W i 11 n e r t z als Diplosis coniophaga. In gewissem Grade sind offenbar alle von verwesenden Stoffen
lebenden Larven mycophag; hierher gehört der größere Teil oder vielleicht alle Arten der Lestreminen
und Heteropezinen, von denen viele unter faulender Baumrinde gefunden werden. Offenbar ist dies
überhaupt die ursprüngliche Lebensweise der Gallmückenlarven, die auch noch viele der am höchsten
entwickelten Familie der Cecidomyinen beibehalten haben. So z. B. ist der größere Teil der Porri-
condylidi (i?p^(ms-Gruppe), die ja allerdings einen Übergang zu den Lestreminen darstellen, auf
diese Art der Ernährung angewiesen; ja auch unter den Vertretern der Oligotrophidi und Cecidomyidi
gibt es Arten, die sich von verwesenden Pflanzenstoffen nähren. Zwischen ihnen und den auf lebende
Pflanzen angewiesenen Arten bilden die an frischem gefällten Holze und hinter den Blattscheiden
mancher Pflanzen, vorzugsweise Riedgräsern, lebenden ein Bindeglied. Manche dieser Arten leben
als Larven zuweilen frei zwischen den Blattscheiden der Nährpflanze, zuweilen jedoch unter der
Epidermis; dies ist z. B. der Fall bei den Larven einer zu den Porricondylidi gehörenden Art, Dicerura
(Iridomyza) Icaltenbachi Rübs., die auf Iris pseudacorus lebt. Daß die Larven dieser Art sich nicht
an derselben Stelle im Blatt aufhalten, sondern wandern, scheint daraus hervorzugehen, daß das
Blatt hinter der Larve auf eine kurze Strecke abgestorben ist. Diese toten Blattstellen erscheinen
als braune Streifen, die wenig breiter sind als die Larve.
Eine andere Porricondylide, Dicerura sdrpicola, fand K i e f f e r auf Scirpus. Im allgemeinen
leben die Larven dieser Gruppe allerdings auf verwesenden Pflanzen, doch sind außer den hier erwähnten
auch noch andere Arten bekannt geworden, die auf lebenden Pflanzen Vorkommen. Die
eine dieser Arten soll der von S a u t e r 1817 beschriebene „Getreideschänder“ , Tipula cerealis, sein,
der von diesem Autor in Süddeutschland als gefährlicher Schädling auf Gerste, Spelt und anderen
Getreidearten festgestellt wurde. Cohn glaubte die Art wieder aufgefunden zu haben (Schles. Ges.
f. vaterl. Kultur, Breslau 1869), die dann H. L o e w als zur Gattung Epidosis ( — Porricondyla)
gehörend bestimmte (Jahrb. d. Landwirtschaft, herausg. v. Dr. W. Schumacher, Berlin 1870, p. 522 u. f.)
und die nach ihm die erste Art dieser Gattung ist, deren Larve auf einer lebenden Pflanze beobachtet
wurde (vergl. auch p. 95 dieser Arbeit) 1). Außer diesen Arten sind noch einige bekannt, welche auf
lebenden Pflanzen Vorkommen. Die eine derselben, Cecidophila artemisiae Rübs. beschrieb R ü b -
s a a m e n (Sitzungsb. Ges. naturf. Fr. 1915. p. 551—553) als Inquilin in den Gallen von Boucheella
artemisiae’, eine andere Art, Epidosis phragmitis Gir., soll nach G i r a u d sogar am Halm von Schilfrohr
Gallen bilden, eine Angabe, die aber noch der Bestätigung bedarf. Auch Octodipbsis glyceriae
Rübs. führt eine der vorher erwähnten Dicerura ähnliche Lebensweise, während andere Cecidomyidi
mehr seßhaft sind und unter Umständen sogar schwache Einsenkungen, manchmal verbunden mit
kaum merklichen Verdickungen, an den Pflanzen bewirken und so hinsichtlich ihrer Lebensweise
zu den gallenbildenden Arten hinüberleiten. Da es unter diesen Umständen nicht möglich ist, eine
scharfe Grenze zu ziehen zwischen den gallenbildenden Arten und denjenigen, deren Larven wohl
auf lebende Pflanzen angewiesen sind, in der Regel aber keine Gallen bilden, so sind im speziellen
Teile dieser Arbeit alle sich von lebenden Pflanzen nährenden Arten mit Ausnahme der echten Pilzfresser
aufgenommen worden, da es empfehlenswerter schien, der einen oder anderen nicht gallenbildenden
Art Aufnahme zu gewähren, als vielleicht doch gallenbildende Arten auszuschließen. Mit
i) Trotz der Autorität H. Lo ews scheint es sehr fraglich, ob Tipula cerealis Sauter wirklich eine Epidosis - Art ist.
