Die lappigen Gebilde, welche sich innen oberhalb der Basis der Paramerengrundglieder befinden,
stellen nach ihrer Lage und V erbindung den oberen Anschluß des 9. Abdominalsegmentes dar und
können mithin nur als ein ausgestaltetes 9. Tergit aufgefaßt werden. Bei Helicomyia pierrei ist dasselbe
verhältlich klein und besteht aus einem breiteren, vorn tief eingeschnittenen Vorderlappen
(Fig. 19, v) und einem schmäleren, hinten eingebuchteten Hinterlappen (h). Vor dem äußeren befindet
sich ein Wulst, an welchen vom 8 . Segment ausgehende Seitenmuskeln (m 5 ) angreifen, um
das ganze 9. Tergit nach vorn zu ziehen. Die Gestalt des 9. Tergits ist bei den Gallmücken sehr
mannigfaltig, bei Bremia u. a. bildet der Hinterlappen hinter dem zweilappig nach hinten gerichteten,
beborsteten Vorderlappen ein äußerst fein behaartes, jederseits eingedrücktes Kissen, welches eine
anscheinend schwellbare Verbindung zwischen Vorderlappen und Penis herstellt. Die durch Helicomyia,
Bremia u. a. vertretenen Fälle sind zweifellos sekundärer Natur, während z. B. bei Iridomyza
kaltenbachi schon durch die starke Entwicklung des breiten, trapezischen 9. Tergit ein mehr primärer
Zustand dargestellt wird.
Viele weibliche Cecidomyiden sind durch eine Legeröhre ausgezeichnet, und zu diesen Formen
gehören auch die durch Fig. 17 und 20 erläuterten Helicomyia pierrei und Rhabdophaga dubia.
Das weibliche Abdomen ist bei diesen Gattungen zunächst allmählich nach hinten verschmälert,
d. h. im Bereich des 5. und 6 . Ringes, während mit dem 7. und 8 . eine mehr plötzliche, fast stufige
Verschmälerung eintritt. Das 8. Abdominalsegment ist schon entschieden röhrig gebildet und läßt
keinen deutlichen Unterschied zwischen Tergit und. Sternit mehr erkennen. Dennoch macht sich
auch hier das eigentliche Skleritengebiet durch seine Beborstung kenntlich und ist sowohl vorn
(Fig. 17 a, i) als auch hinten durch einen breiten, unbeborsteten Zwischenhautzylinder vom vorhergehenden
und nachfolgenden Segment geschieden.
Das röhrige 8. Abdominalsegment ist wiederholt als erstes oder Grundglied der Legeröhre beschrieben
worden, was physiologisch auch angängig ist, vergleichend-morphologisch aber nicht; man
könnte das 8. Segment als Vorröhre bequem von der eigentlichen Legeröhre unterscheiden. Der
Körperabschnitt, welcher auf das 8 . Abdominalsegment folgt und nur als umgewandeltes 9. in Betracht
kommen kann, ist fernrohrartig nicht nur tief hinten im 8. Segment eingesenkt, sondern auch
an seiner Wurzel anatomisch so hervorragend ausgezeichnet, daß eben deshalb nur hier an dieser
Wurzel das Vorderende der wahren Legeröhre sich befindet (b, Fig. 17 a u. b und 20). Um dieser
mm oe
Fig. 20. Hinterleibsende des $ von Rhabdophaga dubia Kffr,
von oben gesehen.
8 = achtes, 9 = n euntes Segment, r a = Radien de r Legeröhre; s = Schrägmuskeln
derselben, X = Ende der Ringmuskulatur, is = Verbindungshaut zwischen dem
8. und 9. Segment, oe = Mündung d er Vagina, ro = ringförmige Falte, b = Basis der
Legeröhre, e = Endlappen derselben, r = Retraktoren.
Legeröhre eine gewisse Festigkeit und zugleich Biegsamkeit zu verleihen, enthält sie zwei stabartige
Chitinstäbe oder Radien (ra, Fig. 20), wie sie in schmalen Legeapparaten auch bei vielen anderen
Insekten, z. B. mehreren Coleopterenfamilien Vorkommen. Bei manchen Formen, wie Helicomyia
pierrei, sind die Radien so zart, daß man sie kaum erkennt, deutlicher sind sie schon bei Rhabdophaga.
