
glücken wollte, sie zur Weiterentwicklung zu bringen, obwohl sie bis zuletzt anscheinend gesund
waren. Sie schwammen beweglich und munter in den betreffenden Behältern herum und angelten
mit ausgebreitetem Tentakelapparat.
Nicht besser erging es mir mit II. luteus Q. et G., der zweiten Form, die damals in Neapel sehr
zahlreich auftrat, während ich sie das vergangene Jahr in Villefranche überhaupt nicht zu Gesicht
bekam. Für die Untersuchung ist sie insofern sehr günstig, als sie sich leicht längere Zeit in Gefangenschaft
halten läßt und sehr widerstandsfähig ist, z. B. gegen Verletzungen. So kann man ihr, wie
ich mit Erstaunen feststellte, sämtliche Glocken nehmen, ohne sie in ihrem Wohlbefinden zu stören.
Dadurch wird es möglich, im einzelnen das auffallend rasche Heranwachsen der, von der Schwimmsäule
allein übriggebliebenen Knospen zu funktionierenden kleinen Glocken und die, sonst ganz
versteckte Vermehrung der Cormidien näher zu beobachten. Keines der gefangenen Exemplare war
reif, und bei keinem wollte sich die Reife erzielen lassen. Auch Me t s e h n i k o f f , der Meister
embryologischer Forschung, machte die Erfahrung, daß diese Art besonders ungünstig ist für derartige
Untersuchungen wegen der Schwierigkeit, entwicklungsfähige Eier zu erhalten und aufzuziehen.
Mit den übrigen, mehr oder weniger gemeinen Arten, die damals in Neapel zahlreich auftraten,
hatte ich ebenfalls kein Glück, so mit M. irregvlaris Claus, Sph. Jcollikeri Huxley, Ph. hydrostalica
Forskäl, F. contorta (Vogt) und Hai. pictum Metschn. Von der vierten Art z. B. wurde nur und zwar
nicht in Neapel, sondern seinerzeit in Villefranche ein einziges, nahezu reifes Exemplar gefangen;
alle anderen waren, trotz oft beträchtlicher Größe, noch ganz unreif. Dieses eine Exemplar war
merkwürdigerweise, der Größe nach, viel jünger, nämlich viel kleiner, wie die meisten anderen, und
doch war sein ganzes distales Drittel nahezu reif. Auch das zeigt, wie sehr die Reife von verschiedenen,
noch unbekannten Faktoren abhängt, unter denen das Alter durchaus nicht immer die erste Rolle
spielt. Sogar die einzelnen Teile besitzen hierin eine gewisse Selbständigkeit. Bei Pr. cynibi-
formis D. Ch. z. B. fällt, nach meinen Beobachtungen, die Reihenfolge der Cormidien durchaus nicht
immer mit der entsprechenden Höhe der Entwicklung zusammen; man findet häufig jüngere Cormidien
weiter in der Geschlechtsreife fortgeschritten, wie die nächstfolgenden älteren. Oft macht sieb auch
ein längerer Stillstand in der Entwicklung geltend, trotzdem ununterbrochen ein lebhafter Nachschub
junger Cormidien von der Knospungszone aus stattfindet; das habe ich namentlich bei D. sieboldi
beobachtet. Dadurch kommen zahlreiche, hintereinander gelegene Cormidien auf nahezu oder sogar
ganz gleiche Entwicklungsstufe zu stehen. Besonders in der Mitte des Stammes ist das der Fall,
während Anfang und Ende immer einen mehr oder weniger erheblichen Unterschied von einem Cor-
midium zum anderen erkennen lassen. Im einzelnen zeigen sich hier die verschiedensten Modifikationen,
je nach der Art, wobei die Länge ihres Stammes und die besondere Entwicklung ihrer Hauptglocken
eine Hauptrolle spielen. Das, was ich als das r e l a t i v e E n t w i c k l u n g s t e m p o
bezeichne, nämlich das Entwicklungstempo eines Organes oder Teiles im Verhältnis zu dem der anderen
Organe und zur übergeordneten Einheit wie den Cormidien, wird also von den verschiedensten
Faktoren beeinflußt, wodurch natürlich die embryologische Untersuchung entsprechend erschwert
und kompliziert wird.
