(1898, p. 326). Dieses abweichende Verhalten steht in so auffallendem Gegensatz zu jenem der großen
Mehrheit der Siphonophoren, daß mindestens eine Erklärung namentlich in bezug auf die Ursachen
notwendig gewesen wäre. Wir suchen sie vergebens.
Meine eigenen Untersuchungen haben nun, um die Hauptglocken zuerst zu besprechen, den
fundamentalen Unterschied zwischen Physophoren und Calycophoren beseitigt, denn aus dem Nachweis,
daß die definitiven Hauptglocken der letzteren in dorsale Oberglocken und ventrale Unterglocken
zerfallen, ergibt sich eo ipso die Identität dieser Unterglocken mit den ventralen Hauptglocken
der Physophoren. Letztere sind somit ebenfalls Unterglocken.
Des weiteren habe ich festgestellt, daß die Opposition der Hauptglocken, d. h. der Unterglocken,
um die es sich hier allein handelt, nicht nur bei einer kleinen Minderheit, sondern bei allen Physophoren
— abgesehen vielleicht von seltenen Ausnahmen ? — durch sekundäre Einstellung der Glocken
selbst erfolgt, unabhängig vom Stamm, ähnlich wie bei den Unterglocken von Hippopodius. Dieses
Ergebnis läßt sich kurz dahin zusammenfassen, daß die Opposition von Ober- und Unterglocke stets
eine primäre ist, die der Unterglocken untereinander dagegen stets eine sekundäre, entsprechend der
Genese der definitiven Hauptglocken aus opponiertem oder gleichem Mutterboden.
Sogar bei ForsJcalia contorta (Vogt) mit gelbem Fleck an den Glocken, bei der zuallererst die
Torsion des Stammes behauptet und dann von den verschiedensten Seiten, so auch von C h u n (1898)
bestätigt wurde, trifft dies nicht zu. In Villefranche und Neapel habe ich durch eingehende Untersuchung
feststellen können, daß allerdings eine Torsion vorhanden ist, wobei der Stamm mehr oder
weniger weite Spiralen beschreibt, diese stehen aber in keinerlei Beziehungen zur Anordnung der
Glocken, die viel zu dicht gedrängt hintereinander aufgereiht sind, als daß auf diese Weise ihre poly-
seriale Anordnung herbeigeführt werden könnte. Um sich davon zu überzeugen, braucht man nur
die Zahl der Spiralen des Nestosom mit der Glockenzahl zu vergleichen. Oder man stellt ein Bruchstück
des ersteren mit den Glocken aufrecht ins Wasser, so daß diese ihre natürliche Lage einnehmen.
Dann sieht man deutlich, wie die langen Apophysen alle von einem Punkt resp. von einer senkrechten
Linie, der Ventrallinie, nach den feiten ausstrahlen, und sich dabei so ordnen, daß der Stamm vollständig
von ihnen umgeben ist.
Ein anderer Unterschied von prinzipieller Bedeutung ist dagegen zwischen beiden Ordnungen
vorhanden, der bisher vollständig übersehen wurde: bei Physophoren k ö n n t e die Torsion des
Stammes allerdings zur gegenseitigen Opposition der Unterglocken führen, bei Calycophoren niemals.
Das hängt mit der ganz verschiedenen Entwicklung ihrer Ventralknospe, resp. ihrer Unterglocken
Zusammen. Bei ersteren breitet sich diese flächenhaft am Stamm aus und gehen alle Glocken direkt
aus ihr hervor, sind daher an diesem selbst angeheftet. Bei letzteren ist sta tt dessen die Ventralknospe
stielartig verlängert und geht restlos in der ersten Unterglocke auf; nur diese entsteht also
direkt; alle anderen entwickeln sich indirekt, indem immer die eine am Stiel der vorhergehenden
hervorsproßt. Darüber haben meine Untersuchungen keinen Zweifel gelassen. Eine Torsion des
Stammes würde also hier die Unterglocken in ihrer Gesamtheit, niemals einzeln treffen. Dafür ist
gerade Hippopodius mit seinem Pseudostamm ein schlagendes Beispiel und ist die Zickzackform des
letzteren der deutliche Ausdruck der Entstehung der einen Glocke am Stiel der anderen und ihrer
gegenseitigen Opposition, unabhängig vom Stamme.
Damit kommen wir zur Frage nach der Homologie der Pneumatophore und des larvalen Deckstückes.
