Argumentation zwingt Chun, wie wir sehen werden, die Pneumatophore der Physophoren für ein
Homologon der Larvenglocke zu erklären.
Nun ist aber, nach C h u n s eigener Aussage, der Nachweis einer Larvenglocke bei der Calyco-
pborenkolonie und ihres Ersatzes durch sekundäre, heteromorphe Glocken bis vor kurzem „nur für
Fig. 7. Larve von Muggiaea mit der
PrimärgJocke und der Anlage des ersten
Saugmagens und Tentakels. So = Somatocyste.
(Chun. )
die Anfangs- und Endglieder der Reihe, nämlich für eine Mono-
phyide (Muggiaea) und für eine Polyphyide (Hippopodius) geführt
worden“. Jedoch sollten alle Beobachtungen über die Entwicklung
der Diphyiden darauf hinweisen, daß auch bei ihnen aus der ersten
Glockenanlage nicht, wie angenommen, die Oberglocke, sondern
1 eine vergängliche Larvenglocke wird (1892, p. 81).
Auf Grund meiner eigenen Beobachtungen bin ich, im
Gegensatz hierzu, der Überzeugung, daß die erste Entwicklung
der meisten Calycopboren wesentlich anders verläuft, wie von
C h u n speziell bei Muggiaea geschildert.
Bei dieser entwickelt sich die hinfällige Larvenglocke ganz
ähnlich wie die von G e g e n b a u r und M e t s c h n i k o f f
beobachtete erste Glocke von Galeolaria und Hippopodius, und gleicht dieser auch (Fig. 7, Text),
indem sie ebenfalls glatt und mützenförmig ist, wie die einzige Glocke von Monophyes und Sphaero-
nectes. Während sie heranwächst, entwickelt sich das erste Cormidium, das anfangs ebenfalls nur aus
dem Saügmagen und jungen Tentakelapparat besteht, wobei letzterer der Larvenglocke zugekehrt ist,
also zwischen dieser und dem
Saugmagen sitzt (Fig. 8, Text)
— eine sehr wichtige Tatsache.
Über dem ersten Cormidium
sproßen dann, wie bei der Larve
von G. quadrivalvis das zweite
und die weiteren Cormidien hervor,
und zwar wie der Tentakelapparat
auf der, der Larvenglocke
zugekehrten Stammseite,
die dadurch als Ventralseite
gekennzeichnet ist. Zugleich
entsteht am Stämmchen, das
sich inzwischen gebildet hat,
eine zweite Glocke, die zur
heteromorphen, definitiven,
fünfkantigen Glocke von
Muggiaea kochi (Will) wird
(Fig. 9, Text). Diese sitzt auf
T r. ™ mit der entgegengesetzten Stamm- Fig. 8. Ältere Larve von Muggiaea mit & & &
der Primärglocke, dem ersten Saugmagen seite wie die CQrmidien, a lso
und Tentakel und der Anlage der zweiten ¿orsa]: Die Larvenglocke fällt
Glocke nebst weiteren Cormidien über dem -rr , •
ersten Tentakel. (C h u n.) spater ab und das VerbindungsFig.
9. Noch ältere Larve von Muggiaea
mit der Larvenglocke, der charakteristischen
definitiven Gloeke und
längerem Stamm. Go = Gonophore,
H = Hydröcium. (G h u n .):
stück des Stammes zwischen beiden Glocken (Textfig. 9 b e ix ) wird resorbiert, wie C h u n neuerdings
(1913) ausgeführt hat. Damit ist die larvale Entwicklung von Mg. kochi beendet.
