
Eine Beschreibung des Skeletts und der Muskulatur des Abdomens kann ich mir wohl ersparen,
da ihr Bau klar und einfach ist und daher die Abbildungen auch ohne ausführliche Erklärung als
Grundlage für die nachfolgenden vergleichenden Betrachtungen wohl genügen.
Ein Verständnis der Gliederung des Abdomens des geflügelten Weibchens ist nur möglich durch
Vergleich mit dem ungeflügelten Tier, am besten eignet sich, wegen der relativ starken Chitinisierung,
die Fundatrix von Aphis moräwilTcoi (Abb. 6, Schema Text-Abb. 12). Man sieht, daß beim geflügelten
Tier nur ein Teil der bei ungeflügelten chitinisierten Flächen seine Chitinisierung beibehalten hat.
Wiederum nur ein Teil dieser Chitinplatten dient, wie Abb. 20 zeigt, als Ansatzstellen für Muskeln.
Die queren, unregelmäßigen, kleinen Platten, die sich auf der Rückenseite des geflügelten Tiers finden,
sind frei von Muskelansätzen.
Im mittleren Teil des Abdomens macht die Feststellung der Gliederung keine Schwierigkeiten,
man sieht, daß beim ungeflügelten Weibchen das 2. bis 5. Segment völlig normal gelagert ist. An
jedem von diesen Segmenten erkennt man ein chitinisiertes Tergum, das lateral eine rundliche Platte
(Pa) als Fortsetzung trägt und im 2. bis 4. Segment sieht man über dieser Platte am Hinterrand
des Tergums das schon mehrfach erwähnte Posttergit. Unterhalb der rundlichen Platten Pa liegt
jeweils am Vorderrand des Segments das zugehörige Stigma, umgeben von einem kleinen, runden,
chitinisierten Plättchen. Der Hinterrand des 5. Tergums trägt, zwischen der hier vom Hauptteil
losgelösten Platte Pa und dem Hauptteil die Siphunculi. Beim geflügelten Weibchen sind die Terga
großenteils membranös, nur ein kleiner medianer Teil ist, in Gestalt der schon genannten queren
Platten Pt, chitinig geblieben. Außer diesen, nicht als Muskelansätze dienenden Platten sind aber,
wie Text-Abb. 12 zeigt, auch die lateralen Platten Pa und die Posttergite Post erhalten, sie dienen,
wie Abb. 20 zeigt, als Ansatzflächen für die Flankenmuskulatur.
Das erste Abdominalsegment ist in seinen sternalen Teilen stark reduziert, Abb. 22 zeigt am
ungeflügelten Weibchen, daß der erste (mediale) sternale Längsmuskelzug des Abdomens (III vlnq
4 - 1 a vlnq) sich über zwei Sterna weg erstreckt, von denen das erste aber, wie ein noch erhaltener
lateraler Längsmuskel zeigt (I a vlm2), stark verschmälert erscheint. Beim geflügelten Weibchen fehlt
dieser laterale Längsmuskel im ersten und im zweiten Segment; man kann daher eine Grenze zwischen
1. und 2. abdominalen Sternum nicht mit Sicherheit angeben, da der mediale Längsmuskel sich auch
hier über beide Sterna spannt. Die deutliche Abgrenzung der Tergite ermöglicht aber, wenn man
die Verhältnisse beim ungeflügelten Weibchen vergleicht, eine hypothetische Abgrenzung der beiden
Sterna etwa im Sinne des Schemas Text-Abb. 12. Man sieht, daß die Reduktion hier auch auf das
zweite Sternum übergreift, zusammen sind die beiden ersten Sternite noch nicht einmal so breit
wie das dritte allein.
Auch die Aphiden weisen also, ganz wie die ändern Pterygoten, eine merkliche Reduktion des
vorderen Teüs der Sternalregion des Abdomens auf. Beim geflügelten Tier geht diese Reduktion
viel weiter als beim ungeflügelten; sie hängt also wohl mit der Flugfähigkeit zusammen, ohne Zweifel
— trotz der relativ geringen Entwicklung des Metathorax — vor allem mit der beim geflügelten
Tier größeren hinteren Ausdehnung des sternopleuralen Komplexes des Metathorax.
