und Sphaeronectes, aber — das haben meine Untersuchungen ebenfalls ergeben -Bsie gleicht noch
viel mehr den beiden charakteristischen Hauptglocken von Pr. cymbiformis D. Chiaje, und zwar in
so hohem Maße, daß sie von diesen nur schwer, und bei nicht ganz gutem Erhaltungszustand überhaupt
nicht zu unterscheiden ist. Das wurde anscheinend ganz übersehen. Zudem sind die „Larvenglocken“
von Monophyes und Sphaeronectes tatsächlich, wie besprochen, definitive Oberglocken,
und die Hauptglocken von Praya sind erst recht keine Larvenglocken. Also versagt dieses Argument
vollständig. Der Form kommt überhaupt keine solche Bedeutung zu, allein schon wegen der außerordentlichen
Mannigfaltigkeit der Siphonophorenglocken. Ihre Oberglocke hat offenbar im Laufe
der phylogenetischen Entwicklung viele Wandlungen durchgemacht und ist ihre Ähnlichkeit oder
sogar Gleichheit oft nur eine Konvergenzerscheinung.
An dieser Stelle soll hierüber einiges eingeschaltet werden. Die Umwandlung der definitiven
Oberglocke ist offenbar in der Weise erfolgt, daß sie anfangs ganz larvenähnlich war, also einfach,
glatt und mützenförmig, wie bei den primitivsten Formen, die wir kennen: Monophyes und Sphaeronectes.
Dann ist sie allmählich zu immer größerer Komplikation und Vollkommenheit gelangt, wie
z. B. bei D. dispar Cham, et Eys., um auf dem Höhepunkt angelangt einen umgekehrten Prozeß
zu durchlaufen und der schrittweisen Rückbildung anheimzufallen. Eine ständige Abnahme ihrer
Größe, wie bei Abylinen und eine Vereinfachung ihrer Struktur, wie bei den Diphyidae oppositae
fand sta tt, wodurch sich die Oberglocke wieder dem Ausgang, der larvenähnlichen Glocke näherte.
Bei Hippopodius h a t dieser Rückbildungsprozeß unter Calycophoren den Höhepunkt erreicht.
Außerordentlich vielsagend ist, daß ein ähnlicher Umwandlungsprozeß auch bei der Unterglocke,
diesem phylogenetisch jedenfalls viel jüngeren Organ, stattgefunden hat, und zwar Hand in
Hand mit der Rückbildung der Oberglocke, wobei sie sich sowohl ihrem Bau, wie ihrer Größe und
Zahl nach umgekehrt zu letzterer entwickelte. Die Leistungsfähigkeit der Kolonie als Ganzes erhielt
auf diese Weise nicht nur keine Einbuße, sondern eine Steigerung. Der Höhepunkt dieser Umwandlung
wird bei den typischen Physophoren, wie Forskalia, erreicht, wo die Pneumatophore zu einem kleinen,
unansehnlichen Anhang herabgesunken ist, während die Zahl der Unterglocken bis auf mehrere
hundert gestiegen ist, die zusammen eine hochentwickelte, wundervoll funktionierende Schwimmsäule
bilden. Es ist sehr interessant, das Ineinandergreifen dieser beiden Umwandlungsprozesse,
auf die ich in meiner G a u ß - Monographie hingewiesen habe, zu verfolgen und die einzelnen Modifikationen
und Anpassungen der verschiedenen Teile der Kolonie zu beobachten, die sie im Gefolge
haben. Bei Hippopodius h a t die Unterglocke jedenfalls den Höhepunkt ihrer Entwicklung unter
Calycophoren erreicht, wenn wir sie nicht einzeln, sondern im Verband mit den übrigen, in größerer
Anzahl gleichzeitig vorhandenen Unterglocken betrachten und das wundervolle Funktionieren der
Schwimmsäule als Ganzes. Wie primitiv erscheint dagegen z. B. die Galeolarienunterglocke, die
kaum über das Stadium einer einfachen, spezifisch wenig differenzierten Geschlechtsglocke hinausgediehen
ist, und welch weiter Weg liegt zwischen beiden!
Begleitet wird die formale Umwandlung der Hauptglocken, wie noch kurz angedeutet werden
soll, von einem Funktionswechsel, durch welchen diese erst verständlich und bedeutsam wird. Indem
sich die Unterglocke immer mehr zum Hauptorgan der Kolonie entwickelt, übernimmt sie zugleich
die Rolle der, der Reduktion anheimfallenden Oberglocke und wird so zum eigentlichen Schwimmorgan
und zum Schutzorgan für den Stamm und die nächste Generation. Die Anfänge dieses Funktionswechsels
sind schon bei Abylinen deutlich erkennbar. Bei Hippopodius erreicht er den Höhepunkt.