In der H. L o e w’schen Sammlung ist sie wenigstens unter diesem Namen nicht vorhanden. Es scheint wohl möglich zu sein,
daß die von H. L o ew untersuchten Stücke zur Gattung Diplosis H. Lw. und vielleicht sogar zu equestris Wa g n . gehört,
bei welcher Art die Querader sehr schief steht. Es bleibt allerdings auffallend, daß auch Co h n die eigenartigen Gallen,
die equestris verursacht, nicht erwähnt.
wenigen Ausnahmen gehören diese hinsichtlich ihrer Lebensweise etwas zweifelhafte Arten zur
Gruppe der Cecidomyiden, die bezüglich ihrer Lebensweise am vielseitigsten ist und in dieser Hinsicht
offenbar zurzeit noch lebhaft in der Entwicklung begriffen ist. Diese Vielseitigkeit geht so weit,
daß sogar die Arten ein und derselben Gattung zuweilen in ihrer Lebensweise sehr voneinander abweichend
So finden sich z. B. in der Gattung Clinodiplosis Kffr. Arten, die eine durchaus verschiedene
Lebensweise führen. Während einige als Inquilinen in den Gallen anderer Arten leben, findet man
andere auf Schmarotzerpilzen oder in den Körbchen von Compositen, in Hülsen von Leguminosen,
in Blüten oder endlich unter abgestorbener Rinde usw. Viele der früher zu Clinodiphsis gerechneten
Arten sind echte Gallenbildner, für welche inzwischen besondere Gattungen errichtet worden sind.
Zu den an frischem gefällten Holze lebenden Arten gehört die bereits von W i n n e r t z t e -
schriebene Diplosis praecox, deren Lebensweise K i e f f e r ermittelte und der für diese Art eine besondere
Gattung, Xyhdiplosis, errichtet hat. Nach K i e f f e r setzen die Weibchen dieser Art ihre
Eier an gefällte, auf gestapelte Eichen ab und die Larven leben bis zu ihrer Reife in den Poren des
Holzes. Erst wenn das Holz durch Regengüsse durchnäßt worden ist, vermögen sich die Larven
mühsam aus den Poren herauszuarbeiten; sie krümmen sich und schnellen sich herab auf den Boden,
wo sie dies noch einigemal wiederholen, um sich schließlich zur Verpuppung in die Erde zu begeben.
Nach der Begattung sterben die Männchen, die Weibchen aber suchen für ihre Nachkommenschaft
im Winter gefällte Eichen auf. Eine ähnliche Lebensweise führen, wie K i e f f e r nachgewiesen
hat, auch noch andere Arten.
Außer diesen xylophagen, mycophagen und hinter Blattscheiden lebenden Gallmückenlarven
kommen auch noch andere phytophage Arten vor, die nicht zu den Gallenbildnern gehören. Hier
sind zunächst die auf Moos lebenden Arten, wie z. B. Bryocrypta dubia Kffr., Holonmrus musoicola
Kffr., Catocha musoicola Kffr., Bryomyia bergrothi Kffr., Joannisia mtidcbrnrit Kffr. u. a::, Zit nennen,
die zum Teil zu den Porricondylidi (Epidosis-Gruppe) der Cecidomyinen, zum Teil zu den Lestreminen
gehören.
Von den Gallmückenlarven, die auf Phanerogamen leben, ohne Gallen zu erzeugen, gehören
jedenfalls Dasyneura pseudococcus Rübs. und Qeeidomyia pini Geer zu den interessantesten.
Die Larven der ersteren wurden von F r . T h o m a s i n Ohrdruf entdeckt. Sie leben auf der Blattunterseite
rauhhaariger Weiden, wo sie sich in einem Nervenwinkel festsetzen und an dieser Stelle
die Haare vom Blatte loslösen, um sich mit denselben zu bedecken, so daß sie das Aussehen von
Sehildläusen erhalten.
4'äCeeidomyia pini und Verwandtschaft lebt als Larve auf Pinus silvestris an Knospen oder im
ausfließenden Harze an den Zweigen oder dem Stamm. Die Larve verläßt diesen Aufenthaltsort
erst, wenn sie sich verpuppen will, was auf der Rinde oder einer Kiefernadel geschieht. Auch in den
Blüten, den Früchten usw. vieler Pflanzen leben, Gallmückenlarven, ohne Gallbilduiig hervorzurufen.
Am bekanntesten ist Contariwia tritici Kirby, die nicht selten in Weizenähren angetroffen wird,
ebenso wie Sitodiplosis moseÜcma Geh. Eine ähnliche Lebensweise führen Contarmia brizae Kffr.,
Gont. dactylidis H. Lw., Stenodiphsis gmiculati Reut, und Dasyneura airae Kffr.
Auch in den Körbchen einiger Kompositen kommen verschiedene Cecidomyiden vor. So findet
man Glinodiplosis ciUcrus Kffr, auf Cirsium, Carlina und Centaurea, Contarmia hypochoeridis Rübs.
auf Hypochoeris und Crepis, Diartkronomyia magnusi Rübs. in den Körbchen verschiedener Artemisia-
Arten, Jaapidla compositarum Kffr., crinita Rübs. und cirsiicola Rübs. sowie Macrolobis drsii Rübs.
in Kompositenkörhchen.
Zoologie*. Heft 77.