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sagt, liohle liäume im Weddalandc nicht vorkämen; er erzählt: „Weun ich den Wcddas
sagte, man glaube, sie logierten in hohlen Bämneu, da lachten sie mich aus und riefen:
.,.,(), wo sind solche Bäume für unsere Frauen und Kinder?"" oder: „„Das ist dort, wo
die Göhras leben!"" Nevill hat recht: Hohle Bäume dienen nie als eigentliche Wohnuns-en;
wir selber liaben ebenfalls nie solche, eventuell zu Wohnungen geeignete, liohle Bäiune
gesellen; aber es ist nicht unwahrscheinlich, dass in Districten. wo Feigenbäume häufig
sind, auf der Jagd herumstreifende Naturweddas die Säulenhalle der Luftwurzeln bequem
finden werden. Wir sahen in der Nähe von Wewatte einen Ficus, unter dessen Luftwurzeln
mehrere Personen wie m einer Hütte sich aufhalten konnten.
Es ist noch zu bemerken, dass bei der nomadisierenden Lebensweise der Naturwedda
das Uebernachten am Fasse eines Baumes ohne Schutzdach als eine regelmässig
sich wiederholende Gewohnheit, als ein Theil seiner Lebensweise zu betrachten ist, und
nicht etwa als seltener AiisnahmsfaU, wie er sich bei allen Menschen, sei es zum Vergnügen,
sei es aus Nothwciidigkeit zu ereignen pflegt.
Höhlen. Die Bezeichnung ..Höhle" ist nicht ganz die richtige für die Felsenwohnungen,
welche die Naturweddas während der nassen Jahreszeit beziehen. Wir haben
mehrere derselben aufgesucht, welche übereinstimmend als Weddahöhlen bezeichnet wurden,
und nie fanden wir einen ausgehöhlten Felsen vor, wie man sie lieispielsweise in unseren
Kalkgelnrgen antrifft. Es handelt sich bei den Weddahöhlen lediglich um abgerutschte
und an einer oder mehreren Stellen aufliegende, oft sehr mächtige Gneissplalten oder
-Blöcke, welclie ein gegen den Boden hin winldig zulaufendes Schutzdach gegen Wind
und Regen gewähren. Um von einer solchen ächten Weddahöhle eine richtige Vorstellung
zu erwecken, haben wir in Figur 48 (Taf. XXVI) das photographische Abbild mner solclieii
wiedergegeben; da das Negativ gut ausgefallen war, so ist keine Linie an dem Bilde
retouchiert worden, weshalb dassell)e eine unverfälschte Wiedergabe der Natur darstellt. Es
liegt diese Höhle in den Felsbergen von Nilgala, welche wir auf Seite 14 in Heliogravüre
abgebildet haben. Eine gewaltige, herabgerutschte Felsplatte, welche man im Bikie'^rechts
oben herniederstreichen sieht, bildete die Decke. Auch gegen hinten zu lag sie nicht
völlig dem Boden auf, sondern sie wurde von niedrigen Blöcken schwebend gehalten, was
jedoch auf dem Bilde nicht zu sehen ist. Um die Höhe des Einganges zu zeigen, haben
wir den auf Figur 4, Tafel IV, abgebildeten Wedda sich hineinstellen lassen, welcher uns
als Führer zur Höhle gedient hatte. Malerisch umrahmte sie eine üppige Vegetation von
Farnkräutern; ein besonders graziöses liess von der Decke seine langen, zierlichen Wedel
herabhängen. Ein Termitenhügel steht links im Vordergrund. Die Höhle liegt mitten in
dichtestem Walde, und so war die Dunkelheit sehr gross. Obschon die Sonne senkrecht stand
und der Himmel in reiner, tropischer Lichtfülle strahlte, und obschon wir, um mehr Lidit
zu gewinnen, die nächststehenden, kleineren Bäume umhauen Hessen, gelang uns das Bild
nur de.shalb, weil wir mit Anwendung einer für Momentaufnahmen berechneten I'latte etwa,
zwei Minuten lang exponierten. Den Boden der Höhle bedeckte viel weiche Erde, her-
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untergeschwemmter, verwitterter Gneiss; wir liessen ihn stellenweise mit Hacken durcliarbeiten,
fanden ihn aber gleichförmig bis zum Fidsboden und ohne Einschlüsse irgend
welcher Art. An anderen Höhlen, die wir besuchten, so bei der Ansiedelung Mudagala in
der Nähe von Mahaoya und bei Kolonggala in der Ebene zwischen dem Danigala und Degala,
zeigten sich dentliclie Spuren, dass sie zu einer gewissen Zeit von buddhistischen Einsiedlern
bewohnt gewesen waren; es fanden^ sich einzelne Stufen roh in den Felsen geliauen, und
um den ganzen äusseren Rand der Gneissplattendecke erschien von unten nach oben eine Rinne
eingehauen mit scharfem, äusserem Rande, so dass das Regenwasser nicht, der Decke
folgend, in's Innere fliessen konnte, sondern von jenem Rande aus senkrecht zu Boden fallen
musste. An solchen Höhlen finden sich häufig Inschriften in Pali, so an derjenigen bei Mudagala.
