
Manche Arten, wie z. B.Contarinia viticola Rübs., leben als Larve mir sehr kurze Zeit an
ihrer Nährpflanze und gehen dann in die Erde, in welcher sie 10—11 Monate als Larve zubringen,
während andere Arten bereits 8—14 Tage nach der Wanderung in die Erde ausschlüpfen.
Bei vielen Arten, die sich in festwandigen Gallen verwandeln, findet sich in der Gallenwand ein
präformiertes Flugloch. Entweder hebt sich bei der Puppenreife ein deckelartiges Stück der Galle ab,
oder an einer bestimmten Stelle befindet sich in der sonst dicken und harten Gallenwand eine meist
kreisförmige, dünne Stelle, die von der Puppe leicht durchbrochen werden kann. Man ist meist der
Ansicht, daß diese präformierten Fluglöcher von der Larve mit Hilfe ihrer Brustgräte gebildet werden.
Daß die Brustgräte bei manchen Arten als Bohrapparat benutzt werden kann und auch wohl benutzt
wird, läßt sich wohl nicht bestreiten, da die Brustgräten vieler in holzigen Gallen lebenden Arten besonders
stark und kräftig gebaut sind und gegen Frühjahr oft deutliche Abnutzungen erkennen lassen
(vergl. Helicomyia pierrei Kffr, und Rhabdophaga salicis Schrk.). Inwieweit aber bei dieser Bohrarbeit
auch die oft m it festen, scharfen Bohrhörnchen versehene Puppe beteiligt ist oder die Pflanze selbst bei
der Bildung des präformierten Flugloches mitwirkt, bedarf noch der Klärung. Daß in manchen Fällen
die Pflanze selbst die Bildung des zukünftigen Flugloches übernimmt, unterliegt keinem Zweifel.
Ist die Puppe reif, so schiebt sie sich mittels ihrer feinen, nach hinten gerichteten Rückenstachelchen
und Rückendornen, die nur wenigen Arten fehlen, durch Hin- und Herbiegen des Körpers aus dem
Cocon oder der Galle heraus und steigt bei den in der Erde sich verwandelnden Arten bis zur Erdoberfläche.
Die Puppenhaut platzt regelmäßig in den Nähten des Thoraxrückens auf und die Mücke
schlüpft aus der Puppenhaut, indem sie allmählich Flügel, Beine und Fühler aus den Scheiden heraus^
zieht. Für uns sind die Cecidomyiden geruchlos. Eine Ausnahme macht, soweit bekannt, nur die
Gattung Macrolabis Kffr., die beim Ausschlüpfen einen auch für den menschlichen Geruchsinn
leicht wahrnehmbaren, moschusartigen Duft verbreitet.
Die Imagines sind zum Teil ziemlich träge und sitzen im Zuchtglase oft stundenlang an derselben
Stelle, wobei manche Arten nur mit den Spitzen des Fußes die Unterlage berühren, während andere
Arten einige Beine hochheben. Manche Arten hingegen sitzen geduckt, mit dem Körper fast auf der
Unterlage, wie z. B. Contarinia quinquenotata F. Lw. Beweglicher sind schon viele Arten aus zoophagen
Larven, die man nicht selten behende umherlaufen sieht. Die Cecidomyiden gehören im allgemeinen
nicht zu den guten Fliegern. Manche Arten und Gattungen, wie z. B. die Rhopalomyia- und die schwerfälligen
Hormomyia-Arten und ihre Verwandtschaft Dichrona, Jaapiola usw. müssen sogar als durchaus
unbeholfen bezeichnet werden.
Bei Dichrona gallarum Rübs. ? sind die Flügel bereits wesentlich kürzer als das ungemein
lange und dicke Abdomen, so daß es dem $ überhaupt nicht mehr möglich ist, zu fliegen. Bei einigen
anderen Arten, die allerdings zu den Lestreminen gehören, wie Wasmanniella aptera Kffr, und Aprionus
dimorphogyna Rübs.., fehlen den Weibchen die Flügel ganz oder sind nur rudimentär vorhanden,
während die Männchen gut entwickelte Flügel besitzen. Die größere oder geringere Behendigkeit
und das mehr oder weniger entwickelte Flugvermögen findet meist eine Erklärung in der Lebensweise
dieser Tiere.
