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2. Aeiissere Erscheinung der Tamilen oder Dravidier.
Hiezu Tat. II, Figg. 0-12, Taff. XXVII-XXXVI und Anhangslabeilm 3 und 4. (I.iteratnrvcrzaclmiss am Ende des Abschnillea.)
An der Ostkliste von Ceylon, im Norden mid am Nordwestrand der Insel bis südwärts
in den District von Puttalam, wohnen, wie wir oben geschildert haben, taniilische
oder dravidische Stamme, welche von sehr verschiedenen Punkten des nahen Süd-Indiens
her nach Ceylon eingedrungen sind. Auf der Vülkerkarte (Taf. I) sind sie mit grauschwarzem
Tone bezeichnet.
Der Sprachgel)rauch nennt in Ceylon diese Leute „Malabaren" und zwar, wie schon
T e n n e n t (19, I, p.°353) nachwies, mit Unrccht, da es bei Weitem nicht nur die Malabar-
Ivüstc ist, von wo sie ihren Ursprung nahmen.
Wenn auch sicherlich, wie wir schon erwähnten, die grosse Hauptmasse der
heutigen Ceylon-Tamilen erst in historischer Zeit, nach der Besetzung des Landes durcli
die Singhalesen, sich nach Ceylon hineindrängte, so wird man doch kaum irren, wenn
man annimmt, dass schon sehr lange vor der singhalesischen Invasion, die von NOKIludien
ausgieng, südindische Tamilen an einzehien Küstenpunkten des nahen Ceylon sich
festgesetzt hatten.
Der Mahawansa (11, Cap. 1) lässt vor der Einwanderung der Singhalesen das
Land von Yakkas (Dämonen) und Nagas (Schlangen, d. h. Schlangen-Verehrern) bewohnt
sein. Dass mit den Ersteren die Weddas gemeint sind, dürfte jetzt wohl allgemein angenommen
sein und wird später noch ausführlich besprochen werden. Die Nagas aber,
welche der Mahawansa an der Westküste (wenn anders „Kalyani'' wirklich den Ausfluss
des Kelani Ganga bei Colombo bezeichnen soll) und im Norden der Insel (wenn das
„Nagadipa'^ der Chronik richtig gedeutet ist) gewisse staatliche Organisationen besitzen
lässt" dürften mehr als wahrscheinlich eine alte tamilische Bevölkci'ung darstellen.
Für diese Auffassung fällt schwer in's Gewicht, dass Schlangencultus zahlreichen
Stämmen Süd-Indiens eigen war und noch eigen ist, ja sogar noch im lahre 1847 auf
einer der kleinen Inseln bei Jaffna im Norden von Ceylon, also im alten Nagadipa des
Mahawansa, ein Tempel stand, in welchem lebende Schlangen verehrt wurden (siehe Casio
C h i t t y , 3, pp. 73 und 74). Ob dieser Dienst heute noch in Blütbe steht, können wn
nicht sagen, da wir selbst den Ort nicht besucht haben.
Auch Tennent (19, I, p. 332) denkt an eine alte Besiedelung Ceylon's von Süd-
Indieii hir und führt dafür die selir bedeutsame Thatsache an, dass der Mahawansa aucli
öfters Naga-Staaten auf dem Continente erwähnt, an deren tamilisclier Natur kein Grund
zu zweifeln vorliegt.
Wir dürfen also annehmen, dass schon in sehr früher Zeit Einwanderungen von
Süd-Indien her stattgefunden haben, und dass, wenigstens an einzelnen Orten, schon frühe
eine o-ewisse staathche Organisation entstand, wenn auch selbstverständlich die Einzelheiten,
welche der Mahanwansa von Königen, Städten und Edelsteinthronen erzählt, in's Fabelreich
gehören.
In historischer Zeit, nach der Besetzung der Insel durch die Singhalesen, welche
iirs sechste vorchristliche Jahrhundert gesetzt wird, folgte dann ein Einfall der Tamilen
nach dem anderen. Welle auf Welle stürzte von Süd-Indien her in das Land. In endloser
Reihe von Kriegen schwankte das Glück hin und her; bald siegte der Singhalese,
bald der mit erobernder und leider nur zu oft zerstörender Hand eindringende Tamile, der
mehrmals die Herrschaft über die ganze Insel an sich zu reissen vermochte. Es kann hier
. nicht unsere Aufgabe sein, diesen historischen Process, welcher die Seiten des Mahawansa
fiillt, zu verfolgen; uns interessiert hier nur, was sclioii früher erwähnt wurde, dass das
Endproduct dieses Jahrliunderte langen Kampfes die gegenwärtige geographische Vertlieiluug
der beiden Stämme ist, wie unsere Karte sie darstellt.
Es ist ebenfalls schon erwähnt worden, dass neben den angesiedelten Tamilen
eine grosse fluctuierende Menge von Leuten dravidischen Stammes auch in den singhalesischen
Districten sich findet; wir erinnern an die zahlreichen Arbeiter im Plantagen- und Strassenbau,
an die Lastträger der Städte, an manche Kaufleute in den Hafenorten u. s. w., lauter
Menschen, die oft nur wenige Jahre in Ceylon sich aufhalten und dann mit ihrem Gewinne
in ilire süd-indische Heimath zurückkehren.
Di-ese fluctuierenden Tamilen haben wir schon bei der Herstellung der Volkerverlireitungs
Karte ausser Betracht gelassen; wir werden sie auch bei unseren anthropologischen
Studien nicht berücksichtigen und uns lediglich auf die ansässigen Ceylon-
Tamilen beschränken. Auch liaben wir auf unseren Tafeln nur Angehörige dieser Letzteren
zur Darstellung gebracht. Die Orte, wo wir hauptsächlich unsere Studien machten, waren
Batticaloa und Trincomali an der Ostküste; nur kurz haben wir Jaffna im Norden berührt.
Eine anthropologische Schilderung der Tamilen bietet viel grössere Schwierigkeiten
als etwa die der Weddas dar; denn, wenn auch Letztere stark variieren und sogar localo
Untervarietäten unterscheiden lassen, so sind doch Allen eine Reihe von wichtigen Zügen
gemeinsam, die sie zu einem Ganzen zusammenschliessen. Mit dem Namen Tamilen oder
Dravidier bezeichnet man dagegen Angehörige von Stämmen, welchc auf sehr versciiiedener
anatomischer und cultureller Stufe stehen. Als niedere Kasten gehören zu ihnen
zum Beispiel eine Reihe von indischen Bergstäinmen, welchc nahe mit den Weddas veriih
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