Vom 6. Abdominalsegment an nach hinten wird die Gliederung unklar, doch kann man immerhin
noch deutlich drei Tergite beim geflügelten wie beim ungeflügelten Tier erkennen. Beim geflügelten
Weibchen sind die plattenförmigen Teile Pa des 5. und 6. Tergums zu einer Platte verschmolzen,
die eine feste Basis für den Siphunculus (Siph) bildet. Beim ungeflügelten Tier sind die
beiden Terga dagegen völlig getrennt.
Das 10. Segment*) besteht aus einem zur Cauda umgewandelten Tergum und einem Sternum,
das, weil über seinen Dorsalrand die Analöffnung liegt, als Analplatte bezeichnet wird. Das 9. Segment
ist (n. v a n d e r G o o t) vor der Cauda bezw. der Analplatte zu suchen, ist aber so stark reduziert,
daß, wie Text-Abb. 12 andeutet, nur noch ein membranöser Ring als sein Rest angesehen werden
kann. Die Genitalplatte, in deren Dorsalrand die Genitalöffnung liegt, bildet das Sternum des 8. Seg,-
ments die Sterna des 6. und 7. Segments sind membranös.
Beim geflügelten Weibchen finden sich im 3. bis 6. Segment in der Flankenhaut kleine Plättchen
(Pä), die der Flankenmuskulatur die ventralen Ansatzflächen liefern. Sie sind daher wohl
morphologisch zum Sternum zu rechnen. Die Stigmen finden sich auch im 6. und 7. Abdominalsegment
in der gleichen Lage wie in den anderen Segmenten, im ganzen sind also bei Aphis neun
Stigmen vorhanden.
An Muskulatur findet sich (Abb. 20) ein medialer dorsaler, paariger Längsmuskelzug, der aus
je zwei Bündeln bestehend (dlmx) vom 1. bis zum 8. Segment geht und vermutlich den dlm1 der Thorakalsegmente
entspricht. Wir müssen uns diese ja ursprünglich wie die dlnq des Abdomens, vom
Vorderrand nach dem Hinterrand jeden Segments gehend, denken. Intersegmental im strengen
Sinn sind sie also eigentlich nicht.
Außerdem ist noch ein lateraler dorsaler Längsmuskelzug vorhanden (dlm2), der möglicherweise
dem lateralen dorsalen Längsmuskel der Thoraxsegmente entspricht. Er fehlt im 3., 4. und 5. Abdominalsegment.
Der dlmq und dlm2 vereinigen sich am Vorderrand des 8. Segments und gehen
als e i n Muskelzug zum Vorderrand der Cauda. Dieser Muskel bewirkt durch Hebung der Cauda
das öffnen des Afters. Im 6., 7. und 8. Segment ist noch ein weiterer lateral gelegener Längsmuskelzug
vorhanden (dlm3), dessen letzter Strang sich vom Vorderrand des 8. Tergits nach einem inneren,
spitzen Fortsatz zieht und, indem er die Cauda senkt, den After schließt.
Ventral finden sich ebenfalls zwei Längsmuskelzüge (vlml5 2). Sie. enden am Hinterrand des
6. Segments.
Die Flankenmuskulatur nähert das Tergum dem Sternum, verringert so den Innenraum des Abdomens
und verlängert es gegen die Wirkung der Längsmuskulatur. Einige von den Flankenmuskeln
bedienen die Siphunculi (Abb. 20).
x) Nach W i t l a c z i l s anatomischen und entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen beträgt die Zahl der Abdominalsegmente
der Aphiden zehn. Das würde zwar mit der nach V e r h o e f f für die Hemipteren gültigen Zahl übereinstimmen, jedoch
wurde von Heymons durch embryologische Untersuchungen das Vorhandensein von elf Segmenten im Hinterleib der Heteropteren
und Cicaden konstatiert. H e y m o n s selbst ist aber nicht sicher, ob diese Zahl auch bei den Aphiden anzunehmen ist, jedenfalls
ist von einem 11. Segment nichts zu bemerken, auch von den zehn vorhandenen ist «ins unterdrückt.