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Leichenbehandlung.
Es ist eine selir merkwürdige Thatsache, dass der Naturwedda ursprünglich eine
];oiche an dem Orte, wo der Tod sich ereignet hatte, einfach liegen Hess, ohne sich weiter
um dieselbe zu bekümmern. Nur darin wurde noch ein Uebriges gethan, dass sie mit
Zweigen oder Blättern überdeckt wurde, und zuweilen, wenn nicht immer, ward auf die
lirust der I.eiche ein schwerer Stein gelegt. Der Ort. wo sie lag, wurde verlasse]! und
zwar zum wenigsten für so lange, bis völlige Verwesung eingetreten war. Da wälu'end
der Regenzeit ein Todesfall naturgemäss meistens in einer Höhle eintrat, weil ja, wie oben
auseinandergesetzt, in dieser Periode eine solche dem Wedda zur Wohnung dient, so wurde
diese im betreffenden Falle geräumt; das nach der Vci'wesung zurückbleibende Skelett
Hess man ebenfalls in der Höhle liegen.
Folgendes sind die Belege für obige Constatieruug; Davy sagt; „Sie begraben die
Todten gar nicht, sondern werfeu sie in's Buschwerk. Begräbnissgebräache fehlen.'' Der
Anonymus 1823 äussert sich im nämlichen Sinne: „Sie bringen den Todten keine Ehrerbietung
dar; man wirft die Leiche ohne Ceremonie in's Buschwerk." Die beiden Angaben,
mau werfe die Leiche in's Buschwerk, beruhen unserer Ansicht nach auf einem
jMissverständniss. Da während der trockenen Jahreszeit, wie oben ausgeführt, der Natui-
\\'edda nicht in einer Höhle auf dem Felshügel, sondern im Tiefland in einer Primitivhütte
oder selir oft ganz im Freien lebt, so muss es, wenn unter diesen Umständen ein Todesfall
eintritt, woraufhin die Üeberlebenden den Ort verlassen, den Anschein haben, als
hätten sie die Leiche an die Stelle, wo sie liegt, hingeworfen; thatsächlich aber war dieser
Platz der Todesort selbst.
Nach Bennet t (9, pag. 256) fehlen Bestattuugsceremonien; sie begraben die Todten
nicht, sondern überlassen sie den wilden Thieren. Er fügt hinzu: „Indem sie indessen den
Tod ihrer Verwandten nicht besclileunigen und dieses Ereigniss abwarten, bevor sie ihre
lioichen in's Buschwerk werfen, sind sie menschlicher und civilisierter als ihre (singhale.
sischen) Nachbarn von ßlahagampattuwa (dies ist die Südküste zwischen dem Walaweganga
und dem Kumbukanoya), wo noch bis zum Jahre 182(5 viele Fälle sich ereigneten,
dass Eltern, Brüder, Schwestern und Kinder während jenes schrecklichen Momentes, welcher
das Leben vom Tode trennt, der Gnade der Bären, Leoparden, Krokodile und Jakale
übergeben wurden, naclidem man dem Sterbenden etwas Reis imd ein Oefäss mit Wasser
zur Seite gestellt hatte." (Siehe darüber auch unten.)
^Venn Lamprey seinen Wedda berichten lässt, dass behufs Bestattung ein LocJi
mit einem Stocke (jedenfalls unserem Grabstocke, siehe oben Seite 405) in der Nähe dei'
Leiche gescharrt werde, wohinein man sie dann werfe und kaum überdecke, so sehen wir
hierin schon höheren, den Urzustand verdrängenden Einfluss, worüber wir unten sprechen
werden. „Zuweilen aber, fährt I^amprey fort, werfen sie nur einige Blätter über die
Leiche und lassen sie liegen." Nach Tennent begi'aben die Naturweddas die Leiche nicht,
sondern bedecken sie mit Blättern und Reisig. Nicht anders Bailey, von welchem wir
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Folgendes erfahren: Im Biutennedistrict begraben und betrauern sie den Todten, im Nilgaladistrict
aber beginnen sie erst damit. Bis in die jüngste Zeit wurde die Leic.lie da gelassen,
wo der Tod eintrat. Man bedeckte sie mit Blättern. Dabei macht Bailey die erwähnte
interessante Angabe, man lege einen schweren Stein der Leiche auf die Brust, ein Umstand,
auf welchen wir noch einmal zurückkommen werden. Trete der Todesfall in einer Höhle ein.
