überkommenen Eigenschaften (s. W e b e r 1924) annehmen müssen (contra V o ß, der den Merkmalen
des Skeletts jeden morphologischen Wert absprach), so ist es doch unzweifelhaft, daß Veränderungen
des Muskulatur und Veränderungen des Skeletts Hand in Hand gehen. Ein Urteil darüber,
ob eine bestimmte Eigenschaft des Skeletts als sekundäre Abänderung des Grundtyps aufzufassen ist'
wird sich, wenn nicht die Ontogenie helfend eingreift, nur mit Hilfe der Muskulatur ermöglichen
lassen und nur, wenn man die Funktion der Muskeln und gegebenenfalls die durch die Umbildung
des Skeletts bedingte Umänderung dieser Funktion kennt.
1. D i e B e w e g u n g d e s K o m p l e x e s K o p f —. j P r o t h o r a x .
Es wurde oben schon gesagt, daß der Kopf gegenüber dem Prothorax nur recht wenig beweglich
ist. Mindestens gilt das, wenn man die Verhältnisse bei anderen Insekten, z. B. den Orthopteren, vergleicht,
wo eine regelrechte Halsregion mit besonderen Skleriten, mit einer breiten faltbaren Halshaut
und einer reich entwickelten Intersegmentalmuskulatur besteht. Häufig finden wir dann auch
(GryUus, Plecopteren, Lepidopteren) einen engen Zusammenschluß der tergalen, pleuralen und sternalen
Eegion des Prothorax zu einem mehr oder weniger geschlossenen
Ring, der die Fixpunkte für die Wirkung der Inter-
segmentalmuskeln liefert. In diesen Fällen ist der Prothorax vom
Mesothorax unabhängig und dadurch wird auch der genannte
prothorakale Ring mit den Vorderbeinen und mit dem ¿efc ihm
getragenen Kopf wieder als Ganzes beweglich. Bei anderen Insekten,
z. B. bei allen Hymenopteren, ist der Kopf nur in beschränktem
Maße gegen den Prothorax beweglich, dafür aber kein
vollständiger prothorakaler Ring vorhanden, vielmehr schließt
sich hier das Pronotum eng an den Mesothorax an und nur die
pleural-stemalen Teile des Prothorax sind, mit dem Kopf, den sie
tragen, gegen den aus Pronotum und Mesometathorax gebildeten
Rumpf lebhaft beweglich. Cicctda nähert sich, mit ihrem streng
geschlossenen prothorakalen Ring dem ersten Typ (Orthopteren,
Lepidopteren), Ajihis dagegen repräsentiert einen Typ für sich.
Wir sehen hier im Prothorax zwar auch eine Verbindung
zwischen Pleura und Tergum, doch beschränkt sie sich auf einen
Text-Abb. 5: Schema der Muskulatur - des
Komplexes Kopf — Prothorax und ihrer Wir-
I Jeder Muskel ist mit einem Pfeil beihm
zeichnet, die Spitze des Pfeils gibt sein Punc- sehr schmalen vorderen Streifen. Im übrigen sind Pleura und
tarn flmm »n, die Stelle, wo er wirksam Tergum völlig gegeneinander beweglich. Nun steht die Pleura
angreift, ist durch einen schwarzen Kreis i -> . , . . .
