Die Entwicklung des jungen, weiblichen Prosopons zur trächtigen Kugelmilbe.
Die weibliche Milbe kann — wenigstens auf kleineren Insektenlarven — an jeder Stelle, mit
Ausnahme der dicken Chitinkapsel des Kopfes einstechen. Aber auch am Kopf setzen sich die Milben
häufiger an den weichen Häuten an der Basis der Mundwerkzeuge fest. Trotzdem wechselt die
junge Milbe, wenn sie die Möglichkeit hat, manchmal ihren Platz auf der Wirtslarve. Das mag dadurch
bedingt sein, daß die Milbe möglichst günstige, dünnhäutige Stellen zum Einstich bevorzugt,
die sie wohl nicht immer gleich beim ersten Versuch findet. Hat die Milbe aber endlich eine günstige
Stelle gefunden, so senkt sie den Rüssel in die Haut ihres Opfers ein. Dabei stemmt sie mit den beiden
letzten Beinpaaren den Hinterleib hoch, so daß der Körper sich wie ein zweiarmiger Hebel in der
Verbindungsachse des 2. Beinpaares dreht. Dadurch wird der Vorderkörper mit dem Stechrüssel
fest gegen die Unterlage gedrückt und der Einstich erleichtert. Von Vorteil ist für die Milbe auch
beim Einstich die große Beweglichkeit des kopfförmig ausgebildeten Gnathostoms. Und zwar ist
die Bewegung des Gnathostoms derart, daß es eine Drehung von 90° in der Sagittalebene ausführen
kann. Bei der Ausgangsstellung liegt der vorgestreckte Rüssel und das Gnathostom in der direkten
Verlängerung der Längsachse des Körpers. Bei der zweiten Stellung stehen Rüssel und Gnathostom
senkrecht zur Längsachse.
Nun beginnt die Milbe den Saugakt. Zunächst nimmt man noch keine deutlichen Änderungen
bei ihr wahr, aber schon nach einigen Stunden kann man bei sehr aufmerksamer Beobachtung feststellen,
daß der Hinterleib, obwohl er noch durchaus die ursprüngliche Form beibehalten hat, etwas
angeschwollen ist (Textfig. B). Die erste deutliche Änderung läßt sich am leichtesten feststellen an
A B C D E F
der Zunahme der Körperlänge, die durch ein Wachstum des hinter dem 4. Beinpaar gelegenen Körperendes
bedingt wird. Dieses Wachstum findet zuerst hauptsächlich in die Länge statt. Es ist allerdings
auch mit einem Wachstum in die Breite verbunden, das aber zunächst gegen das Längenwachstum
zurücktritt. In diesem Stadium läßt sich auch schon eine merkbare Vergrößerung der mit
weißlichen Konkrementen gefüllten Speicherniere wahrnehmen. Dieses Größerwerden der Speicherniere
ist das erste sichere Zeichen dafür, daß die Milbe Nahrung auf genommen hat. Von nun an geht
die Gestaltsveränderung schneller und auffälliger vor sich. Der Hinterleib schwillt hinter dem
4. Beinpaar (und zwar erst hinter dem letzten Dorsalborstenpaar V und VI) mächtig an, bis er die
Gestalt etwa einer kleinen Zitrone oder elektrischen Glühbirne angenommen hat (Textfig. C, D und
Fig. 2 u. 3). Die junge Milbe wird in diesem Zustande träger und verliert ihr munteres, bewegliches
Wesen. Immerhin ist sie jetzt noch fähig, den Platz zu wechseln, wenn sie das auch schon seltener
tut. Bei 25 konstanter Temperatur ist in den meisten Fällen „das Zitronenstadium“ etwa 24 Stunden
nach dem Festsetzen der Milbe auf der Wirtslarve erreicht.
Bald verliert aber der Hinterleib auch die Zitronengestalt. Er schwillt noch stärker an und
erlangt die Gestalt einer vollendeten Kugel (Textfig. E) (bei 25° konst. Temp. meist nach etwa 48 Std.).