so werde dieselbe verlassen. Wir erfahren, dass die Knochen beständig in guter Erhaltung
in den Höhlen des Nilgaladistrictes gefunden würden, was lieweise, wie kürzlich erst die
Sitte aufgegeben worden sei, die Leiche nnbegraben zu lassen (dies ist 1856 geschrieben).
Heutzutage ist wohl überall Bestattung eingeführt. Die englische Regierung liess
den Befehl an die singhalesischen Aufseher der Weddas ergehen, darauf hinzuwirken. Das
in'sprüugliche Verliältniss dürfte höchstens noch auf dem Dani- und Degala und an einigen
verl)orgenen Orten zwischen dem Mahaweliganga und Maduruoya aufzufinden sein. Noch
1885 aber 1)erichtete mau uns in Kolonggala im Nilgaladistrict, dass sie die Leiche einfach
da, wo der Tod eintrete, liegen Hessen; die Üeberlebenden zögen dann von dem Orte weg.
In Dewilane fanden wir 1885 bereits die Beerdigung eingeführt; die dortigen Weddas
sagten uns, dass sie die Leiche in der Nähe der Höhle, in der sie e1)en lebten, begrüben
und hierauf die Höhle verliessen. Fünf Jahre später erfuhren wir von den Dewilam-weddas
dasselbe. Daraus geht hervor, dass das Verlassen des Ortes, wo der Tod eintrat, nicht
etwa allein in dem Umstand seine Ursache hatte, dass der Verwesungsgeruch der Leiche
die Üeberlebenden vertrieb; sondern es kam offenbar eine geheime Scheu vor dem Todten
mit dazu, eine unklare Vorstellung vom Weiterleben der Seele des Verstorbenen am Todesorte.
Für das Bestehen einer solchen scheint uns auch Bailey's oben schon angeführte
Mittheilung zu sprechen, dass sie vor dem Verlassen des Todesortes auf die Brust der Leiclie
einen schweren Stein legten. Wir glauben in dieser Behandlung das Bestreljen erblicken
zu sollen, die Seele des Gestorbenen am A'erlassen des Leibes zu verhindern. Ja. noch
heutzutage wird diese Sitte an einigen Orten beobaclitet, wo schon Begräliniss eingeführt
ist, wie wir einer Bemerkung von Deschamps eutnelimen, derzufolge die Weddas von
Wewatte auf das Grab der Leiche einen Stein legen. Ferner werde iloi't die Hütte aufgegeben,
in welcher ein Familienmitglied gestorben sei. Aus diesen beiden Umständen,
dem Verlassen des Todesortes und der Belastung der Leiche mit einem Steine, schHessen
wir also, dass der Wedda eine unbestinmrte Vorstellung vom Weiterleben der Seele des
Todten am Todesorte hat, und dass er sich vor derselben fürchtet. Auch halten wir es
für wahrscheinlich, dass wir auch im Bedecken der Leiche mit Laub oder Reisig ein Besti'el)
en zu suchen haben, die Seele am Verlassen des Körpers zu hindern. Ob diese Ueberdeckung
mit Zweigen und Laub und die Belastung der Brust mit einem Stein zugleicli
vorgenommen ward, rcspective von eventuell noch freien Naturweddas vorgenommen wird,
oder ob die eine Sitte von der andern je nach der Localität verdrängt wurde, bleibt noch
zu erforschen. Auch bei vorderindisclien Urstämmen lässt sich die Sitte, die Leiche oder
(his Grab mit Zweigen zu bedecken, nachweisen; so sagt Jagor (49, pag. 171) von den