Eine für ihre Untersuchung besonders geeignete Form ist aber Lasioptera carophila, zumal bei derselben
die Endabschnitte der Legeröhre als Skleriten überaus scharf von den rein häutigen vorderen
Abschnitten abgesetzt sind. Es ist aber daher ganz natürlich, daß die Radien als Versteifungen des
häutigen Legeröhrenteiles mit der Erreichung des hinteren festeren Abschnittes aufhören. Sie dienen
jedoch nicht nur zur Versteifung, sondern an ihnen sind zugleich die Schrägmuskeln (Fig. 20) der
Legeröhre ausgebreitet. Die Wurzel der Legeröhre ist also durch das Vorderende der Radien und
damit gleichzeitig durch das Aufhören der Schrägmuskeln ausgezeichnet, ferner durch den Ansatz
kräftiges Retraktoren (r, Fig. 20), welche das 9. Segment durchsetzen.
Zwischen dem Vorderrande der Radien befindet sich als weitere Auszeichnung der Legeröhrenwurzel
eine fast V-förmige, aus zwei kleinen Bogen bestehende Verdickung (b), zwischen denen der
Ovidukt in die Vagina der Legeröhre übergeht. Die Endabschnitte der beiden Ovidukte, welche
eine äußerst feine, anscheinend spiralige Wandverdickung besitzen, vereinigen sich bei Rhabdophaga
dubia (Fig. 20 ovd) schon kurz vor ihrem E intritt in die Vagina.
Die Wurzel der Legeröhre ist mithin so hervorragend ausgezeichnet, daß als Vordergrenze
derselben keine andere Stelle in Betracht kommen kann.
Bei den Formen mit engen Legeröhren sind die Eier schon an und für sich sehr schmal und
fast zigarrenförmig gebaut. Es geht aber aus der Beschaffenheit der Ovidukte und dem engen Kaliber
der Legeröhre hervor, daß sie beim Passieren derselben noch mehr und schließlich schlauchartig
zusammengedrückt werden müssen. Das Ausstößen der Eier wird, von Längs- und Schrägmuskeln
abgesehen, besonders durch die Ringmuskulatur bewirkt (Fig. 17 m. 20), welche sich im Bereich des
7., 8 . und 9. Segmentes findet und an der Legeröhre fast bis zur Genitalöffnung reicht (X). Der die
Genitalöffnung (oe) überragende Endzipfel (e) ist bei sekundären Formen einheitlich, bei primären
geteilt und kann sogar, wie bei Iridomyza kaltenbachi Rübs. in zwei dreigliedrige Gebilde geteilt sein.
Letztere erinnern sehr an die Pseudocerci mancher Carabidenlarven. Indessen sind die Gebilde
des 9. weiblichen Abdominalsegmentes bei vielen Arten teils zu schwächlich entwickelt, teils zu
derivat, um eine sichere vergleichend-morphologische Deutung zuzulassen. Ob es sich daher um
Sternit oder Tergit oder beides handelt, kann nicht überall entschieden werden; oder es gelingt das
doch nur im Zusammenhang mit verwandten Formen (siehe unten!). Das Abdomen der Cecidomyiden
kann unter den Dipteren nicht als das primitivste betrachtet werden, vielmehr bieten uns mehrere
andere Familien ursprünglichere Verhältnisse und unter diesen namentlich die Tipuliden, welche auch
mit Rücksicht auf die Größe der Formen und die scharfe Ausprägung der einzelnen abdominalen
Sklerite zu einem vergleichend-morphologischen Ausgang besonders geeignet sind.
Das weibliche Tipulidenabdomen wurde bereits 1903 (Zool. Anz. Nr. 701, 2 ) von B ö r n e r im
Zusammenhang mit Vertretern einiger anderer Gattungen vergleichend-morphologisch untersucht
und durch folgendes Schema erläutert:
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Cp. 1.
Tivula-' [ a
1 2 3 4 5 6 7 8* 9 10
Das bedeutet also das Vorkommen von 10 abdominalen Tergiten und Sterniten, während die Punkte
7 abdominale Stigmenpaare anzeigen; a bedeutet After, Cp 1 ungegliederte Cerci, während der Stern
die Lage der Genitalöffnung andeutet.
Die Angaben von B ö r n e r habe ich an der Hand von 3 deutschen, nicht näher bestimmten
Tipula-Arten nachgeprüft und kann sie in der Hauptsache bestätigen. Etwas abweichender An