
die hochgradigen Anpassungsformen, der Mimikrytypus z. B. der Dorylinengäste (Staphyliniden), die
als Jagdgäste die Räuberhorden begleiten, sind „ungeflügelt“ . Das gleiche gilt auch für die Termitengäste,
z. B. die zahlreichen Gattungen angehörenden physogastren Aleocharinen (W a s m a n n), die
an die Nester gebunden sind.
Bei den Gästen der sozialen Insekten zeigt sich ein Unterschied bezüglich der Flugfähigkeit, je
nachdem es sich um Dauer- oder Saisonnester handelt. In der Tribus der von Schimmelpilzen lebenden
Cryptophagini sind die bei Hummeln, Wespen und Hornissen lebenden Cryptophagus pilosus
Gyll., dentatus Hrbst. und scanicus L. flugfähig und suchen jedes Jahr ein neues Nest auf; Emphylus
glaber Gyll. dagegen, ein naher Verwandter jener Käfer, der in den Dauernestern von Formica rufa L.
lebt, ist zwar noch langflügelig, aber flugunfähig ( R ü s c h k a m p 1926).
Die besonders seit Beginn dieses Jahrhunderts mit großem Eifer aufgenommene Erforschung der
Nester machte uns mit dem Wohnort einer ganzen Reihe sonst nur zufällig, sehr selten oder nie gefundener
Käfer bekannt, darunter z. B. unter den Talpa-Gästen folgende Arten: Heterothops nigra
Kr., Quedius talparum Deville, Oxytelus Saulcyi Pand., Catops Dorni Reitt., die vermutlich ihren
Wohnort nie verlassen und rudimentär geflügelt sind.
F a 1 c o z (1914) zeigte, daß zwischen dem Grade der Anpassung an das Dunkelleben und der
verschiedenen Augengröße der Quedius-Axten höchstwahrscheinlich ein Parallelismus besteht, und von
diesem dürfen wir auf eptsprechend zunehmende Entflügelung schließen. Zweifellos sind die wenigen,
als Ektoparasiten bekannten Käfer aus der Reihe flügelloser Nidicolen hervorgegangen. Zu diesen
gehört Leptinus testaceus Müll., der „Mäusefloh“ ( R ü s c h k a m p 1913, 1921). Die Alae sind restlos
geschwunden, die Elytrengelenke funktionieren nicht mehr, die Naht der Decken ist verklebt, ihre
Basis von den verlängerten Hinterecken des Halsschildes bedeckt. Ähnliche Verhältnisse gelten
für weitere drei Vertreter der Leptiniden ( R ü s c h k a m p i. B l u n c k 1925, S. 120). Beim
„Biberfloh“ hat die Rückbildung auch die Elytren erfaßt, die keine Epipleuren mehr besitzen
und als kleine Schüppchen nur noch zwei Tergite bedecken. Das halbe Dutzend Arten der Staphyli-
nidengattung Amblyopinus lebt ebenfalls ektoparasitisch. Aus dem großen Heer der gesetzmäßigen
Nidicolen haben es offenbar nur wenige Käfer zu einer so innigen Beziehung zu den Wirtstieren
gebracht.
Eine eingehendere statistische Untersuchung wird zweifelsohne einen höheren Prozentsatz ungeflügelter
und rudimentär geflügelter Arten unter den Nidicolen und echten Gästen der staatenbildenden
Insekten nachweisen als in der weniger spezialisierten allgemeinen Hypogaeenfauna. Nur
die große Zahl flügelloser, an Baumwurzeln usw. lebenden Curculioniden machen eine Ausnahme. Die
allgemeine Subterranfauna ist eben gegen die Fauna der freilebenden Käfer wenig scharf abgegrenzt.
Die Statistik wird zeigen, daß mit dem Grad zunehmender Verborgenheit die Zahl der flugunfähigen
zunimmt, bis sie schließlich bei den echten Höhlentieren fast 100% erreicht. Die innige Beziehung der
spezialisierteren Faunen zur allgemeinen Hypogaeenfauna geht aus der Tatsache hervor, daß sie fast
ausnahmslos aus nahen Verwandten bestehen. Fast immer handelt es sich um Vertreter derselben
Gattung oder doch Familie. Nur die alten Gruppen der Platypsyllidae (1 Art), Leptinidae (erst 4 Arten),
und Clavigeridae (artenreich) sind insofern isoliert, als sie keine freilebenden Spezies aufweisen. Während
die nähere Verwandtschaft der ersten beiden Familien noch umstritten ist, betrachten viele hervorragende
Entomologen die Clavigeriden als eine besondere Unterfamilie der Pselaphiden, und, da in
dieser Familie bereits sehr viele Arten flügellos sind, dürften die Clavigeriden als hypogaeisch lebende
und bereits flugunfähige Käfer zur Myrmecophilie übergegangen sein.