Trotz dieser Schwierigkeiten, die nur unter besonders glücklichen Umständen und bei großer
Erfahrung und Ausdauer überwunden werden können, sind in neuerer Zeit eine Reihe Beobachtungen
gemacht worden, die ein eigenartiges Licht auf die larvalen Verhältnisse der Siphonophoren werfen.
In Verbindung mit den von mir in Neapel gefundenen Larven und Jugendstadien und meinen anderweitigen
Untersuchungen müssen sie zu einem vollständigen Umschwung unserer Auffassung der
Organisation und des morphologischen Aufbaues dieser schwer verständlichen Ordnung, die schon so
viel Kopfzerbrechen verursacht hat, führen. Das soll im folgenden nachgewiesen werden, wobei ich
allerdings; für Einzelheiten auf meine Monographie der Siphonophoren der Gauß-Expedition verweise.
Jedenfalls ist es aber an der Zeit, die früheren Beobachtungen und Ergebnisse mit den neuen
Zu vergleichen, namentlich mit meinen Untersuchungen über die erste, postlarvale Entwicklung,
um zu sehen, wie sie sich miteinander in Einklang bringen lassen, und welche Konsequenzen sich aus
ihnen ergeben. Das ist um so nötiger, als die Deutung der Larven und ihrer ersten Entwicklung
eine ausschlaggebende Rolle in den verschiedenen Theorien über die phylogenetische Abstammung
der Siphonophoren und ihre Beziehungen zu den übrigen Hydrozoen spielt. Hierbei stehen sich die
verschiedensten Ansichten diametral gegenüber. Nicht einmal über eine so kardinale Frage konnte
bisher Einigkeit erzielt werden, ob die Physophoren oder die Cälycophoren die ursprünglichen sind und
als Ausgangspunkt der phylogenetischen Entwicklung genommen werden müssen.
M e t s e h n i k o f f ging von den typischen Physophoren, den Siphonectae Moser (s. Gauß)
mit langem Stamm und vielen Schwimmglocken, wie Halistemma, aus; L am e e r e , Cl a u s ,
S c h n e i d e r , ursprünglich auch L e u c k a r t, sehen in den Cälycophoren den Urtyp. Deren Larven
sollen die Primordialform darstellen, von der die Larven der anderen Siphonophoren abzuleiten sind,
während diese selbst auf die Hydtoiden zurückgeführt werden müssen. .
Der von mir erbrachte Nachweis, daß die Cälycophoren die primitivsten Siphonophoren darstellen,
auf welche ferner die Physophoren, wie wir sehen werden, in jeder Beziehung zurückgeführt
werden können, bedeutet eine große Vereinfachung der ganzen Probleme, und damit einen entschiedenen
Fortschritt, denn wenn die betreffenden Fragen für die Cälycophoren gelöst sind, sind sie
es eo ipso auch für die Physophoren, und ist es dann eine Frage für sich, wie die letzteren im besonderen
von den ersteren abgeleitet werden müssen.
Im folgenden bespreche ich beide Ordnungen getrennt, mit den Cälycophoren beginnend.
Den Abschluß des allgemeinen Teiles 'bilden theoretische Erörterungen und eine Zusammenfassung
der Ergebnisse. Im speziellen Teil werden die wichtigeren, von mir gefundenen Larven
besprochen.
Die Larven der Cälycophoren.
Bei den Cälycophoren entsteht als erstes an der-Planula die Schwimmglocke; darüber herrscht
keine Meinungsverschiedenheit; später erst folgen der Saugmagen und Fangfaden. Um so größer
ist der Streit über die morphologische Bedeutung dieser ersten Glocke,
die ich allgemein als Primärglocke bezeichne, ohne Rücksicht auf ihr
spezielles Schicksal und ihre morphologische Bedeutung. Ebenso groß
ist der Streit über eine andere )Frage: Ist dieses' frühe Auftreten der
Primärglocke ein ursprüngliches Verhalten, so daß das lokomotorische
Organ tatsächlich das erste ist, an dem nachträglich;die weiteren Organe
hervorsprossen ? Sind also die Siphonophorenlarven einer proliferierenden
Meduse vergleichbar? oder ist das, eine;caenogenetisehe Veränderung,
eine Fälschung, indem ursprünglich als erstes der Säügmagen, also das
Ernährungsorgan aus der Plänula hervorging, um nachträglich wie ein
von G. truncata (Sars) mit der
Polyp die anderen Teile hervorzubringen ? Diese Frage ist von äußerster
Primärglocke (Glj).