Später wurden diese sogenannten Felsen-Wiharen wieder aufgegeben und von Neuem
von ihren ursprünglichen Eigenthümern, den Weddas, temporär bezogen.
Wir selber haben auf unseren Streifzügen keine Weddas in den Höhlen angetroffen.
Die Ursache mag zum Theil in der Jahreszeit gelegen haben; denn wir bereisten
das Weddaland immer während der trockenen Monate, wo die Weddas im Freien und in
Primitivhütten campieren; doch ist überhaupt in letzter Zeit eine grosse Aenderung in
der Lebensweise der Naturw-eddas vor sich gegangen, da die englische Regierung sie aus
ihren Höhlen herausnöthigen und zum Ackerbau heranziehen liess. Wir werden unten
eingehender über diesen Punkt sprechen. Siehe den Abschnitt: Europäisierung.
Dagegen sind von Anderen die Weddas in ihren Höhlen beobachtet worden. Schon
im vierten Jahrhundert unserer Zeitrechnung erwähnt der thebanische Reisende (80, siehe
unten die Uebersetzung der diesbezüglichen Stelle, Abschnitt: Geschichte der WeddasJ
ihrer als Höhlenbewohner, und nach ihm findet sich die Angabe ilirer Höhlenbewohnung
durch die ganze Literatur bis lieute wiederholt. Wir heben indessen nur die Berichte
der wenigen Autoren hervor, welche die Weddas selber in ihren Höhlen beobachtet haben.
So giebt Kriekenbeck (56) 1850 an, dass ein gutes Beispiel einer Weddahöhle zwischen
Lavenne und Omuna zu finden sei, in Form eines grossen überhängenden Felsens. Als er
ankam, fand er die Höhle eben bewohnt, was Hundegebell ihm kundgab; er traf in der
Höhle mehrere Frauen und Kinder: die Männei- waren nach Honig ausgegangen. Gillings
(32) sah 1849 zwei oder drei Familien, wie er sich ausdrückte, an grossen Felsen leben;
sie kochten hier, assen und schliefen, während ihre Gefährten im Walde sich nmhertrieben.
Dabei macht Gillings die merkwürdige Angabe, dass je eine Höhle verschiedenen
Familien angehöre und in Abtheihingen getheilt sei. Diesen Umstand berichtet
auch Bailey, indem er angiebt, dass die Hütten zwar je nur eine Familie enthielten;
wenn die Weddas aber in Höhlen lebten, so fänden sich mehrere Familien zusammen,
und der von einer Jeden in Anspruch genommene Raum werde dann sorgfältig abgeschirmt.
Die Bedeutung dieser Angaben, denen zufolge eine Höhle von mehreren Familien gemeinsam
während der nassen Jahreszeit bewohnt wird, w^ollen wir unten eingehend zu würdigen
versuchen (siehe den A))schnitt: Sociologie).