Allgemeiner Teil.
Geschichtlicher Rückblick.
Die Geschichte der Gallmückenkunde ist naturgemäß eng verknüpft mit derjenigen der
Cecidologie. Während man aber schon im Altertum auf die merkwürdigen Pflanzenmißbildungen,
die man als Gallen bezeichnet, aufmerksam wurde, erkannte man erst verhältnismäßig spät, daß sie
ihren Ursprung tierischen Parasiten verdanken. Nachdem man sich zu dieser Erkenntnis durchgerungen
hatte, dauerte es aber noch eine geraume Zeit, bis man lernte, diese Erzeuger systematisch
zu unterscheiden, da einerseits die Aufzucht der Imagines aus den Gallen nicht geringe Mühe verursachte
und große Geduld und Geschicklichkeit des Züchters voraussetzte und andererseits eine eingehende
Untersuchung der gezüchteten Insekten mit den unvollkommenen optischen Hilfsmitteln
früherer Zeiten nicht möglich war.
Die erste Mückengalle, deren in der Literatur Erwähnung geschieht, ist die von M i k i o l a
f ag i Htg. auf Fagus silvatica erzeugte harte, kegelförmige Blattgalle, von welcher bereits P l i n i u s
d e r Ä l t e r c eine kurze Beschreibung gibt. Aus dem folgenden Jahrtausend fehlt jede Mitteilung
über Gallen. Der erste mittelalterliche Naturforscher, welcher sich mit diesen Bildungen beschäftigt,
ist nach K ü s t e r (Gallen der Pflanzen 1911, p. 9) A l b e r t u s M a g n u s , aber weder von ihm
noch von seinen nächsten Nachfolgern, die sich alle vorzugsweise mit Cynipidengallen auf Eichen
befassen, erfahren wir etwas über Mückengallen. Die ersten mittelalterlichen Mitteilungen über derartige
Gallen verdanken wir C 1 u s i ü s (1586), J o n s t o n (1657), M a l p i g h i (1675), M o u f e t
(1684) u. a. Aber erst mit dem im 18. Jahrhundert erwachenden Interesse für die Beobachtung der
Natur mehren sich die Nachrichten über Mückengallen, und die ersten, welche um diese Zeit darüber
berichten, sind F r i s c h (1720—1738), der u. a. die Galle der später von H. L o e w als Cec. rosaria
beschriebenen Mücke beschreibt, und S w a m m e r d a m (1737), der über dieselbe Galle sowie diejenigen
von Cec. urticae P e r r i s und Cec. terminalis H. L w. berichtet. Die Beschreibungen und
Abbildungen, welche die genannten alten Forscher von diesen Deformationen geben, sind so vortrefflich,
daß die Gallen heute leicht wieder zu erkennen sind. Der erste, der in den Erzeugern gewisser
Gallen Dipteren erkannte, ist R é a u m u r , aber die erste Beschreibung aus ihren Gallen
gezüchteter Mücken erfolgt erst nach dem Tode R é a u m u r s (1757) durch L i n n é , welcher 1761
(Fauna, suec.) den Erzeuger der Triebspitzendeformation auf Juniperus als Tipula juniperina und
1767 (Syst. Nat. ed. 12) denjenigen der Blattrollen auf Polygonum als Tipula persicariae beschrieb;
allerdings sind L i n n é s Beschreibungen noch so dürftig, daß seine übrigen Gallmückenarten, die
er nach gefangenen, nicht aus Gallen gezüchteten Tieren beschrieb, nicht wiederzuerkennen sind.
Zoologica. Heft 77. 1