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wio in dem Falle des holländischen Statthalters, welcher mit dieser Seite des Weddacharakters
bekannt war und sie zu seinem Vortheil missbrauchte. Jedenfalls ist aus dem
Mitgetheilton der Schluss zu ziehen, dass Gutherzigkeit eine Seite des Weddacharakters
darstellt.
Eine Folge davon haben wir in der öfters zu Tage tretenden Dankbarkei t gegen
erwiesene Freundlichkeiten und Wohlthatcn zu sehen oder vielleicht liesser in der Gegenbelohnnng.
Wir haben diese allerdings hei den in Kolonggala, am Fuss des Danigala
angesiedelten Naturweddas nicht liemerkt. Wenn wir Diesen kleine Geschenke machten,
verlangte Einer aus der Gesellschaft, meistens die alte Frau der Figur 38 (Tafel XXI) oder
der Mann der i'igur 9 (Tafel VIT) immer noch mehr, ihre Bitte in der Form eines einfachen
improvisierten Gesanges äussernd, wie wir ihn oben (Seite 519) dargestellt haben. Man könnte
ilaraus den Schluss ziehen wollen, dass die Naturweddas die Dankbarkeit nicht kennen, wie
denn auch Hoffmeister dies, allerdings mit etwas Eeserve, aussprach, indem er von seinen
Weddas sagte; Demonstration von Dankbarkeit scheinen sie nicht zu kennen, sondern begannen
statt dessen wieder ihren Tanz. In einem Falle haben auch wir bemerkt, dass ein
Naturwedda aus Freude über eine leere Flasche den Pfeiltanz anfieng (siehe oben Seite 515),
Wie berichtet, gelang es uns nicht, im Nilgaladistricte eine Demonstration von
Dankbarkeit zu entdecken, wohl aber in Wew-atte, und zwar sprach sich hier die Dankbarkeit
sowohl in Form von Gegenbelohnung, als von Ansprache aus. Als wir nämlich
mit unserer Arbeit an den dortigen Weddas zu Ende waren und dieselben abgelohnt liatten,
da kam der alte Mann (Figur 20. Tafel XII), nachdem er einige Zeit lang fortgeblieben
war. noch einmal auf uns zu, setzte sich vor uns auf den Boden nieder und brachte verschiedene
Kostbarkeiten vor, welche er im Walde für uns gesammelt hatte, grosse Früchte,
Beeren. Fanden, Wurzeln, Blätter, Pilze. Wir dürfen allerdings nicht verschweigen, dass
wir den Wunsch ausgesprochen hatten, die pflanzliche Nahrung der Weddas kennen zu
lernen: er brachte sie aber sehr reichlich und lud uns ein, davon zu kosten; er ass uns
jeweilon vor, um uns zu ermuthigen, wenn wir uns den in rohem Zustande servierten
Beeren und Binden gegenüber etwas zögernd verhielten. Gewisse Beeren enthielten Steinchen:
um uns nun zu zeigen, dass wir uns davor nicht zu scheuen brauchten, nahm er eine
l'aust voll davon in den Mund, sah uns fest an, liss das Maul weit auf und biss nun mit
aller Gewalt ein paar Mal zu: wir machten ihm dann das Kunststück ohne Zögern nach.
Als war dann aufgestanden waren (wir hatten uns zu ihm hingesetzt gehabt), trat er vor
Joden von uns nahe hin und fasste uns so an, dass er seine Hän(Ui flach an unsere Brustseite
anlegte, und zugleich sprach er einige Worte, wobei er öfters ,,hondaniai, hondamai,"
(las heisst ,,gut, sehr gut'!" ausrief. Leider waren uns die anderen Worte unverständlich,
und ein Dolmetscher befand sich nicht gerade zur Stelle. Dies stellte seine feierliche
Dauke.srede dar, begleitet von bestimmten Geberden. Deschaiiips, welcher denselben
Alten vor sich gehabt hatte, erfuhr von ihm ofl'enbar dasselbe; denn er l)erichtet: ,,Der Alte
erariff nreine beiden Arme mit seinen Händen und schrie zwei oder drei kurze Worte."