Daß Fleischfresser im allgemeinen viel lebhafter sind als Pflanzenfresser, ist bekannt. Zudem
sind die Mücken aus zoophagen Larven gezwungen, Blattlaus- oder Milbenkolonien oder andere
Gallmückenlarven aufzusuchen, um daselbst ihre Eier abzusetzen. Einen Übergang bildet das Genus
Arthrocnodax Rübs. Die Larven der Arthrocnodax-Arten verwandeln sich in der Regel an denselben
Blättern, an denen sie ihre Nahrung gefunden haben. Die auskommenden Weibchen werden also
meist nicht nötig haben, weite Wanderungen zu unternehmen, um geeignete Stellen für ihre Nachkommen
zu suchen. In der Regel finden diejenigen Cecidomyiden, welche Gallen erzeugen, die betreffenden
Pflanzen dort in Menge vor, wo sie ihre Verwandlung durchgemacht haben. Manche von
ihnen, besonders solche, welche auf hochgewachsenen Holzpflanzen leben, sind jedoch immerhin
gezwungen, ausgiebigen Gebrauch von ihren Flügeln zu machen.
. Bei Arten, welche Gallen an herdenweise auftretenden, krautartigen Pflanzen, z. B. Artemisia
campestris, hervorbringen, tr itt die Notwendigkeit des Fliegens immer mehr zurück, und so sehen wir
z. B. Boucheella artemisiae Bche. als schlechten Flieger, während bei den Hormomyia-Arten, die
alle auf Carex angewiesen sind, die Fähigkeit des Fliegens fast ganz geschwunden ist, genügt doch
ein träges Umherkriechen ihren Lebensbedingungen.
Daß bei der Verbreitung der Arten in erster Linie die Imagines in Betracht kommen und die
Larven, auch diejenigen, welche zu springen vermögen, hier von sehr untergeordneter Bedeutung
sind, hebt schon P r e l l (vergl. p. 94) hervor. Auch die Verbreitung der Gallmücken durch den
Menschen erfolgt ohne Zweifel nur äußerst selten. Arten, die sich in der Erde verwandeln, könnten
nur mit einem Erdbällen verschleppt werden, und nur besonders widerstandsfähige Arten werden
voraussichtlich auf diese Weise einen weiteren Transport überdauern. Auch Arten, die sich in ihren
Gallen verwandeln, werden mit Erfolg nur dann verschleppt werden können, wenn in den Gallen
die Larven unmittelbar vor der Verpuppung stehen oder bereits verpuppt sind.
Trotzdem hat R ü b s a a m e n unter den angegebenen Bedingungen mehrere Jahre hintereinander
ohne Erfolg versucht, gewisse Gallmücken in seinen Garten zu übertragen. Im März wurden
an die Zweige eines kräftigen weiblichen Exemplares von Salix caprea mit reifen Puppen besetzte
Gallen von Helicomyia salidperda Kffr., pierrei Kffr, und pulvini Kffr, angebunden. Obgleich in
der näheren Umgebung des Gartens keine Salix-Art vorkommt, ist es nie gelungen, auf dem erwähnten
Strauch die Gallen dieser Arten aufzufinden, trotzdem die Mücken aus den angebundenen
Gallen ausgeschlüpft waren. Allerdings befanden sich diese Gallen auf Salix alba und aurita, und
es scheint nicht ausgeschlossen zu sein, daß die Verschiedenartigkeit der Weiden die Ursache des
Mißerfolges war. Vielleicht entwickeln sich diese Gallen auch nur an männlichen Weiden, doch
liegen hierüber keinerlei sichere Beobachtungen vor.
Denselben Mißerfolg hatte R ü b s a a m e n mit dem Versuche, die Gallen von Contarinia
ruderalis Kffr., schlechtendaliana Rübs., Dasyneura dioicae Rübs. u. a. an den entsprechenden Unkräutern
seines Gartens hervorzurufen, ohne daß es möglich war, die Ursache des Mißerfolges festzustellen.
Von jeder Art wurde eine größere Anzahl Larven in die Gartenerde gesetzt, so daß kaum
anzunehmen ist, daß alle krank waren. Offenbar haben die Bodenverhältnisse oder auch die etwas
windige Lage des Gartens diesen Mückenarten nicht zugesagt, während andere daselbst sehr gut gedeihen.
Auffallend ist auch das plötzliche Auftreten einer Art an einer bestimmten Stelle in größeren
Mengen. R ü b s a a m e n hatte jahrelang z. B. auf die Galle von Dasyneura violae F. Lw. gefahndet,
ohne sie finden zu können. Im Jahre 1916 waren plötzlich alle Stiefmütterchen seines Gartens durch
diese Mücke vollkommen verseucht, trotzdem er sämtliche Pflanzen aus Samen gezogen hatte und
wilde Stiefmütterchen im Garten nicht vorkamen.
Die Wahrscheinlichkeit, daß durch, den Menschen Gallmücken verschleppt werden, scheint
also nicht sehr groß zu sein. Als das bekannteste Beispiel einer derartigen Verschleppung galt bisher
diejenige der sogen. Hessenfliege, die mit dem Lagerstroh der während des Sezessionskrieges nach
Amerika verschickten hessischen Soldaten in Amerika eingeführt worden sein soll. B. W a g n e r