
R ü b s a a m e n hat wiederholt die Imagines der verschiedensten Arten erst gezüchtet, nachdem
die Larve zweimal überwintert hatte, und glaubt, daß er auch nach dreimaliger Überwinterung noch
Mücken erhalten hätte, wenn er die Zucht fortgesetzt hätte.
Auch S e i t n e r berichtet von seiner Plemeliella abietina, daß die Larven drei Jahre lang in
Fichtensamen leben. Was bei dieser Art die Regel ist, findet sich bei anderen Arten als Ausnahme.
Uber die Ursachen, durch welche die Entwicklung zur Imago hintangehalten wird, vermögen wir
bis jetzt noch nichts Sicheres anzugeben. Aus durchaus gleichmäßig behandelten Larven desselben
Zuchtbehälters erscheint manchmal die Imago noch in demselben Sommer bereits nach einigen Wochen.
Andere Tiere schlüpfen erst im Frühjahre, während wieder andere Larven zweimal oder sogar dreimal
überwintern. Bei Beschreibung seiner Dasyneura nasturtii, deren Larven R ü b s a a m e n Ende
März 1914 aus Dalmatien erhielt, teilt er mit, daß einige Weibchen bereits vom 16.—20. Mai desselben
Jahres ausgeschlüpft seien. Erst im September 1915 begann eine neue Flugperiode und am 1. Dezember
1915 befanden sich in demselben Zuchtglase noch lebende Larven vom März 1914. Eine dritte Flugperiode
folgte im April 1916 und im März 1917 befanden sich in dem Zuchtglase immer noch lebende
Larven.W
as nun die Widerstandskraft der Gallmückenlarven gegen Trockenheit anbelangt, so braucht
nur an den ausnehmend heißen und trockenen Sommer 1911 erinnert zu werden. Die oberen Erdschichten
waren damals so ausgetrocknet, daß sogar ziemlich tief wurzelnde Sträucher der Trockenheit
zum Opfer fielen, und doch haben die zarten Gallmückenlarven dieser Trockenheit widerstanden.
Ähnliches haben R ü b s a a m e n u. a. wiederholt in den Zuchtgläsern beobachtet, in denen die
Larven auch dann noch zur Verwandlung kamen, nachdem man den Sand, in welchem sich die Larven
befanden, absichtlich vollkommen austrocknen ließ.
Während ihres Larvenlebens häuten sich die Cecidomyiden einigemal, doch glückt es auch
bei den in Gallen lebenden Arten selten, die abgestreiften Larvenhäute aufzufinden oder gar den
Häutungsvorgang zu beobachten. Bei zwei Arten, Dasyneura pseudococcus Rübs. und Massdlongia
aceris Rübs., die auf Acer die sogen. Fenstergallen erzeugt, hat T h o m a s (42) nachgewiesen,
daß die alte Larvenhaut als Schutzhülle verwendet wird. Bei Dasyneura pseudococcus klebt die erste
Larvenhaut regelmäßig an einer Seite der aus abgeschabten Haaren gebildeten Hülle und bei der
Ahorn-Mücke wird die Gallenöffnung durch die glashelle Larvenhaut geschlossen.
Wie schon gesagt, erfolgt die Verwandlung zur Puppe bald in oder auf der Erde, bald an der
Nährpflanze. Bei einigen Arten löst sich die Galle von der Pflanze los und fällt zur Erde und die Larve
überwintert in den abgefallenen Gallen. F r . L ö w h a t nachgewiesen, daß die Larven seiner Didy-
momyia reaumuriana nach dem Abfallen der Galle noch weiterwachsen; vielleicht liegen bei anderen
Arten die Verhältnisse ähnlich, doch fehlen Beobachtungen hierüber.
Die auswandernden Larven verpuppen sich entweder auf der Erde unter abgefallenem Laub
oder sie bohren sich mehr oder weniger tief in die Erde ein. Im Zuchtbehälter wird der Sand oder
die Erde am lebhaftesten durchwühlt von den Larven der Gattung Contarinia. Daß aus der Galle
auswandernde Larven in ihren Bewegungen viel lebhafter sind als die sich in der Galle verwandelnden,
ist naheliegend. Letztere sind meist sehr träge und oft überhaupt nicht imstande, sich fortzubewegen,
sie vertrocknen, aus der Galle gewaltsam herausgenommen, oft ohne sich von der Stelle zu bewegen.