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Derselbe alte Mann gab uns auch gerne, nachdem wir ihn zufriedengestellt hatten, Unterricht.
Wie er uns den Genuss von wilden Beeren und ährdichen Waldproducten gezeigt hatte, so
gab er uns auch Anleitung im Bogenschiessen; wir fanden in ihm also den Trieb zu
l e h r e n ausgesprochen, und zwar that er dies uns gegenüber als Gegenbelohnung.
Der junge Mann ferner, welcher sich beim Photographieren dermaassen ungeberdig,
ja drohend benonnnen hatte, dass wir ihn hatten wegschicken müssen (siehe oben Seite 532)
erhob sich, nachdem Alles zu Ende war, vor den üebrigen, legte demonstrativ seine Axt
und seinen Bogen nieder, kam auf uns zu und legte zwei aus Blättern und Schlingpflanzen
angefertigte Beiitelchen vor mis auf den Boden hin. Wir hoben sie auf und öffneten sie;
das eine enthielt frisch geröstete und deshalb kohlschwarz aussehende Yamswurzeln, das
andere war mit Honigwaben angefüllt. Er brachte uns dieses Geschenk, ohne dazu aufgefordert
worden zu sein, als Gegenbelohnung.
Bennett erlebte einen Fall, welcher die Dankbarkeit der Weddas besonders klar
zu Tage treten lässt. Er erzählt nämlich: „Etwa zwei Monate nach einer Unterredung mit
den Weddas, nach deren Schluss ich angeordnet hatte, dass ihnen im ganzen District jede
Freundlichkeit erwiesen werden sollte, fand ein Paar von Elephantenstosszähnen, nahezu
sechs Fuss lang, ihren Weg des Nachts in meiner Vorderveranda; aber die Weddas, welche
sie hergebracht hal)en müssen, gaben mir nie mehr in der Folge Gelegenheit, sie zu
belohnen. Was für eine Lehre in Dankbarkeit und Zartgefühl doch selbst ein Wedda
ertheilen kann!"
Nevill schreibt: „Ein wenig freundschaftliche Sympathie macht den Wedda zum
anhänglichen Freund, und für einen Freund opfert er bereitwillig sein Leben."
Dankbarkeit stellt also eine Seite des Weddacharakters thatsächlich dar; wenn wir
in Kolonggala nichts davon bemerkten, so steht das vielleicht mrt dem Umstände im Zusammenhang,
dass unsere dortigen Weddas keine Gelegenheit fanden, sie uns zu beweisen;
hätten wir längere Zeit dort verweilt, so wäre ihre dankbare Gesinnung noch gewiss zu
Tage getreten. In der Besorguiss um unsere Sicherheit vor Bären sahen wir sie bei dem
Wedda Figur 4 (Tafel IV) sich äussern (siehe Seite 535). Auch fühlte gerade den Kolonggalaweddas
Stevens sich verpflichtet, weil sie ihn, als er am Fieber todtkrank dalag, aus
(>igenem Entschlüsse nach Bibile getragen hatten (siehe oben Seite 545). Im Augenblick,
nachdem wir einem Wedda etwas geschenkt hatten, äusserte Keiner je ein Wort. Ihr Dank
spricht sich also nicht in Worten aus, sondern in der Gesinnung, und falls es möglich
wird, in d,.r That. Dass uns der Wedda-Senior von Wewatte eine eigentliche Danbede
hielt, betrachten wir als einen Ausnahmefall; wir haben dasselbe auch bei unseren singhalesischen
Kulis beobachtet.
Das lautlose Hinnehmen einer Gabe fiel auch Deschamps auf: „Bei Vertheilungen
erhob si.li keine Reclamation, kein Streit; schweigsam, indifferent langte Einer nach dem
•Anderen mit der Hand hin, und das Ende des schmutzigen Gürteltuches verschloss den