Aus Vorgehendem scheint notwendig hervorzugehen, daß die erstere nicht; wie behauptet,
der Larvenglocke, sondern vielmehr der definitiven Oberglocke der Calycophoren homolog ist, da
sonst den Physophoren eine definitive Oberglocke überhaupt fehlen würde, was ganz unwahrscheinlich
erscheint, bei der Rolle, die gerade dieses Organ in der ganzen Ordnung der Calycophoren spielt und
nachdem es jetzt nicht mehr zweifelhaft sein kann, daß die Physophoren von ihnen abstammen und
in jeder Beziehung auf diese zurückzuführen sind. Jedenfalls fehlt aber jeder Anhaltspunkt für eine
solch plötzliche und vollständige Unterdrückung dieses wichtigen Organes. Zudem lassen sich auch
andere Einwände gegen die Homologisierung der Pneumatophore mit der Larvenglocke geltend
machen, außer dem oben angeführten von S c h n e i d e r . Der eine ist, daß sich die Pneumatophore
zeitlebens und unverändert erhält, wie die Oberglocke, im Gegensatz zu allen Larvenglocken. Dieser
Einwand gewinnt an Bedeutung durch den Nachweis, daß die Larvenglocke sogar einem Teil der
höheren Calycophoren fehlt, hier also offenbar unterdrückt worden ist, während die Pneumatophore
ausnahmslos allen Physophoren zukommt, und von allen Organen das einzige ist, das durch
Selbstamputation nie abgestoßen wird. So erscheint es: viel wahrscheinlicher, daß die zeitlebens sich
erhaltende, allen Physophoren zukommende Pneumatophore ein Homologon ist der sich zeitlebens
erhaltenden, allen Calycophoren zukommenden Oberglocke. M e t s c h n i k o f f hat es auch
offenbar so verstanden, da er sowohl bei Agalma sarsi (p. 50, 51) wie bei Halistemma rubrum (p. 59)
die Pneumatophore auf der dorsalen Seite der Larve, dem Fangfaden opponiert darstellt, die Larvenglocke
(bei Galeolaria, p. 41) dagegen auf der Ventralseite dicht über dem Fangfaden.
Durch diese Homologisierung der Pneumatophore fällt ein ganz neues Licht auf das larvale
Deckstück. Darnach ist dieses offenbar nichts anderes als die rudimentäre Larvenglocke der Calycophoren.
Diese Auffassung wird gestützt durch die Tatsache, daß es durchaus nicht der ganzen Ordnung,
sondern nur einem Teil derselben zukommt, wie die Larvenglocke, und zwar bezeichnenderweise
ebenfalls nur dem primitiveren Teil. Ja, es kann sogar hier mehr oder weniger vollständig unterdrückt
werden, wie W o l t e r e c k (1905, p. 626) beobachtet hat, z. B. bei ungünstigen Lebensbedingungen.
So stellte er fest, daß Hai. rubrum, die nach Me t s chni kof f kein larvales Deckstück
besitze, tatsächlich ein solches hat, so wie Ag. sarsi, was auch dessen Abbildungen erkennen lassen
und zwar auf Fig. 5 und 6 als kurzen Höcker (s. Textfig. 23 b, c, Text, bei *), Fig. 8 als blasigen Anhang.
Solche Bilder eines schrumpfenden Deckstückes in allen Stadien erhielt W o l t e r e c k bei beiden
Arten, wenn Sauerstoff fehlte. Die Abhängigkeit von der Sauerstoffzufuhr ging soweit, daß ein bereits
weit angelegtes Deckstück alsbald rückgebildet, ja förmlich eingezogen wurde, wenn die Durchlüftung
eine Unterbrechung erhielt. Die Larve wurde dann wieder kugelig und nur die Pneumatophore
entwickelte sich kräftig. Viel häufiger tra t aber der, von M e t s c h n i k o f f als typisch für
Hai. rubrum beschriebene Fall ein, daß alles unterdrückt wurde bis auf die Pneumatophore und den
Nesselfaden. Dagegen scheint bei der nahe verwandten Hai. pictum ein larvales Deckstück ta tsächlich
zu fehlen, denn nach C h u n unterblieb dessen Anlage auch bei sorgfältigster Kultur. Allerdings
ist es möglich, wie W o 1 t e r e c k bemerkt, daß diese Art nur besonders fein auf künstliche
Verhältnisse reagiert, also das Deckstück sehr leicht einbüßt. Jedenfalls geht aus allem hervor, daß
ganz allgemein dessen Bedeutung für die Kolonie eine sehr geringe ist, eine viel geringere wie die
der Larvenglocke, mit der es von allen Organen der Physophorenlarve durch seine Hinfälligkeit
und seine Tendenz zu verschwinden die meiste Ähnlichkeit hat. Diese geringe Bedeutung wird auch
durch seinen ganzen Bau bestätigt, ferner durch die sehr interessante und vielsagende Tatsache,
daß die Anlage und Entwicklung der Pneumatophore außerordentlich beschleunigt ist im Verhältnis
zum Deckstück, verglichen mit dem Entwicklungstempo der Oberglocke in bezug auf die Larvenglocke.
Die Entlastung wie die Ablösung des Larvenorganes tr itt also bei Physophoren viel früher ein
Zoologien. Heft 78. 4