Vergleichen wir dieses larvale Zweiglockenstadium m it seiner larvalen Primärglocke oben ventral,
und der sekundären Glocke, der definitiven Oberglocke, unten dorsal, mit irgend einer definitiven
Diphyidenkolonie, z. B. D. sieboldi mit ihren zwei superponierten und opponierten Hauptglocken,
dann ergibt sich auf den ersten Blick ein außerordentlich charakteristischer Unterschied: hier sitzt,
umgekehrt wie dort, die obere (definitive) Glocke dorsal, also den Cormidien opponiert, die untere
(die Unterglocke) ventral, so wie dorten die Larvenglocke. A n d i e s e r U m k e h r u n g d e r
L a g e b e z i e h u n g e n d e r b e i d e n H a u p t g l o c k e n z u m S t a m m s i n d d i e
L a r v e n j e d e r z e i t s o f o r t a l s s o l c h e zu e r k e n n e n . D a s i s t e i n K r i t e r
i u m , u m s i e a u c h v o n g a n z j u n g e n , d e f i n i t i v e n K o l o n i e n z u u n t e r s
c h e i d e n . Zum Verständnis der folgenden Ausführungen muß dies stets im Auge behalten werden.
Dementsprechend zeigen auch die von M e t s c h n i k o f f abgebildeten Galeolaria-Ij&rven das
gleiche Verhalten wie die Muggiaea-Larven Chuns , ebenso die von mir in Villefranche gefischten
Larven, deren nähere Bestimmung allerdings unmöglich war. Die älteste von ihnen bilde ich Taf. I II
ab; sie schließt sich direkt an die betreffenden Larven M e t s c h n i k o f f s an, und ist nur etwas
älter, nach der Knospe für die zweite Glocke zu urteilen.
Mit dieser Darstellung C h u n s der Entwicklung von Muggiaea lassen sich nun eine ganze
Reihe Stadien nur sehr schwer oder gar nicht in Einklang bringen, die ich mit ganz wenig Ausnahmen
bei allen von mir untersuchten Diphyiden gefunden habe. Die jüngsten derselben habe ich seinerzeit
(1912) als definitive „Einglockenstadien“ bezeichnet. Es handelt sich bei diesen nicht um Larvenstadien,
wie bei C h u n s „larvalem Monophyidenstadium“ , sondern sie stellen die ersten def ini t
i v e n Stadien der zwei- und mehrglockigen Formen bis zur Anlage der ersten Unterglocke
dar. Mit dem Auftreten der letzteren hört dieses Einglockenstadium, nach meiner Definition, auf,
während C h u n s Schüler L o c h m a n n, der diesen Ausdruck von mir übernommen hat (1914),
ihn fälschlich auch dann noch anwendete, wenn die Unterglocke bereits angelegt ist. Diese Einglockenstadien
und die direkt auf sie folgenden bieten jedenfalls der Annahme C h u n s nicht die
mindeste Stütze, daß ganz allgemein auch bei den Diphyiden die definitive Oberglocke keine Primärglocke
ist, sondern eine larvale Glocke vorausgeht, wie bei Muggiaea. Eine nähere Besprechung der
betreffenden Stadien macht dies klar.
Das definitive Einglockenstadium besteht anfangs lediglich aus der sehr kleinen, definitiven
Oberglocke, deren Bedeutung unzweideutig aus der Form, wie aus der dorsalen Lage hervorgebt,
und dem unfertigen Primärcormidium. Dieses setzt sich aus dem großen Saugmagen und dem jungen,
der Oberglocke opponierten Tentakelapparat zusammen. Ich bringe hier 4 typische Einglockenstadien
zur Abbildung (Fig. 10 a—d, Taf. IV). Das Primärcormidium sitzt dabei dicht unter der
Hydröciumkuppe und der Basis der Somatocyste, das ist das Wichtige, so daß ein Stamm
noch vollständig fehlt.
In der Folge rückt das Primärcormidium, unter gleichzeitiger Vervollständigung, von der
Hydröciumkuppe ab, ähnlich wie es C h u n bei der Muggiaea-]ua,ive schildert, während ein Stiel,
die Anlage des Stammes, allmählich sichtbar wird. Dieser Stiel, an dessen Ende das Primärcormidium
hängt, streckt sich in die Länge, wobei auf jener, der Oberglocke a b g e k e h r t e n Stammseite
und über dem ersten Tentakel nacheinander zwei Knospen je nach Art und Gattung bald früher,
bald später neben- oder übereinander auf treten (Fig. 11 a, b, c, Taf. IV). Die eine dieser Knospen,