Athorybia, welcher somit als der rudimentär gewordene primitive Polypit zu betrachten ist“ (p. 07).
Dieser Versuch ist sehr paradox, wie H a e c k e 1 selbst bemerkt, und hat keine Anhänger gefunden!
So stehen wir der interessanten Tatsache gegenüber, daß hier der primäre Saugmagen nachträglich
als Knospe, dicht beim larvalen Deckstück und der Pneumatophore entsteht. Das ist eine Tatsache,
die sich nicht wegdeuteln läßt. Aber auch bei den anderen Physophoren läßt sich sehr gut der Saug!
magen als eine Knospe der Planula auffassen. So bemerkt P e w k e s (1885, p. 268) mit vollem Recht:
„Wie alle Organe oder Teile des Agolma-Körpers entsteht der Saugmagen als eine dreischichtige
Knospe auf der Oberfläche des Dotters. Wie diese hebt er sich dann von den Dotterzellen ab, so daß
sich eine kleine Höhle zwischen letzterem und dem Hypoblast bildet. Ein Teil dieser Eischichte,
welche die Dotterzellen einschließt, wird so zur äußeren Wand des Deckstückes, ein anderer Teil'
zu neuen Knospen, welche sich in Taster, Deckblätter und Tentakel differenzieren, und noch ein
anderer Teil bildet die Wand des ersten Polypen.“ Diesem „ersten Polypen“ kommt hiernach keinesfalls
eine Sonderstellung zu, so daß er als die umgewandelte Planula aufgefaßt werden könnte und die
übrigen Teile als seine Sprossen. Bei Hippopodius z. B. könnte man gerade umgekehrt die Primärglocke,
die aus der ganzen aboralen Larvenhälfte hervorgeht, als die umgewandelte Planula auffassen.
So scheint allein die Auffassung M e t s c h n i k o f f s die richtige zu sein: die junge, wimpernde
Larve verwandelt sich nie in einen Magensack, sondern differenziert sich wenigstens in zwei Teile,
und zwar in einen Magen und in ein denselben begleitendes, dem Medusenschirm homologes Organ
— wobei dieses Organ immer dem Magen vorausgeht, wie hinzugefügt werden muß. Durch dieses
frühzeitige Auftreten des Schwimmorganes wird die Larve tatsächlich einer Meduse ähnlich. Mit
dieser Feststellung steht und fällt die Polypentheorie, wie Cl a u s , einer ihrer eifrigsten Verfechter,
zugestehen mußte.
Zu ihrer Rettung bestehen zwei Möglichkeiten; erstens: man bestreitet, daß die Larve überhaupt
von Bedeutung für die Stammesgeschichte ist und in ihrer Entwicklung die phylogenetische
Entwicklung wiederholt. Das tu t z. B. S c h n e i d e r mit der Begründung, eine solche Am mW
unterschätze die Stärke der Lebensbedingungen, denen die betreffende Form unterliegt, und die
gerade zu ihrer Entstehung führte. Die Larve könne um so weniger an die Urahnen ihres eigenen
Muttertieres erinnern, als sie viel anpassungsfähiger ist als dieses, und daher relativ stärker von der
Ausgangsform abändern mußte. Dieses Argument ist nicht ohne Berechtigung. Wie steht es damit
in Wirklichkeit?
Unverkennbar haben die primitivsten Siphonophoren, Monophyes und Sphaeronectes, eine
auffallende Ähnlichkeit mit den primitivsten Siphonophorenlarven, den Larven von Muggiaea und
Galeolaria. Beide besitzen eine einzige Glocke von ähnlicher Gestalt, mit einem aboralen Stämmchen,
an dem eine geringe Zahl Cormidien sitzt, die aus den gleichen Teilen: dem Saugmagen mit Tentakel,'
dem Deckblatt und der Gonophorenbrut bestehen. Aus dieser Ähnlichkeit zwischen Larve und
primitiver Siphonophore dürfen wir auf die Ähnlichkeit auch zwischen Larve und Ursiphonophore
schließen und annehmen, daß diese larvenähnlich war. Weiter scheint aus meinen Untersuchungen
die Ähnlichkeit der ontogenetischen und phylogenetischen Entwicklung hervorzugehen, also die
erstere bis zu einem gewissen Grad die letztere zu wiederholen. Obiger Einwand versagt also’ ziemlich.