In diesem Stadium findet eine Fortbewegung kaum mehr statt. Die Kugel wird nun von Tag zu Tag
dicker, bis sie die Größe eines kleinen Stecknadelkopfes erreicht. Der Vorderkörper ist jetzt nur noch
ein winziges Anhängsel der gewaltig dicken Hinterleibskugel (Fig. 4 u. Textfig. F). In diesem Zustande
ist der Milbe jede Fortbewegung völlig unmöglich geworden. Dreht man z. B. das Tier so,
daß der Vorderkörper nach oben oder seitlich in die Luft ragt, so ist es nicht mehr in der Lage, sich
selbst wieder in die Normalstellung zurückzubringen. Es strampelt und zappelt nur noch hilflos
mit den Beinen. In diesem Kugelstadium ist die Milbe zu einem völlig seßhaften Tier geworden.
Mit den Haftlappen und Hafthaken des 2.—4. Beinpaares wird die schwere Kugel auf der Wirtslarve
verankert. Es ist nun für die Milbe von größter Bedeutung, daß die Wirtslarve gelähmt oder getötet
is t; denn da die Milbe nur verhältnismäßig lose auf der Insektenlarve aufsitzt, würde sie
schon bei geringer Bewegung der Larve abgeschleudert und wäre dann nicht mehr fähig, sich ein
zweites Mal festzusaugen.
Das Kugelwachstum wird bedingt:
1. durch den mächtig anschwellenden Darmtraktus, der gefüllt ist mit den aufgenommenen
Nährsubstanzen aus der Wirtslarve. Der Darminhalt ist stets wasserklar und weist meistenteils
eine braune Färbung auf. Wenn jedoch bei den Wirtslarven die oben geschüderten Verfärbungen
eingetreten sind, dann entspricht die Farbe des Darminhalts regelmäßig dem Ton dieser Verfärbung.
So ist er bei Tineola häufig hellgelb und bei den großen, grünen Raupen tief dunkelbraun. Die Farbe
des Nahrungssaftes richtet sich also nach der Art des Opfers. Hat man ZVweofo-Raupen auf Wolle
gezogen, die mit fettlöslichen Farben gefärbt ist, so wird, wie schon S itow sk i(1 9 1 0 ) angibt, der F e ttkörper
der Raupen intensiv rot, gelb, grün, blau usw. gefärbt. Entwickeln sich Milben auf so
gefärbten Raupen, so hat ihr Darmtraktus genau die Farbe der Raupe und scheint dann mit einer
roten, gelben, grünen oder blauen Flüssigkeit gefüllt;
2. durch das ungeheuere Wachstum des großen, reifenden, unpaaren Ovars, das an günstigen
Objekten mit seinen verhältnismäßig großen Eiern durchschimmert;
3. durch die gewaltige Vergrößerung der Speicherniere (Fig. 4), die in ihrer unregelmäßig
gewordenen, lappigen Gestalt sich wie eine weiße Wolke in der Kugel an der Oberfläche ausbreitet
und manchmal nur an der ventralen Seite der Kugel eine kleine Zone freiläßt, wo der völlig durchsichtige
Darmtraktus liegt. Auch die Tracheenschläuche wachsen so, wie sich der Hinterleib vergrößert
und breiten sich zwischen den Organen in der Kugel aus (Fig. 4). Dabei haben sie nicht nur
an Länge, sondern auch im Querschnitt an Größe zugenommen, wie dies E n z i o R e u t e r auch
bei Pediculopsis graminum festgestellt h a t (vergl. Fig. 1 mit Fig. 3). Messende Untersuchungen
habe ich über diesen Punkt einstweilen noch nicht angestellt.
Die Oberfläche der Kugel ist spiegelglatt und glänzend und weist keinerlei Segmentierung auf,
scheint auch keine Borsten und Haare zu tragen.