gesichtssinn immer noch leitend gewesen sein. Im Wasser
scheint der Gesichtssinn wenig Wert für den Käfer zu haben, wenigstens sah ich Exemplare mit völlig
exstirpierten Augen ebenso sicher schwimmen wie gesunde, und auch beim Suchen der Nahrung zeigten
sie sich kaum ungeschickter.
Jedenfalls kann die Existenz eines mässig entwickelten Riechvermögens nach den vorliegenden
Beobachtungen nicht mit Bestimmtheit in Abrede gestellt werden, und dann könnten die kelchförmigen
Organe wohl seine Werkzeuge sein.
Ansprechender aber erscheint mir die erwähnte Annahme, dass der normale, adäquate Reiz
dieser Sinnesorgane ein mechanischer ist, und dass diese dadurch zur Statik und Kinetik des Schwimmens
in Beziehung stehen. Beim Schwimmen werden die Fühler seitwärts gestreckt gehalten und kehren
damit gerade diejenige Seite nach vorne, welche unsere in Frage stehenden Organe trägt. Diese
werden somit dem Wasserdruck beim Vorwärtsschwimmen direkt entgegengestellt.1 Werden die Fühler
abgeschnitten, so ist das Schwimmen erschwert, noch viel mehr, wenn die Taster mit entfernt sind.
Denn nach Entfernung der Fühler allein bleibt dem Tiere immer noch die ziemlich grosse Gruppe von
kelchförmigen Organen auf dem Endgliede der Kiefertaster übrig, und erst, wenn auch diese fehlen,
ist die Desorientierung und Gleichgewichtsstörung eine vollständige. Es treten dann alle die beschriebenen
Störungen auf, der Käfer heftet sich mit Vorliebe an die Wand an, er ändert nie willkürlich
die Richtung des Schwimmens, offenbar weil er gar keine Empfindung mehr vom Schwimmen
und dessen Erfolg hat.
Gewiss fehlt es auch anderen gewandt schwimmenden und fliegenden Insekten nicht an Apparaten
zur sensiblen Regulierung der Bewegung, ich erinnere nur an die Halteren der Zweiflügler,
welche neuerdings nach E. W e in la n d (325) in diesem Sinne gedeutet werden. Warum freilich
gerade bei einzelnen Familien die Apparate so besonders ausgebildet sind, entzieht sich vorläufig
unserem Verständnis.
F ü r Organe des chemischen S innes h a lte ich b e i Dytiscus a u s s c h lie s s lic h
die K eg e l d e r G aum en p la tte sowie die h o h len G ru b en k eg e l von der Form d e r
F ig u r 7, welche sich am L ip p e n ta s te r , in n e ren K ie f e r ta s te r und Gaumenzapfen
v o r fin d e n ; dag eg en h a lte ich d ie massiven G ru b e n k e g e l, die T astz äp fch en und
d ie k e lch fö rm ig en Organe für W e rk z e u g e des m e ch an isch en Sinnes.
Dass die Drüsen, deren Ausführungsgänge sich so vielfach in der Umgebung aller dieser Sinnesorgane
finden, zur Sinnesthätigkeit, speziell vielleicht dem Geschmack, in irgend einer Beziehung stehen,-
halte ich deshalb für sehr unwahrscheinlich, weil sie auch z. B. in den Gruben der massiven Tastkegel
in Menge münden. Wahrscheinlich liefern sie ein Sekret, das dem Chitin Schutz gegen Imbibition mit
Wasser verleiht, vielleicht auch ein Exkret, analog dem Schweiss.
Nun noch einige Worte über die Bedeutung der Fühler und Taster im Ganzen.
Aus den mitgeteilten Versuchen geht deutlich hervor, dass die Bedeutung der Taster, wenigstens
für den Aufenthalt im Wasser, grösser ist als die der Fühler. Ihre Resektion bedingt merkbarere
Störungen. Zahlenmässig geht dies aus der Versuchsreihe hervor, die ich früher (216 pg. 35)
veröffentlicht habe, und deren Resultat war, dass ein Fleischstück von unverletzten Tieren (sämtlich
Dytiscus margindlis) 10 mal aufgefunden wurde, von Tieren mit Tastern, aber ohne Fühler 6 mal, mit
Fühlern und ohne Taster 1 mal, ohne Fühler und ohne Taster keinmal. Am genannten Orte ist auch
ausgeführt, dass der bei Entfernung der Taster wesentlich geschädigte Sinn der Tastsinn, nicht der
Geschmackssinn ist.
Wasserkäfer, denen die Taster fehlen, sind im Kampf um’s Dasein wesentlich schlechter gestellt,
als gesunde unverletzte, und auch als solche, denen die Fühler fehlen. Beim Kampf um ein
Stück Fleisch sah ich stets die tasterlosen den unverstümmelten Käfern weichen. Waren die Käfer
zeitweise ohne Nahrung geblieben, so fiel ihnen einer aus der Gesellschaft zum Opfer, und es war
stets ein Exemplar ohne Taster, welcher von den anderen aufgefressen wurde. Und dabei war dieses
Opfer nicht etwa infolge der Operation gestorben, sondern es hatte wochenlang nach derselben gelebt
und sich gut erholt. - Trotzdem sah ich immer gerade diese Exemplare im Kampfe unterliegen, während
der Verlust der Fühler nicht in diesem Sinne wirkte.
Wer Gelegenheit hat, Wasserkäfer länger zu beobachten, wird nicht P la te a u zustimmen,
welcher die Taster der Insekten', auch die der Käfer, als unnütz gewordene Organe auffässt, deren
Verlust dem Tiere keinen Schaden ‘ bringe (240J.C. Man braucht nur einen Dytiscus zu beobachten,
welcher Nahrung wittert und sucht, und ihm ferner beim Fressen zuzusehen, um sich vom Gegenteil
zu überzeugen.
P la te a u hat die fressenden Insekten mit der Lupe betrachtet und gefunden, dass sie normal
ihre Nahrung aufnehmen, auch wenn die Taster entfernt sind. Von Dytiscus giebt P la te a u
speziell an, dass er (das unverstümmelte Tier) beim Fressen die Fühler seitwärts vom Kopfe ausge-
gestreckt hält, dass die Lippentaster, ohne das Futter zu berühren, nach unten und hinten gestreckt
werden. Die Unterkiefertaster werden mit den Spitzen,an das Fleisch angelegt, „mais [elles] ne
tatonneht pas. “
Ich hatte Gelegenheit, an etwa 40—50 Stück Dytiscus marginalis' (cf und $) Beobachtungen
anzustellen. Sie verhielten sich im wesentlichen alle gleich. Ihre Fühler bleiben beim Fressen wie
beim Ergreifen der Nahrung ausser Thätigkeit, ihr Fehlen stört beim Fressen gar nicht. Ist das vorgelegte
Stück Fleisch sehr klein, so bleiben auch die Lippentaster ausser Thätigkeit, sie werden, wie
auch,P)ateau angiebt, hur passiv mit der Unterlippe bewegt. Anders die Kiefertaster. Diese'
1}etaste.il 1 e b h a f t und an d a u e rn d das FleisCh, nur v o rü b e rg e h en d b le ib e n sie m it
d e r S p itz e ; o d e r in ih r e r ganzen L ä n g e dem F le is c h s tü c k e an g e leg t. Sie scheinen'
Bibliotheca zoologica. Heft 18. 11