Meist bestehen die Larven ihre Verwandlung in einem Cocon oder in einem Tönnchen, d. h. der alten,
abgestoßenen Larvenhaut, seltener ohne eine derartige schützende Hülle, wie z. B. Acodiplosis inulae
H. Lw., Myricomyia mediterranea F. Lw. u. a., die sich frei in der Galle verwandeln.
Tönnchenpuppen kommen bei deutschen Cecidomyiden vorzugsweise nur vor bei einigen auf
Gräsern lebenden Arten aus der Verwandtschaft der berüchtigten Hessenfliege vor, die den Gattungen
Mayetiola, Poomyia, Pemphigocecis und Caulomyia angehören. Ganz vereinzelt steht das Verhalten
einer zu den Cecidomyidi gehörenden Art, Thurauia aguatica Rübs., bei der sich im Zuchtglase
zunächst ein Tönnchen bildet, nach dessen Zerstörung durch die Larve fertigt letztere einen an
einer Schmalseite offenen, dichten Cocon, in dem sie sich dann verpuppt. Ob diese Art der Verwandlung
auch in Freiheit die normale ist, bedarf weiterer Untersuchung. Trotzdem die Larve m
diesem offenen Cocon im Winter zeitweise unter Wasser lebt, wird sie wegen der im Cocon vorhandenen,
durch den Druck des Wassers zusammengepreßten Luft vom Wasser nicht berührt.
Über die Art der Anfertigung dieser Cocons herrscht noch ziemliches Dunkel. H. L o e w hielt
die CoGons für Gespinste, ebenso die Harzcocons von Cecidomyia pini Geer; W i n n e r t z widerspricht
ihm hierin. Er sagt in seiner Monographie der Gallmücken p. 197: „Die Angaben mehrerer
Schriftsteller, daß die Larven der Gallmücken spinnen, kann ich nicht bestätigen. Meine Beobachtungen
gehen dahin, daß sie die seidenartige Umhüllung, in welcher die Puppe liegt, gleichsam ausschwitzen
und daß diese Masse sich kristallinisch und sackförmig um die Larve legt. Ich bemerkte
bei den Larven mehrerer Arten, welche sich an Blättern angesetzt hatten, wie sich schon nach 24 Stunden
ein weißer Hof in einiger Entfernung um sie ablagerte, der auch nicht die Spur eines Fadens zeigte,
sondern nach und nach in einzelnen fadenartigen Teilchen sich ablagerte (etwa wie nadelförmige
Kristalle sich bilden), ohne daß die Larve die geringste Bewegung verriet, was mehr oder weniger
der Fall hätte sein müssen, wenn sie bei der Entstehung mitgewirkt hätte. Gewöhnlich ist das Säckchen
nach wenigen Tagen fertig und auch dann ist selbst bei starker Vergrößerung noch kein eigentlicher
Faden wahrzunehmen. Wenn Herr Dr. L o e w anführt, daß die Fertigkeit, zu spinnen, besonders
die zur Untergattung Cecidomyia (nach heutiger Auffassung sind dies die Oligotrophidi) gehörigen
Arten besitzen, so muß ich bemerken, daß zwar die Puppen fast aller dieser Arten in einem weißen
Säckchen liegen, daß ich mich aber bei keiner einzigen davon überzeugen konnte, daß dieses Säckchen
ein wirkliches Gespinst ist, selbst nicht bei Cecidomyia pini Deg., obgleich Herr Dr. L o e w behauptet,
daß es bei dieser Art unbestreitbar ein Gespinst sei.“
Daß W i n n e r t z in mancher Hinsicht nicht ganz unrecht hat, scheint sicher. Bei manchen
Gallmücken scheint sich das „Säckchen“ in der Tat in der von W i n n e r t z angegebenen Form zu
bilden, so daß man dasselbe wohl für eine „Ausschwitzung“ erklären könnte.
Bei vielen Cocons lassen sich freilich deutlich Fäden nachweisen, und auch bei dem viel umstrittenen
Cocon der Cecidomyia pini bleibt, weim man das sogen. Harztönnchen, das sich die Larve
vor der Verpuppung anfertigt, einige Zeit in Terpentinöl legt, ein Fadengerüst übrig. Es wurden
Larven dieser Art angetroffen, die in einem glasartig durchsichtigen Tönnchen saßen, an dem sich
keine Fäden nachweisen ließen. Ohne daß festgestellt werden konnte, auf welche Weise dies geschah,
wurde das Tönnchen allmählich ganz undurchsichtig und erreichte seine Endbildung.
Schon Fr. Löw macht darauf aufmerksam (41, p. 498), daß sich die Mehrzahl der Cecidomyiden
erst wenige" Wochen vor dem Erscheinen der Imagines zur Mumienpuppe verwandeln. Die Larven
überwintern daher meist als solche, jedoch sind auch Beispiele bekannt, daß nicht die Larve, sondern
die Puppe überwintert. Anfangs Juni eingezwingerte Larven der Contarinia geicola Rübs. verpuppten
sich in verschiedenen Zuchtgläsern alle bereits anfangs Oktober, während die Mücke von
Ende Januar bis Ende Februar flog. Ob dies bei gewissen Arten regelmäßig der Fall ist, oder ob manche
Arten aus nicht bekannten Ursachen bald als Larve, bald als Puppe überwintern, bleibt fraglich.
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Zoologica. Heft 77.