Zweitens: man gibt die palingenetische Bedeutung der Larve allgemein zu, erklärt aber im
speziellen den charakteristischen Entwicklungsmodus, nach welchem das Schwimmorgan als erstes
entsteht, für eine caenogenetische Veränderung, eine ontogenetische Fälschung, infolge zeitlicher
Verschiebung der Anlage des phylogenetisch jüngeren Schwimmorganes nach rückwärts, so daß
letzteres der Anlage des Polypen nunmehr vorauseilt, s ta tt nachträglich als ein Sproß des letzteren
aufzutreten. Diese Annahme fand z. B. C l a u s um so unbedenklicher, als nach ihm innerhalb der
Physophoren eine überraschende Verschiedenheit der sich entwickelnden Larventeile, bezw. der
Individuen des Larvenstöckchens selbst bei nächstverwandten Gattungen zu beobachten sei.
Die vorliegenden Untersuchungen, namentlich auch die neue Homologisierung der verschiedenen
Larventeile, haben im Gegensatz hierzu eine sehr auffallende Gleichförmigkeit in der ersten Anlage
der ersten Larventeile ergeben, und zwar durch die ganze Reihe hindurch, von den einfachsten Siphonophoren
bis hinauf zu den höchsten. Immer und ausnahmslos geht die Primärglocke oder ihr Homologon
dem Primärmagen voraus; nirgends ist auch nur die leiseste Andeutung eines umgekehrten Verhaltens.
Ja, selbst die Pneumatophore eilt dem Primärmagen oft auch dann voraus, wenn ein
larvales Deckstück zur Entwicklung kommt. Eine solche Einförmigkeit der Entwicklung durch eine
ganze Klasse hindurch läßt sich nicht einfach als Fälschung abtun, sondern erscheint als ein Erbgut
von der Stammform. Dieses Mittel, Widersprüche in der Entwicklung durch Caenogenese zu erklären,
ist, wie z. B. G o e 11 e mit Recht bemerkt, von sehr zweifelhaftem Wert. Ja, in diesem Fall ist es
ein trauriger Notbehelf, zu dem nur gegriffen werden dürfte, wenn zugunsten der Polypentheorie
so schwerwiegende Argumente sprechen, daß eine so schwache Krücke mit in Kauf genommen werden
kann. Ob die betreffenden Argumente tatsächlich dieses Gewicht haben, kann hier nicht untersucht
werden. Das soll später, an anderem Orte, geschehen. Jetzt genügt die Feststellung: D i e
P o l y p e n t h e o r i e f i n d e t i n d e r E n t w i c k l u n g s g e s c h i cli t e d e r S i p h o n o p
h o r e n n i c h t d i e m i n d e s t e S t ü t z e — a l l e s s p r i c h t z u G u n s t e n d e r
M e d u s e n t h e o r i e .
Das stärkste Argument für die Polypentheorie ist, wie hier kurz zur Vervollständigung bemerkt
werden soll, das folgende: Nach einer „fundamentalen und festfundierten Annahme“, die fast unbestritten
dasteht, ist der sessile Polyp die Stammform der Hydrozoen und eine Form von niedrigerer
morphologischer Dignität wie die freilebende Meduse. Diese hat sich erst viel später aus ihm, in Anpassung
an die freie Lebensweise entwickelt und dabei den Schirm hervorgebracht. Ersterer ist
dadurch zum Manubrium im Zentrum der Glocke geworden, nach dem bekannten Schema von C l a u s
und H e r t w i g. Es ist nun durchaus unwahrscheinlich, wie vor allem C l a u s und C h u n hervorgehoben
haben, daß die morphologisch höhere Geschlechtsform des Hydroidpolypen, die Meduse,
die ontogenetisch durch das Hydroidstöckchen vorbereitet wird, in ihrer vollendeten Gestalt den
phylogenetischen Ausgangspunkt der Siphonophoren bildet. Das vorbereitende Hydroidstöckchen
mußte auch in der Entwicklung einer, zur Stammform der Siphonophoren gewordenen Meduse wiederkehren.
Hiergegen läßt sich sehr schwer etwas Vorbringen und müssen wir unbedingt daran festhalten,
daß die Stammform der Siphonophoren nicht eine Form von höherer morphologischer Dignität sein
kann, unter Ausschluß der, diese ontogenetisch und phylogenetisch vorbereitenden Form von niedrigerer
morphologischer Dignität. Ob daraus unweigerlich die Unhaltbarkeit der Medusentheorie und die
Richtigkeit der Polypentheorie folgt, trotz der embryologischen Befunde, lasse ich einstweilen dahingestellt,
um bei anderer Gelegenheit zu zeigen, wie wir aus diesem Dilemma herauskommen könnten.
Zusammenfassung der Ergebnisse.
Die Ergebnisse vorstehender Untersuchungen lassen sich in zwölf Sätze zusammenfassen:
1. An der Siphonophorenplanula finden die ersten embryologischen Veränderungen stets aboral
oder seitlich statt, niemals oral. Sie führen zur Bildung des aboralen Fruchthöfes (Wimperplatte,