bezeichnet. Heber des Kopfes punktiert, aber mit dem ventralen Ende der Pleuralleiste der Hiifte auf; die
Senker ausgezogen. Hüfte aber ist es, die als Grundglied des Beins die Verbindung
des Prothorax mit der Unterlage besorgt (Text-Abb. 5). Die
Pleuren beider Seiten, untereinander durch Membranen verbunden, in denen das Sternum Hegt, bilden
mit letzterem zusammen also einen pleural-stemalen Komplex, der, von den beiden Vorderbeinen
gestützt, durch sie in bestimmtem Abstand vom Boden gehalten wird und gegen den das Pronotum
bewegUch ist. Mit dem Pronotum aber ist der Kopf durch die sehr schmale Nackenhaut verbunden,
muß also, wenn-das Pronotum nach unten gezogen wird, mit nach unten gehen. Dabei wirken,
indem sie das Pronotum samt dem durch die dorsalen Längsmuskeln (Text-Abb. 5 punktiert) mit
zu einer funktioneilen Einheit verbundenen Kopf nach unten ziehen, die Muskeln I pm1} I dvm1}
I dvm2, Iism ; unterstützt werden sie durch die auf den Kopf selbst wirkenden Muskeln 0 dvm
und 0 vlm4. Indem so der Kopf gegen die Stützwirkung der Beine nach unten gezogen wird, preßt
sich das, vorher durch seine Eigenmuskulatur in Saugstellung gebrachte Labium mit seiner Spitze
gegen den Boden, die Voraussetzungen für die Bewegungen der Stechborsten, den eigentlichen Saugakt,
sind gegeben. Irgendwelche Kopfbewegungen brauchen nun nicht mehr gemacht zu werden,
für die Nahrungsaufnahme selbst genügen die Bewegungen der Stechborsten, beim Saugen wird im
Gegensatz zu den Dipteren (p. 35) der Kopf der Unterlage höchstens durch teleskopartiges Einziehen
der beiden ersten Glieder des Labiums genähert, und zwar geschieht dies wohl weniger durch
direkte Muskelwirkung als infolge des eben geschilderten Aufpressens auf die Unterlage.
Erst wenn das Saugen wieder aufgegeben wird, wird der Kopf wieder gehoben, indem die vorhergenannten
Muskeln (in Text-Abb. 5 ausgezogen) nachlassen und eine andere Gruppe von Muskeln
in Tätigkeit tritt, die ihren Fixpunkt am Mesotergum haben und somit gegen die Stützwirkung der
Mittel- und Hinterbeine arbeiten. Es sind dies die (in Text-Abb. 5 punktierten) Muskeln m. tent2, 0 dlm,
I dlnij, I dlm2, I dlm3 und I dlm4, die zusammen, indem sie das Pronotum dem Mesonotum und den
Kopf dem Pronotum nähern, wie e i n Bündel wirken, das den Kopf dem Mesonotum nähert, ihn
also hebt.
Beim Saugen, dem Anpressen des Rüssels an die Unterlage hegt also das Gewicht auf den Vorderbeinen,
beim Abheben des Rüssels, das die eben genannten Muskeln mit dem Heben des Kopfes
veranlassen, auf den Mittel- und Hinterbeinen.
Die wenigen, für den Nahrungserwerb nötigen Kopfbewegungen werden also viel weniger vom
Kopf allein, als vielmehr von dem Komplex Kopf-Prothorax ausgeführt. Die Geschlossenheit dieses
Komplexes kommt vor allem in dem Mangel einer ausgeprägten Halsregion zum Ausdruck | | | insofern
besteht eine gewisse Ähnlichkeit mit den Hymenopteren — sie wird aber durch die gegenseitige
Beweglichkeit von Pronotum und Propleura durchbrochen. Das ist wiederum mit den Verhältnissen
bei den Hymenopteren zu vergleichen, zum Unterschied von diesen ist aber das Pronotum
fester an den Kopf als an den Mesothorax angeschlossen. Dieser Anschluß erlaubt die Bewegung
dés Kopfes durch Vermittlung des Pronotums.
Die Geschlossenheit des sternal-pleuralen Komplexes von Kopf und Prothorax erlaubt die Bewegungen
des Labiums, da von diesem Komplex aus Muskeln an das Labium herantreten (m abdl5 2,
m addl5 2, 0 vlm2). Die Eigenbewegungen des Labiums beruhen zum Teil auf der in seiner Höhlung
verborgenen Eigenmuskulatur, zum Teil auf der Elastizität seiner Wandungen, die diesen Muskeln
entgegenwirkt (s. p. 34).
Die im Vorstehenden nicht genannten Muskeln gestatten Kopf und Prothorax kleinere Drehungen
nach der Seite, sind aber nicht so wichtig wie die genannten. Außerdem ist natürlich die Beinmuskulatur
mit ihren Spezialaufgaben zu berücksichtigen.
2. D i e B e w e g u n g d e r H ü f t e n .
Nur die Vorderhüfte ist mit zwei Gelenken am Stamm befestigt, die Mittel- und Hinterhüfte
haben nur je das eine pleurale Hüftgelenk. Die Vorderhüfte ist demnach (s. p. 63) in ihren Bewegungen
etwas mehr eingeschränkt als die ändern beiden. Dafür ist sie aber mit einer reicheren