Das ist das Schöne und Interessante bei Siphonophoren, daß ihre verwirrende und überwältigende
Mannigfaltigkeit einen tieferen Sinn enthüllt und die einzelnen Ursachen und Phasen in
seltener Vollständigkeit erkennbar sind, so daß sich alles organisch zusammenschließt und jeder Teil
und jedes Glied seinen bestimmten Platz erhält. Bei Calycophoren habe ich im großen diese inneren
Zusammenhänge aufdecken können. Bei Physophoren ist diese Arbeit noch zu leisten, doch glaube
ich auch hier wenigstens den Ausgangspunkt des Umwandlungsprozesses und den Ariadnefaden
gefunden zu haben, der uns durch das Wirrsal leiten kann.
Nach dieser Abschweifung kehre ich zum Thema zurück. Gegen meine Homologisierung der
Hippopodius-Glocken h a t C h u n auch das Vorhandensein einer Somatocyste geltend gemacht
(1913, p. 41—43), wodurch diese prinzipiell verschieden seien von den Diphyidenunterglocken und
keinesfalls mit ihnen identifiziert werden könnten. Dieses Argument erledigt sich durch den Hinweis
auf eine ganze Reihe typischer Unterglocken, die ebenfalls eine, und zwar wohlausgebildete Somatocyste
besitzen und deren Unterglockennatur trotzdem niemals angezweifelt wurde, auch von C h u n
nicht. Hierher gehören, und zwar sogar nach früheren Angaben von C h u n selbst, die Unterglocken
mancher Galeolarien, ferner die Unterglocken meines neuen Tribus Diphyidae Intermediae, unter denen
vor allem D. ovata Keferst. u. Ehl. zu nennen ist, deren Identität mit der malayischen Clausophyes
galeata Lens u. V. R. sich während meines Aufenthaltes in Villefranche ergeben hat. Auch die merkwürdige
Chuniphyes multidentata Lens u. V. R. weist eine und zwar ansehnliche Somatocyste in der
Unterglocke auf, desgleichen Geratocymba sagittata Huxley. Die Somatocyste ist somit durchaus
kein Charakteristikum der Oberglocke.
Das vierte Argument C h u n s hat nicht mehr Wert, wie die vorhergehenden, nachdem mir
der Nachweis gelungen ist, daß die Primärglocke von Hippopodius, die nur 7 mm lang werden und
bald abfallen sollte, unter gleichzeitiger Einschrumpfung ihres Saftbehälters (1887 a, p. 4), tatsächlich
nicht nur fast doppelt so groß wird, über 12 mm, sondern auch eine gewisse Umwandlung erfährt,
sich also jedenfalls sehr viel länger an der Kolonie erhält, wie es den Anschein hatte. Neuerdings
hat C h u n diese Angaben bestätigt und festgestellt, daß die „Larvenglocke“ sogar 14 mm lang wird
und noch vorhanden ist, wenn sich drei hufeisenförmige Glocken nebst der Anlage von zwei weiteren
an der Kolonie befinden (1913, p. 38—39). Ja, er glaubt nunmehr, daß diese „Larvenglocke“, bei
der „jede unsanfte Berührung genügt, um eine sofortige Isolierung herbeizuführen,“ noch auf weiter
vorgeschrittenen Stadien in Verbindung mit der Kolonie angetroffen werden dürfte. Normal erhält
sie sich, wie ich glaube, zeitlebens, so wie jede definitive Oberglocke, und ihr häufiges Fehlen hängt
lediglich damit zusammen, daß sie sehr leicht mechanisch, und zwar in jedem Alter, abgestoßen wird.
Diese auffallende Hinfälligkeit steht wohl im Zusammenhang mit ihrer Rückbildung, durch die sie
zu einem mehr nebensächlichen Anhang der Kolonie herabgesunken ist. Bedeutung h a t sie offenbar
nur in der Jugend, solange die Unterglocken noch nicht entwickelt sind; und dafür genügt sie.
Um die Theorie C h u n s zu retten, daß allen Calycophoren eine Larvenglocke zukommt,
könnte der Versuch unternommen werden, die Primärglocke von Hippopodius für eine „sich zeitlebens
erhaltende Larvenglocke“ zu erklären, wie die Glocke von Monophyes und Sphaeronectes.
Dieser Versuch fände jedoch, hier wie dort, ein unübersteigbares Hindernis an den Lagebeziehungen
zum Stamm. Zudem: wäre die Deutung C h u n s richtig, dann hätte diese Art überhaupt keine Oberglocke,
weil die Oberglocken aus einem ganz anderen Mutterboden wie die Unterglocken entstehen.
Dadurch wäre C h u n s Deutung kaum weniger ad absurdum geführt, wie die Deutung von C l a u s
der Unterglocke von Abyla als Homologon der Oberglocke von Muggiaea. Jedenfalls fehlt jedes
Analogon für ein derartiges Verhalten nicht nur bei Calycophoren, sondern auch bei Physophoren.