Diese Übersicht über die Hypogaeenfauna und die Verbreitung der Flugunfähigkeit bei den im
weiteren und engeren Sinn zu ihr gehörenden Käfern müssen wir vor Augen haben, wenn die Frage zu
erörtern ist, ob sprunghaft auftretende Funktionsunfähigkeit des Flugapparates oder der aus der
Lebensweise sich ergebende Nichtgebrauch der Flügel zur Rudimentation geführt hat.
Zusammenfassend können wir sagen: D i e I n s e l - , G e b i r g s - u n d H ö h l e n f a u n a
n i m m t b e z ü g l i c h d e r F l ü g e l l o s i g k e i t d e r i h n e n a n g e h ö r e n d e n K ä f e r a
r t e n k e i n e S o n d e r s t e l l u n g ein. D i e V e r h ä l t n i s s e l i e g e n d u r c h a u s
n i c h t so, d a ß d i e a n d i e s e Z o o t o p e g e b u n d e n e n A r t e n n u r d o r t , n i c h t
a b e r a n d e r s w o , f l u g u n f ä h i g s e i e n . I h r b e d e u t e n d e r P r o z e n t s a t z
f l u g u n f ä h i g e r K ä f e r e r k l ä r t s i c h z u r G e n ü g e d a r a u s , d a ß G r u p p e n
m i t v o r w i e g e n d f l i e g e n d e n A r t e n d o r t n i c h t l e b e n k ö n n e n , u n d
w e n n s i e d o r t h i n v e r s c h l a g e n w e r d e n , z u g r u n d e g . e h e n , o h n e d a ß es
i h n e n m ö g l i c h w ä r e , s i ch a n die p l ö t z l i c h s t a r k v e r ä n d e r t e L e b e n s w
e i s e a n z u p a s s e n . D i e A u s m e r z u n g f l i e g e n d e r A r t e n d u r c h d e n
W e l l e n t o d a u f s t ü r m i s c h e n I n s e l n , d u r c h V e r w e h e n i m H o c h g e b i r g e
h a t s i c h e r n i c h t d i e b e d e u t e n d e R o l l e g e s p i e l t , d i e i h r v o n m a n c h e n
b i s h e u t e z u g e s c h r i e b e n wi r d . De r Z o o t o p al s s o l c h e r k a n n in k e i n e r
We i s e d i e F l ü g e l l o s i g k e i t h e r b e i f ü h r e n , wie das« o f t u n t e r s t e l l t zu
w e r d e n s c h e i n t . D e n n a u f I n s e l n u n d B e r g e n , i n H ö h l e n u n d a u ß e r h a l b
d e r H ö h l e n f i n d e n w i r d i e g l e i c h e n A r t e n od e r doch i h r e n ä c h s t e n V e r w
a n d t e n , d i e i n i h r e m g a n z e n A u s b r e i t u n g s g e b i e t , a u c h a n w i n d g
e s chüt z t en Or t en des f r e i e n Fl a chl ande s f l ugunf ähi g oder unge f l üge l t sin d .
Flugunfähigkeit ist in der Käferwelt viel weiter verbreitet, als bisher beachtet wurde. Sie findet sich
in folgenden Familien: Cicindeliden, Carabiden, Dytisciden, Staphyliniden, Pselaphiden, Clavigeriden,
Scydmaeniden, Silphiden, Platypsylliden, Leptiniden, Corylophiden, Trichopterychiden, Histeriden,
Cryptophagiden, Lathridiiden, Endomychiden, Coccinelliden, Byrrhiden, Georyssiden, Scarabaeiden, Ela-
teriden, Lampyriden, Lyctiden, Cebrioniden, Ptiniden, Tenebrioniden, Meloiden, Cerambyciden, Chryso-
meliden, Curculioniden, Scolytiden, eine Aufzählung, die auf Vollständigkeit keinen Anspruch macht.
Es mag manchen überraschen, daß meine auf das Jahr 1910 zurückgehenden Beobachtungen
und Aufzeichnungen mich davon überzeugt haben, daß sicher 35 von hundert Käferarten, wenigstens
in einem Geschlecht, überhaupt nicht mehr fliegen. Es übersteigt natürlich eines Menschen Kraft, den
exakten Nachweis hierfür zu erbringen; denn Makroptera avolantia können nur im Freiland oder mit
dem Inselexperiment und vielfach nur zur Fortpflanzungszeit auf ihre Flugfähigkeit geprüft werden,
da selbst anatomische Befunde täuschen können. Immerhin wäre es der Mühe wert, durch Arbeitsteilung
von Gruppe zu Gruppe die Apteren und Brachypteren festzustellen und dann die Makropteren
auf ihr Verhalten zu prüfen.
II. 3. Bedingung und Ursache der Rudimentation des Flugapparates.
Verschiedene Ansichten und ihre Gründe.
In den beiden vorhergehenden Abschnitten haben wir gesehen, wie ungemein weit verbreitet
bei Käfern die Rudimentation des Flugapparates ist; in fast sämtlichen systematischen Familien ist
sie zu finden. Es kann nur zu Mißerfolgen führen, wenn man für einzelne Zootope oder einzelne Gruppen